Man kann es ja den Stadtvätern in Leipzig und anderswo immer wieder erzählen: Die Zukunft der Mobilität ist emissionsfrei – oder es gibt keine Mobilität mehr. Und kluge Stadtväter und Stadtmütter bauen jetzt die Verkehrssysteme um. Auch die Radwege, auch die grenzüberschreitenden. Aber wenn es etwa um den Elster-Saale-Radweg geht, stellt sich Leipzigs Stadtspitze blind. Oder taub. Nächster Antrag also zum Thema.
Gestellt haben ihn die Grünen für den Doppelhaushalt 2017/2018. Zur Erinnerung: Jenseits der Leipziger Stadtgrenzen existiert der Elster-Saale-Radweg schon. Vom Kulkwitzer See führt er auf der ehemaligen Bahnstrecke von Plagwitz nach Pörsten (insgesamt 16 Kilometer). Die Stadt Markranstädt hat 2007 einen 8 Kilometer langen Abschnitt der Strecke erworben und 2009 als Radweg ausgebaut, der wichtige Lückenschluss nach Meuchen in Sachsen-Anhalt wurde 2010 vollzogen. Aktuell geht Markranstädt sogar an die Sanierung des Weges. Auch das Stück entlang der B 87 zwischen Lützen und Rippach gibt es seit 2003. Dann ist man an der Saale und kann auf dem Saale-Radwanderweg weiterfahren.
Nur Leipzigs Verwaltung stellt sich stur. 2014 hatte sie die Gelegenheit, das 1,2 Kilometer lange Stück ehemaliger Bahnstrecke entlang des Lausner Weges zu kaufen und damit den Weg auf der Strecke vom Kulkwitzer See bis zur Kurt-Kresse-Straße zu vollenden. Man muss nur auf die Karte schauen, um zu sehen, was für ein attraktiver Radweg das wäre.
Doch stur hält Leipzigs Verwaltung an einer Route mitten durch Grünau über die Alte Salzstraße und die Lützner Straße fest – eine Route voller ungeklärter Übergangsstellen und völlig sinnfrei, wenn man nicht gerade die Schönheiten Grünaus bewundern will. Wo überregionale Radrouten nicht irgendwie schon ganz zufällig im bestehenden Wegenetz ihren Platz haben, stellt sich Leipzigs Verwaltung stur und macht eigentlich jedes Mal klar, was sie von einem eigenständigen Radwegenetz hält: nichts.
Zwei Mal schon sind Anträge im Stadtrat gescheitert, die alte Bahnstrecke am Lausner Weg für Leipzig zu sichern und hier auch möglichen Bauplatz für z.B. soziale Infrastrukturen zu schaffen. Am Ende reduzierte sich das Ganze auf die kleine Gleiskurve kurz vor der Thomas-Müntzer-Straße.
Aber wer auf dem Lausner Weg fährt, weiß, dass der eigentlich auch saniert werden müsste, damit hier Radfahren nicht zum Mountainbiken wird. Höchstwahrscheinlich ist das der Grund dafür, warum die Stadt so stur an der Alten Salzstraße festhält.
Dumm nur, dass dieses Festhalten an falschen Provisorien verhindert, dass Leipzig endlich ein klar erkennbares überregionales Radwegenetz erhält. Wer mit uns auf dem Elsterradweg und der Parthe-Mulde-Radroute gefahren ist, weiß, wie löcherig und kaputt und oft genug nur einfach provisorisch ausgewiesen diese Routen sind. Nirgendwo wird die Konsequenz sichtbar, diese Radrouten auch wirklich als attraktive touristische Radwanderrouten auszubauen.
Mit Betonung auf Tourismus.
Was übrigens den zweiten Punkt berührt, warum sich Leipzigs Verwaltung stur stellt, denn wenn es um Tourismus geht, kennt die mittlerweile regelrecht plankierte Stadtpolitik nur zwei Themen: Musik und „Wassertourismus“. Letzteres auch deshalb, weil sich (Motor-)Boote so schön zählen lassen und jede Menge Infrastruktur brauchen, die manche Leute in Stadt und Land für „tragende Wirtschaft“ halten. Man kann also richtig viel Geld ausgeben und hat immer ein paar Geldempfänger, die auf den Knien „Danke!“ sagen.
Und Radwandern?
Existiert in der Tourismus-Politik der Stadt Leipzig nicht.
Obwohl es sogar in den diversen „Gutachten“ zum Elster-Saale-Kanal vorkommt – nämlich als leicht umzusetzende und preiswerte Alternative, mit der man die ganze Region am bestehenden Kanal und dem 7 Kilometer langen Teilstück bis zur Saale sofort touristisch erschließen könnte.
Aber das wollen die Verantwortlichen nicht.
Und auch deswegen verweigern sie sich dem weiter südlich geführten Elster-Saale-Radweg, dessen touristische Potenziale die Nachbarstädte Markranstädt und Lützen sehr wohl zu schätzen wissen. Von Leipzig aus kommt man auf keinem anderen Weg mit dem Rad so schnell und praktisch auf das einstige Schlachtfeld bei Lützen. Eine geschichtsträchtige Route. Und Freunde der Philosophie können gleich noch den Abstecher nach Röcken mit einbinden, wo Friedrich Nietzsche begraben ist.
Und es gibt auch Gelder vom Freistaat. Denn auch wenn der sich schwertut mit der Bearbeitung der Förderanträge – er stellt jedes Jahr Fördergelder für touristische Radinfrastrukturen bereit.
Und genau das beantragen jetzt die Grünen.
„Die Stadt beginnt Ende 2018 mit der Errichtung des touristischen Elster-Saale-Radweges auf dem Abschnitt zwischen dem Bahndamm östlich des Kulkwitzer Sees und dem Karl-Heine-Kanal. Um Fördermittel aus der Richtlinie des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr für die Förderung von Straßen- und Brückenbauvorhaben kommunaler Baulastträger zu nutzen, werden die dafür notwendigen Eigenmittel in Höhe von 20.000 Euro (10 Prozent) zum Abruf der notwendigen Mittel über das Landesförderungsprogramm (90 Prozent) zur Verfügung gestellt.“
Wobei die geschätzten Ausbaukosten wirklich nur eine Schätzung sind.
Denn nach dem ganzen Herumgeeiere des zuständigen Sportbürgermeisters ist noch immer nicht klar, wo die Route auf Leipziger Gebiet nun entlangführen soll. Eine echte Zukunftsvariante ist tatsächlich der Bau entweder direkt auf der alten Bahnstrecke am Dösner Weg, die Überquerung der Schönauer Straße und dort eine direkte Anbindung an die Kurt-Kresse-Straße, so dass man direkt nach Kleinzschocher und zum Volkspark Kleinzschocher kommt. Wenn man nicht auf der Bahnstrecke bauen will, weil man vielleicht so klug ist, das Gelände lieber für neue soziale Einrichtungen oder gar (sozialen) Wohnungsbau zu sichern, dann hilft auch eine Ertüchtigung des Lausner Wegs.
Aber der sportliche Sportbürgermeister will ja direkt zum Karl-Heine-Kanal, den man aber aus der Richtung nur erreicht, wenn man quer durch Grünau zur Lützner Straße fährt. Kann man machen, ist aber völlig sinnfrei.
Trotzdem beantragen die Grünen hier die Trassenprüfung.
„Der Oberbürgermeister wird in diesem Zusammenhang beauftragt, Optionen für einen Bau- und Finanzierungsbeschluss mit dem Ziel des Lückenschlusses des touristischen Elster-Saale-Radweges zwischen Kulkwitzer See und Karl-Heine-Kanal bis Mitte 2017 vorzulegen und die Streckenführung festzulegen und auszuweisen.“
Vielleicht aber sollte man das auch einmal einer ordentlichen Bürgerbeteiligung unterwerfen. Nicht jeder will über den Karl-Heine-Kanal nach Lützen fahren. Und eine andere Routenführung würde auch ganz andere touristische Potenziale erschließen und nicht alles auf den sowieso schon stark frequentierten Radweg am Karl-Heine-Kanal lenken. Der böte sich nämlich für etwas ganz anderes an: einen richtigen Elster-Saale-Kanal-Radwanderweg.
Aber den will ja keiner. Zumindest keiner von unseren Motorbootkapitänen.
Die Serie zur Parthe-Mulde-Radroute.
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