Donnerwetter! Was für eine alte Geschichte! Die hat man doch beinahe schon vergessen! Aber es ist mit dem „Tornadoerlass“ und seinen Folgen genauso wie mit der Südabkurvung am Leipziger Flughafen: Staatliche Verantwortliche stellen sich taub, ignorieren Kritik. Und wenn dann ein Umweltverband wie der Ökolöwe klagt, dann hängt er fünf Jahre in den gerichtlichen Instanzen fest, bis sich überhaupt Klarheit abzeichnet. Ehrlich? So stellt man kein Vertrauen in Politik her, meine Herren!
So zerstört man es. Erst mit einem völlig sinnfreien „Tornadoerlass“ von 2010 des damaligen sächsischen Umweltministers Frank Kupfer (CDU), dann mit dessen willkürlicher Anwendung im Februar 2011 auf, an und hinter den Deichen im Leipziger Auwald. Weil damals die Umweltbehörden der Stadt Leipzig und des Landkreises Nordsachsen den Baumfällungen in der Leipziger Nordwestaue zustimmten, hatte der Ökolöwe auch die beiden Kommunen vor Gericht zitiert, denn es war einfach unglaubwürdig, wenn sechs Wochen nach dem Weihnachtshochwasser, das kurzzeitig für eine gespannte Situation im Leipziger Gewässersystem gesorgt hatte, auf einmal der „Tornadoerlass“ herangezogen wurde, um die Fällung von über 6.000 Bäumen im Auenwald zu begründen.
Nirgends ein Tornado. Nirgends ein akut die Deiche bedrohendes Hochwasser.
Spielte da jemand mit falschen Karten?
Es sieht ganz so aus.
Im Zusammenhang mit der Fällung von über 6.000 Bäumen im Leipziger Auenwald 2011 und der dauerhaften Umwandlung von Waldflächen in technische Deichanlagen hatte die Grüne Liga Sachsen, vertreten durch den Ökolöwe – Umweltbund Leipzig e.V., seit 2011 mehrere rechtliche Verfahren eröffnet. In diesen soll auf dem Rechtsweg geklärt werden, ob die Maßnahmen rechtswidrig waren.
Aus Sicht des Ökolöwen wurde bei den Maßnahmen massiv Naturschutzrecht gebrochen und die Beteiligungsrechte der anerkannten Naturschutzvereinigungen sowie die fachliche Steuerung durch die Naturschutzbehörden wurden ausgehebelt.
Dazu Holger Seidemann, Vorstandsmitglied des Ökolöwen: „Aufgrund des nicht vorhandenen Aktenstandes mussten wir damals alle Rechtsoptionen ausschöpfen und hatten mehrere Klagen angestrengt.“
Aktuell wurden vor dem Verwaltungsgericht Leipzig noch zwei der Klagen verhandelt, die der Ökolöwe gegen die Stadt Leipzig und den Landkreis Nordsachsen erhoben hatte. In beiden Verfahren konnte nun eine Einigung erzielt werden, wonach die Klagen aus verfahrensrechtlichen Gründen eingestellt werden. Inhaltlich wurde in der Sache durch das Gericht festgestellt, dass die Fällarbeiten im Auwald wahrscheinlich rechtswidrig waren, weil genau die vom Ökolöwen geltend gemachten Rechtsverstöße vorlagen. Aber wer diese zu verantworten hat, das konnte erst eine gerichtliche Akteneinsicht an den Tag bringen.
Ausgeführt wurden die Baumfällungen und Deichausbauten in der Aue durch die Landestalsperrenverwaltung (LTV), eine Behörde des Freistaates Sachsen.
„Durch unsere Akteneinsicht in den Klageverfahren können wir nun die kuriose Rechtspraxis dieses Auwaldfrevels gut nachvollziehen: Die LTV hatte nach acht Jahren Untätigkeit mit dem Trick einer vorgespiegelten akuten Hochwassergefahr für Leipzig die Naturschutzbehörden und Naturschutzvereinigungen aus dem Verfahren gedrängt, alle Bäume gefällt und dann die massiven Deichausbauten als sogenannte Unterhaltungsmaßnahmen deklariert. Da die LTV für ihre technikverliebte Planung vom Naturschutz keine Genehmigung erhalten hätte, wurde das Genehmigungsverfahren einfach umgangen“, erläutert Holger Seidemann vom Ökolöwen den Vorgang.
Als Hebel für den winterlichen Kahlschlag hatte die LTV den „Tornadoerlass“ benutzt und einfach „Gefahr im Verzug“ für das Deichsystem in der Leipziger Elsteraue erklärt. Die zuständigen Naturschutzbehörden konnten eigentlich nur zustimmen.
Zu den Vorgängen im Auwald 2011 wird vom Ökolöwen deshalb parallel ein Klageverfahren gegen den Freistaat Sachsen geführt. Darin klärt derzeit das Oberverwaltungsgericht in Bautzen, welches behördliche Verfahren damals hätte durchgeführt werden müssen. Denn wenn sich die LTV nicht auf „Gefahr im Verzug“ berufen kann, dann hätte ein ganz normales planungsrechtliches Anhörungsverfahren stattfinden müssen, bei dem auch hätte abgewogen werden müssen, welche Art Hochwasserschutz in der Elsteraue überhaupt gewollt und sinnvoll ist. Da hätten nicht nur die Naturschutzverbände, sondern auch Stadt und Landkreis ein Wörtchen mitreden können und müssen.
Denn nachhaltig sind die 2011/2012 neu gebauten und verstärkten Luppedeiche nicht. Im Gegenteil, sie haben das sowieso schon belastete Wasserregime in der Aue weiter zerschnitten und große Teile der Burgaue langfristig von notwendigen Überschwemmungen abgeschnitten.
„Dem Ökolöwen geht es zum einen darum, dass die Zerstörungen im Auwald nach Möglichkeit rückgängig gemacht werden. Zum anderen geht es darum, dass solche Rechtsverstöße in Sachsen zukünftig nicht wieder möglich sind. Zudem soll zur Kompensation der Auwaldschäden nach dem strengeren europäischen Recht ausgeglichen werden“, formuliert Holger Seidemann die möglichen Folgen aus dem noch offenen Urteil.
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