Da werden sich nicht nur die Grünen ziemlich veralbert vorkommen, wenn sie jetzt die Ablehnung des Stadtplanungsamtes zu ihrem Antrag lesen, für das Gebiet um den Felsenkeller solle ein Bebauungsplanverfahren samt Veränderungssperre eingeleitet werden. Forsch lehnt das Planungsdezernat ab, denn – siehe da – jemand will tatsächlich einen Supermarkt auf das Gelände bauen. Natürlich mit jeder Menge Stellplätzen.

„Am 19.07.2016 wurde im Amt für Bauordnung und Denkmalpflege ein Bauantrag zur Errichtung eines Einkaufsmarktes mit einer Verkaufsfläche von < 800 qm VKF und 48 Stellplätzen für das Gesamtareal des Felsenkellers eingereicht“, teilt das Planungsdezernat in seiner Ablehnung des Grünen-Antrags mit und lässt damit die Katze aus dem Sack. Was dann auch die ganzen Eiertänze um die Baumfällungen erklärt. Denn gefällt wurden die Bäume vor allem im Bereich des geplanten Supermarktes und der geplanten 48 Stellplätze.

Der Grünen-Antrag stammt übrigens vom 27.  Juli. Da hatten Stadt und Planer also schon mal Nägel mit Köpfen gemacht.

Der Investor hat hier sichtlich ein Stück Erde gefunden, das die Stadt noch nicht mit irgendeiner Nutzung beplant hatte. Warum auch? Eigentlich ist es ja Teil des ehemals großen Biergartengeländes hinter dem Felsenkeller.

Und dass zumindest im Leipziger Baudezernat niemand sitzt, der hier einen Widerspruch zwischen Denkmalschutz und geplanter Nutzung sieht, macht die Stellungnahme des Baudezernats deutlich: „Das in Rede stehende Gebiet liegt im unbeplanten Innenbereich. Die planungsrechtliche Beurteilung von Vorhaben richtet sich nach den Bestimmungen des § 34 BauGB. Fügen sich Vorhaben demnach in die Eigenart der Umgebung nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der zu überbauenden Grundstücksfläche ein, so sind sie grundsätzlich auch zulässig. Nach Prüfung der eingereichten Unterlagen hinsichtlich der aufgeführten Kriterien, sind Ablehnungsgründe derzeit nicht zu erkennen.“

Und auch wenn man dem Stadtrat bis jetzt nicht verraten hat, wie weit man da schon in den Absprachen mit dem Investor war, jetzt gibt man zumindest zu, dass die Stadt schon länger wusste, dass hier ein Supermarkt hin soll: „Dem eingereichten Bauantrag liegt eine längere Abstimmung zwischen den Grundstückseigentümern und einem beauftragten Projektentwickler und der Verwaltung mit dem Ziel der Sanierung des Felsenkellers zugrunde.“

Man fühlte sich nur nicht bemüßigt, den Stadtrat darüber zu informieren. Über die künftig geplanten Anfahrttrassen übrigens auch nicht. Denn eines steht bei 48 Stellplätzen fest: Der Pkw-Verkehr wird in einem sensiblen Bereich der Zschocherschen Straße deutlich zunehmen.

Gegen den STEP Zentren für das Stadtteilzentrum Plagwitz, der an der Stelle gar keine neue Marktansiedlung vorsieht, verstoße das Ganze auch nicht, meint das Planungsdezernat: „Mit dem genannten Zitat aus dem Zentrenpass ‚Stadtteilzentrum Plagwitz‘ wird als Ergänzungsbedarf die Inwertsetzung des Felsenkellers mit tradtionellen Nutzungen aufgeführt. Von der Ansiedlungsoption für einen Lebensmittelmarkt konnte zum damaligen Zeitpunkt nicht ausgegangen werden, schließt diese aber auch nicht aus. Als generelles Entwicklungsziel wird für das Stadtteilzentrum die Ausweitung bzw. Ergänzung des Einzelhandels- und Dienstleistungsangebots beschrieben, in dem im Zuge der weiteren Gebäudesanierungen zusätzliche Potenziale für weitere Ergänzungen geschaffen werden sollen.“

Von einem Lebensmittelmarkt mit dieser Verkaufsflächengröße sei auch keine Gefährdung der Einzelhandelsentwicklung am Lindenauer Markt zu erwarten, meint das Dezernat. Und weist dann alle Argumente der Grünen Punkt für Punkt zurück.

Außer den eigentlichen, den die Grünen so formuliert hatten: „Um die besondere Attraktivität und Einzigartigkeit des Gebietes zu sichern, stellt die Stadtratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen diesen Antrag, um für den Bereich Karl-Heine-Straße, Birkenstraße, Felsenkellerstraße und Zschochersche Straße eine geordnete städtebauliche Entwicklung einzuleiten, die die Ansiedlung von Einzelhandel ausschließt und Detailfragen (z.B. Stellplätze, Baumanpflanzungen etc.) klärt.“

Aber gerade die „besondere Attraktivität und Einzigartigkeit“ scheint das Planungsdezernat nicht zu interessieren. Und für einen Bebauungsplan sieht man keinen Sinn. Man hat ja schon alles vorab geklärt, als man von einer neugierigen Öffentlichkeit ungestört war. Und da hat man ja wohl die Hoheit, oder? Und dann gibt es eine so deutliche Ohrfeige für die gewählten Stadträte, wie man sie aus der Verwaltung bislang noch nicht gelesen hat: „Die meisten der angestrebten Planungsziele beziehen sich auf die im Eigentum der Stadt Leipzig befindlichen Flächen und Gebäude. – Das aktuelle Handeln der Stadt (Sanierung der Stadtteilbibliothek, Erbpachtvertrag Alter Felsenkeller, Pachtvertrag für Annalinde) entspricht den formulierten Zielen. Eines Bebauungsplanes zur Regulierung des stadteigenen Handelns bedarf es nicht.“

Deutlicher wurde bis jetzt noch nicht gesagt, dass sich die Verwaltung eine Einmischung aus Ratsfraktionen strikt verbittet. Was dann auch 48 Stellplätze betrifft in einem Gebiet, in dem eigentlich Erholung und Freizeit angesagt waren. Dass manche Gebiete einfach deshalb nicht beplant sind, weil sich normalerweise niemand vorstellen kann, in grünen Oasen neue Stellplätze und einen Supermarkt zu bauen, das scheint im Dezernat Planung und Bau mittlerweile unvorstellbar zu sein. Oder hat mit dem Überraschungseffekt gerechnet und freut sich jetzt, wie überrascht alle dastehen.

Der Antrag der Grünen.

Die Ablehnung des Planungsdezernats.

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Es gibt 11 Kommentare

Es lässt mich nicht los. Meine Wut wächst. Ich habe große Lust die Stadtratssitzung morgen 16:30, im Neuen Rathaus “zu besuchen”.

Meine Wut ist ohnmächtig, denn diesen Wesen im Stadtrat, Stadtplanungsamt, dem Amt für Bauordnung und Denkmalpflege scheint es unmöglich zu begreifen, dass das Herz unserer Stadt nicht ein Platz vor einem Rathaus oder ein weiterer x beliebeiger Supermarkt ist.

Es ist unser Auenwald zum einen und es sind Ecken wie diese eine war.
Warum reist Ihr uns das Herz raus – warum.

Die Verwaltung handelt nach der Vorstellung: Lieber der jetzige Besitzer als gar keiner (und möglicher weiterer Verfall), selbst wenn dieser kaum sichtbar saniert und einen Großteil der Fläche mit einem Supermarkt bebauen möchte. Der Stadtrat kann leider nicht viel bewirken (wenn er denn überhaupt wollte), da das Grundstück nicht Teil eines Entwicklungsplans ist.

Man fragt sich zu Recht, wer hier in der Stadt noch den Hut auf hat.
Die Ratsfraktionen? Wohl eher die Verwaltung. Genau so sollte es eigentlich nicht sein.
Der Stadtrat verkommt zum “Brot-und Spiel-Verein”; externe Positionen manipulieren und bedienen sich nach Gutdünken und Möglichkeiten.
Anders ist so ein Vorgang nicht zu erklären.

Ein paar Gedanken den alten Bäumen hinterhergeweint:
Gerne wird in dem Zusammenhang mit Baumneupflanzungen verdrängt, wie lange ein neu gepflanzter Baum braucht, um die gleiche positive Wirkung auf die Umwelt zu haben wie ein alter Baum. Leicht nach vollziehbar ist das rein optisch mit dem Online-Baumkataster der Stadt Leipzig, denn hier kann man das Alter jedes städtischen Baumes nachschlagen. Erstaunlich, wie alt manches mickrige Bäumchen in der Straße gegenüber oder im Park um die Ecke schon ist!
Folglich ist ökologisch gesehen eine 1:1 Aufrechnung von Baumfällungen und Baumneupflanzungen eine verzerrte Sichtweise. Vielleicht haben unsere Enkel mal etwas von den Neupflanzungen; fürs hier und jetzt sollte es immer das Ziel sein, alte Bäume so lange wie möglich zu erhalten. Zumindest, wenn man als Stadtverwaltung ernst genommen werden will.

Kürzlich habe ich beim Amt für Stadtgrün und Gewässer mein Interesse für die Übernahme einer Baumpatenschaft bekundet, bei der man einen Anteil der Kosten einer Baumneupflanzung im Stadtgebiet sponsert. Vor dem Hintergrund dieser Felsenkeller-Posse kommt mir die Frage, ob ich mit der Patenschaft nicht indirekt Sponsor eben solcher rein wirtschaftlich orientierter Baumfällaktionen werden würde. Ich könnte mir jedenfalls vorstellen, dass so mancher Leipziger Baumpate einen dicken Hals bekommt, wenn er hier liest, wie die eine städtische Hand das Beil an gute alte Bäume setzt, während die andere aufgehalten wird, um das Geld der Baumpaten zu empfangen.
Ich werde nun jedenfalls von einer Baumpatenschaft absehen.

Für die mitlesende Stadtverwaltung hier noch eine Erinnerung an ein Zitat auf der eigenen Internetseite:
„Wir brauchen im Garten, am Haus oder in nächster Nachbarschaft ein paar alte Bäume, wenn unser tägliches Lebensgefühl nicht unter seiner natürlichen Höhe und Kraft bleiben soll“ Karl Foerster
(www.leipzig.de/umwelt-und-verkehr/umwelt-und-naturschutz/baeume-und-baumschutz/)

Vielleicht fehlen in der nächsten Nachbarschaft der Entscheidungsträger einfach ein paar alte Bäume?

“der öffentlichen „absegnen“…
Es sollte natürlich -dem- nicht -der- heißen.

ERINNERUNG: Das heutige Gebäude wurde 1890 in der damaligen Vorortgemeinde Plagwitz durch die Leipziger Architekten August Hermann Schmidt (1858–1942) und Arthur Johlige (1857–1937) im Stil des Neobarocks als Ersatz für den alten, nördlich gelegenen Felsenkeller errichtet. (Wiki)
2016 machte das Amt für Bauordnung und Denkmalpflege Platz für einen Supermarkt und Parkplatz.
Eine heroische Glanzleistung im Sinne der Bürger und der Stadt.

Lieber Dave, hast Du noch den Glauben daran, in einer öffentlichen Stadtratssitzung etwas “herumreisen”, “rückgängig” machen zu können?
Ich mutmaße mal, dass dieser Termin lediglich der öffentlichen “absegnen” von längst beschlossenem, versprochenem, verplantem … gilt.
Wer hier die Bäume fällt, einen Supermarkt mit Parkplatz plant, ist keines besseren zu belehren.
Hierzu braucht es eine fremde Heimat oder bösen Willen oder ein gutes Händchen für einen extra Schein.

Vielleicht kann man ja noch was machen. Petition. Unterschriften im Felsenkeller-Biergarten sammeln. Anzeige gegen Planungsdezernat/Gutachter zur Baumfällung. Demo. Besetzung.

Kommt doch mal alle zur öffentlichen Stadtratssitzung am Mittwoch im Neuen Rathaus. Da wird das gegen 16.30 Thema sein.

Ich kenn das da ja nicht, aber ich glaub, da gehört so einiges Bestraft. Da sollte doch mal irgendwer genauer hinschauen. Von den brav am richtigen Ort plötzlich erkrankten Bäumen bis zu den vorherigen Aussagen. Könnte man ja sonst glatt für ne Verarsche halten.

„Am 19.07.2016 wurde im Amt für Bauordnung und Denkmalpflege ein Bauantrag zur Errichtung eines Einkaufsmarktes mit einer Verkaufsfläche von < 800 qm VKF und 48 Stellplätzen für das Gesamtareal des Felsenkellers eingereicht“.

Dies kommt der Misshandlung von Schutzbefohlenem gleich und gehört bestraft.

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