Vorbeugen ist besser, als hinterher mit den Augen zu rollen, befand jetzt der Leipziger Stadtverband der SPD. Dort geht die wohl nur zu berechtigte Angst um, ein Stück der Goldschmidtstraße würde eines Tages unverhofft in Kurt-Masur-Straße umbenannt. Einen offiziellen Vorschlag in dieser Richtung hat Leipzigs Verwaltung zwar noch nicht gemacht. Doch die Gerüchteküche wabert.

Gleich nach dem Tod des langjährigen Gewandhauskapellmeisters Kurt Masur im Dezember 2015 prasselten die Vorschläge verschiedener Bürger auf die Stadtverwaltung nieder, was man in Leipzig alles umbenennen könnte, um Masur zu ehren. Den konkretesten Vorschlag machte die CDU-Fraktion, die sich die Platzfläche zwischen Gewandhaus und Moritzbastei als Kurt-Masur-Platz vorstellen könnte.

Was nicht gleich auf volle Zustimmung der Stadt stieß. Denn da konnte man sich eine andere Würdigung des Mannes, der sich besonders für den Erhalt des Mendelssohn-Hauses einsetzte, besser vorstellen: Die Gründung einer Stiftung mit Kurt Masurs Namen, der Stiftung „Kurt Masur Institut“ Die Vorlage ward ruckzuck beschlossen und umgesetzt, die Gründung der Stiftung gefeiert.

Doch die Vorstöße, Masur noch ein öffentliches Plätzchen im Stadtraum einzuräumen, reißen augenscheinlich nicht ab. Wenn das stimmt, was die SPD jetzt beunruhigt, trägt sich irgendjemand mit dem ernsthaften Vorschlag, die Goldschmidtstraße zwischen Rossplatz und Nürnberger Straße umzubenennen. Das ist der Straßenabschnitt, an dem auch jenes Haus steht, in dem Felix Mendelssohn Bartholdy bis zu seinem frühen Tod lebte und wo die Mendelssohn-Gedenkstätte heute ihre Räume hat.

Auf ihrem Stadtparteitag am Dienstag, 18. Oktober, hat sich nun die Leipziger SPD zwar ebenfalls zu einer Würdigung von Kurt Masur durch eine entsprechende Straßenbenennung bekannt, lehnt aber eine teilweise Umbenennung der Goldschmidtstraße in Kurt-Masur-Straße ab. Damit folgte die SPD einem Antrag der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF) in Leipzig, der „Goldschmidtstraße bleibt Goldschmidtstraße“ forderte.

Irgendwie hatte man vernommen, dass die Stadtverwaltung einige Vorschläge für eine Kurt-Masur-Straße oder einen Kurt-Masur-Platz ins Gespräch gebracht hätte, einer davon sei die namentliche Splittung der Goldschmidtstraße auf Höhe der Nürnberger Straße. Offiziell vorgelegt hat das Kulturdezernat so einen Vorschlag noch nicht. „Der Vorschlag soll zu einem Zeitpunkt vorgelegt werden, der eine Ehrung zu Kurt Masurs 90. Geburtstag am 18. Juli 2017 ermöglicht“, hatte man in Ablehnung des CDU-Vorschlags im Sommer noch bekanntgegeben.

Wenn tatsächlich die Umbenennung des city-nahen Teils der Goldschmidtstraße geplant sein sollte, wäre das natürlich ein Affront. Selbst wenn man damit dem Mendelssohn-Haus zur Adresse „Kurt-Masur-Straße“ verhelfen wollte.

Katharina Kleinschmidt, Vorsitzende der ASF Leipzig, erläutert den Antrag: „Henriette Goldschmidt ist eine der wichtigsten Figuren der Frauenbewegung und hat weit über die Grenzen von Leipzig hinaus gewirkt. Die Stadt Leipzig wäre nicht gut beraten, ihr Andenken zu schmälern oder gar zu beschädigen.“

Es gebe in Leipzig mit Sicherheit deutlich besser geeignete Straßen oder Plätze. Grundsätzlich, so Kleinschmidt, gehe es nicht darum, so schnell wie möglich eine Straße nach Kurt Masur zu benennen: „Eine gut geprüfte und durchdachte Entscheidung ist auf jeden Fall besser als ein Schnellschuss.“

Die Goldschmidtstraße wurde übrigens erst 1947 nach der Frauenrechtlerin benannt. Und zwar aus gutem Grund: 1911 wurde im Gebäude der damaligen Königsstraße 18 – 20 die von Henriette Goldschmidt gegründete „Hochschule für Frauen“ untergebracht. Und einen ärgerlichen Umgang der Stadt mit der Erinnerung an Henriette Goldschmidt kennen die Leipzigerinnen ja schon: Das legendäre Henriette-Goldschmidt-Haus in der Friedrich-Ebert-Straße wurde erst 2000 – gegen heftige Proteste der Stadtgesellschaft – abgerissen, weil man die Straße unbedingt verbreitern wollte. Mittlerweile plant die UNITAS zumindest die Wiederherstellung der Hausfassade. Aber es war peinlich genug, das legendäre Haus für eine im Grunde überflüssige Straßenverbreiterung zu opfern.

Jetzt kann man gespannt sein, ob der Vorschlag der Stadt zur Würdigung Masurs tatsächlich so krumme Wege nimmt oder etwas ganz anderes in der Vorlage stehen wird. Aber nicht nur die SPD-Frauen sind alarmiert. Zu oft haben sich solche Gerüchte bestätigt, ohne dass auch nur der Stadtrat frühzeitig einbezogen worden wäre.

Stellungnahme der Stadtverwaltung zum CDU-Antrag.

Vorlage der Stadtverwaltung zum „Internationalen Kurt-Masur-Institut“.

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Und dabei gibt es so viele “Straßenzipfel”, die man getrost umbenennen könnte. Den stadtwärtigen Teil der Stötteritzer Straße (westlich der Riebeckstraße) zum Beispiel oder den Lindenauer (?) Teil der Alten Salzstraße oder oder oder… damit tritt man vermutlich niemandem auf die Füße. Alternativ könnte man vielleicht auch (zentrumsnäher) die Sachsenseite oder die Dresdner Straße aus dem Stadtbild tilgen. Als politisches Signal vielleicht sinnvoller… 😉

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