Was ist da los im Palmengarten? Hatte die Stadt nicht erst im März festgestellt, dass sich die Sanierung der Schule in der Karl-Heine-Straße 22 b auch deshalb bis ins Jahr 2020 verzögert, weil Brücke und Ufermauer zwingend erneuert werden müssen, aber durch den sensiblen Palmengarten keine Baustraße gelegt werden darf? Und was sahen aufmerksame Leser in den letzten Tagen im Palmengarten? - Eine neue Schotterpiste quer durch den Park.
Das hat mit einer Entscheidung zu tun, die die Dienstberatung des OBM erst nach dem Bauentschluss für die Schule, der im März gefallen war, getroffen hat. Am 12. April ging es in der Dienstberatung um die Frage, wie man im Jahr 2016 die Unterbringung für die neu ankommenden Asylsuchenden sichern kann. Zwar geht die Stadtverwaltung nicht mehr davon aus, dass in diesem Jahr die vom Land prognostizierten 6.600 Asylsuchenden an die Stadt überwiesen werden. Aber es werden möglicherweise trotzdem noch über 4.000, heißt es in der neuen Vorlage. Oder mal komplett zitiert: „Unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklung geht die Stadt Leipzig davon aus, dass tatsächlich bis Jahresende 4.000 Personen aufgenommen werden und dass sicherheitshalber ein Puffer für die Unterbringung von weiteren 2.500 Personen vorgehalten werden sollte.“
Für diesen Puffer will die Stadt nun auch die leerstehende Schule nutzen, in der bis zum März noch die Pädagogische Fakultät der Uni Leipzig untergebracht war. Denn bis Oktober 2017 passiert in den leerstehenden Gebäuden erst einmal nichts. Bis dahin müssen erst einmal die Ufermauer und die Brücke erneuert werden, damit ab 2017 auch die Baufahrzeuge über die Brücke ins Gelände fahren können.
Aber das ist natürlich auch ein Problem für die Versorgung der Gebäude, wenn ab August bis zu 310 Asylsuchende dort untergebracht werden sollen. So, wie es im April beschlossen wurde: „Der Standort kann für ca. 310 Bewohner vom 01.08.2016 bis zum 31.12.2017 als Interim zur Unterbringung für Asylbewerber/-innen und Geduldete bereitgestellt werden.“
Man kann so einen Standort nicht einfach nutzen und dann über einen Trampelpfad versorgen. Deswegen steht im Beschluss zu dieser neuen Interims-Unterkunft auch: „Während der Erneuerung der Brücke und Sanierung der Ufermauer kann das Grundstück und der Gebäudekomplex nur über den nördlich gelegenen Palmengarten angefahren werden. Eine Erschließung über diesen als Zufahrt für Rettungs- und Bewirtschaftungsfahrzeuge für einen begrenzten Zeitraum ist sichergestellt und wurde mit den zuständigen Fachämtern abgestimmt.“
Was sich also jetzt geschottert durch den Palmgarten schlängelt, ist keine Baustraße, sondern eine Versorgungsstraße, bei der man nach Auskunft der Stadt versucht hat, vor allem die historischen Parkwege zu nutzen und zu verstärken. An etlichen Stellen ist das eine sehr robuste Verstärkung, denn für Fahrzeugverkehr sind diese Wege nicht ausgelegt.
Oder mit den Worten der Vorlage: „Die Zufahrt dient der Sicherstellung der Erschließung für Rettungsfahrzeuge und der Bewirtschaftung des Standortes. Die Asylbewerber/-innen besitzen in der Regel keinen PKW und erreichen die Unterkunft fußläufig. Die Frequentierung und Anforderungen der Zufahrt wurden mit der Branddirektion der Stadt Leipzig, der Stadtreinigung, dem Amt für Stadtgrün und Gewässer sowie der unteren Naturschutzbehörde abgestimmt. – Zur Schonung und Erhaltung des wertvollen Baumbestandes ist die Zufahrt zum Interim vom Elsterwehr kommend geplant. Dies ist die kürzeste Zufahrt zum Grundstück Karl-Heine-Str. 22b von einer öffentlichen Straße aus und es kann der bereits asphaltierte Wegeabschnitt bis zum Meisterbereich genutzt werden.“
„Asphaltiert“ ist gut: Einige der Straßenabschnitte in Verlängerung der Mainzer Straße, die im Bereich des Palmgartenwehres dann Am Elsterwehr heißt, sind mit teilweise recht rustikalem Granitpflaster bedeckt. Der Streckenabschnitt gehört eigentlich direkt in die aktuelle Mitmach-Aktion des BUND Leipzig, bei der die miesesten Radwege in Leipzig gesucht werden. Erstaunlicherweise hat noch niemand diese Buckelpiste benannt. Dafür tauchen die beiden völlig sinnfreien „Bettelampeln“ an der Käthe Kollwitz-Straße auf.
Und natürlich sind einige Wege im Palmengarten jetzt mit Vorsicht zu fahren. Vor der Hauptachse steht auch ein großes Stoppschild, das die künftigen Kraftfahrer hier darauf hinweist, dass sie mit querenden Radfahrern rechnen müssen. Die Stelle hat es in sich, denn hier verdecken schon traditionell Büsche die sich dicht hinter der Brücke über die Weiße Elster kreuzenden Wege. Hier krachen auch Radfahrer regelmäßig ineinander, wenn sie nicht damit rechnen, dass hinterm Busch ein ebenso eiliger Zeitgenosse hervorgerauscht kommen könnte.
Die dicke Schotterschicht soll vor allem dafür sorgen, dass die Parkwege nicht zerfahren werden: „Die Tragschichten der historischen Wege werden genutzt, diese werden ertüchtigt und ggf. verbreitert. In Bereichen ohne vorhandene Befestigung, wird diese erneuert. Auf allen Wegen wird eine 5 cm starke Deckschicht in der Körnung 0/16 aufgebracht. Dies entspricht dem geforderten Wegeaufbau der Richtlinie für ländliche Wege (RLW). Die unmittelbar am Weg stehenden Bäume erhalten einen Stammschutz. Zur Orientierung der Parkbenutzer (Besucher und Radfahrer) und für Fahrzeuge werden Hinweisschilder aufgestellt.“
Der simple Blick auf die Wegebaustelle zeigt, dass das mit den 5 Zentimetern wohl eher ein Wunschmaß war. Es sind eher 20 Zentimeter, die hier kompakt auch mal quer über die Wiese gelegt wurden. Das sieht dann tatsächlich eher wie eine Baustraße aus, auch wenn es nur eine provisorische Versorgungsstraße bis Dezember 2017 sein soll.
Die Sanierung und Erweiterung der Schulgebäude, die für ein neues Gymnasium dienen sollen, soll nach bisherigen Plänen im Januar 2018 beginnen. Dann ist auch die Brücke über die Kleine Luppe fertig und die Baufahrzeuge können von der Karl-Heine-Straße die Baustelle anfahren.
Die Herrichtung der Schulgebäude als vorübergehende Asylunterkunft hat die Stadt übrigens mit 1,9 Millionen Euro beziffert, die noch im Haushalt 2016 außerplanmäßig eingestellt wurden.
Die Vorlage zur Asylunterbringung in der einstigen Schule Karl-Heine-Straße 22b.
In eigener Sache
Jetzt bis 8. Juli für 49,50 Euro im Jahr die L-IZ.de & die LEIPZIGER ZEITUNG zusammen abonnieren, Prämien, wie zB. T-Shirts von den „Hooligans Gegen Satzbau“, Schwarwels neues Karikaturenbuch & den Film „Leipzig von oben“ oder den Krimi „Trauma“ aus dem fhl Verlag abstauben. Einige Argumente, um Unterstützer von lokalem Journalismus zu werden, gibt es hier.
Keine Kommentare bisher
Danke für die gründliche Recherche. Also sollen da tatsächlich 1 1/2 Jahre lang KFZ und LKW durch den Palmengarten rollen? Insbesondere die angesprochene Querung des sehr viel befahrenen Weges entlang den Brücken ist sehr ärgerlich und m.E. auch sehr gefährlich. Wieso hat man denn keine Interim-Brücke gebaut? Oder man macht den Wirtschaftsverkehr mit Lastenfahrrädern (das soll kein Witz sein! In den Niederlanden oder auf den Nordseeinseln kriegt man das teilweise auch ohne Autos hin).