Leipzigs Verwaltung tut sich unendlich schwer mit der Entwicklung wirksamer Verkehrskonzepte. Egal ob am Sportforum, in Plagwitz oder in der Westvorstadt. Das Problem ist immer wieder dasselbe: Man versucht ganz amtlich, erst einmal die Probleme des motorisierten Individualverkehrs zu lösen. Und landet jedes Mal in derselben Denkfalle. Auf der Strecke bleiben echte Verkehrsalternativen ohne Auto.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun einen Antrag zur Quartiersentwicklung des Kolonnadenviertels in das Stadtratsverfahren eingereicht. Ziel dabei ist die Entwicklung eines Konzeptes Aktive Mobilität/Nahmobilität für das Kolonnadenviertel und sein unmittelbares Umfeld, das insbesondere die Ziele verfolgt, dem Zufußgehen und Radfahren komfortable Bedingungen zu bieten. Denn selbst in diesem eigentlich geschlossenen Quartier ist beides nicht komfortabel, weil Autoparkplätze wichtiger sind als gute Radwege und Fußgängerbedingungen. Dabei bietet sich das Kolonnadenviertel eigentlich an für so ein Umdenken.
Aktive Mobilität und Nahmobilität können hier – so die Grünen – zur Basismobilität aufgewertet, Dorotheenplatz und Nikischplatz zu Freiräumen mit hoher Aufenthaltsqualität entwickelt werden. Denn geparkt werden kann ja jetzt ganz lukrativ in der Nachbarschaft.
„Da mittlerweile das Parkhaus ‚Thomasium‘ eröffnet, ein seitens der Stadtverwaltung zugesagtes Verkehrskonzept für das Umfeld allerdings noch nicht erarbeitet wurde, halten wir es jetzt für zielführend, den Stadtraum des Quartiers kritisch zu überprüfen, um ihn zu einem insgesamt hochwertigen Lebens- und Bewegungsraum zu steigern“, kommentiert Daniel von der Heide, verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion, den Antrag.
Entsprechend der Leipzig-Charta zur nachhaltigen Europäischen Stadt soll der Stadtverkehr in Einklang mit den Nutzungsansprüchen von Wohnen, Arbeiten, Umwelt und öffentlichen Räumen stehen. Geeignete Verkehrsnetze für den Fuß- und Radverkehr sollen eine klima-, umwelt- und sozialverträgliche Mobilität sowie einen angenehmen Aufenthalt im öffentlichen Raum ermöglichen. Dies umfasst speziell die Entwicklung und Optimierung neuer oder bestehender Infrastrukturen für den Fuß- und Radverkehr sowie Inter- und Multimodalität und die Erhöhung der Aufenthaltsqualität durch städtebauliche Aufwertung. Alles schon vom Stadtrat beschlossen – aber bis heute nicht umgesetzt, weil die Prioritäten irgendwie immer wieder andere sind.
Und was im Großen bestenfalls ein Flickwerk ist, wird im Kleinen fast unsichtbar. Seit rund 20 Jahren klappt im Rathaus immer wieder das Stopp-Schild hoch, wenn auch nur jemand das Wort „autofreie Quartiere“ in den Mund nimmt. Was schon peinlich genug ist. Denn wenn die Stadt nicht mal als Pilotprojekt solche Stadtquartiere ohne Auto-Primat zulassen will, bleibt alles in der ganzen Stadt beim Alten. Menschen, die autofreie Wohnquartiere suchen, finden keins. Und da, wo Quartiere durch umweltfreundliche Verkehrsarten aufgewertet werden können, wird dennoch der Parknotstand aufrechterhalten.
Es sieht ganz so aus, als hätte die Stadtspitze tatsächlich kein Interesse an einem umweltfreundlichen Umbau der Stadt.
Oder ändert sich das jetzt? Wird der Grünen-Vorstoß als Chance begriffen, mit dem Umdenken zu beginnen?
„Der öffentliche Raum ist deshalb so zu konzipieren, neu aufzuteilen und zu gestalten, dass die Aktive Mobilität gestärkt und die Nahmobilität zur Basismobilität aufgewertet wird. Das Konzept und seine Umsetzung für das Kolonnadenviertel und sein unmittelbares Umfeld soll als Modellprojekt auch für andere Quartiere Vorbild werden“, betont Tim Elschner, der stadtentwicklungspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion. „Mit diesem ‚Pilotprojekt‘ soll exemplarisch aufgezeigt werden, welche Qualitäten für den öffentlichen Raum durch eine konsequente Förderung der aktiven Mobilität und Nahmobilität erzielt werden können. Die Bedeutung des Fußverkehrs für das Quartier wurde zuletzt beim Spaziergang des Oberbürgermeisters mit VCD und FUSS e.V. deutlich vor Augen geführt. Für das Modellprojekt erwarten wir zudem eine gut angelegte Bürgerbeteiligung. Sie könnte sinnvollerweise gemeinsam mit der für 2017 angedachten Bürgerbeteiligung zur Gottschedstraße, die der Stadtrat bereits 2013 beschlossen hat, stattfinden.“
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