Eigentlich ist es doch ganz einfach, dachte sich die Leipziger CDU-Fraktion: Im Dezember jährt sich der Todestag von Kurt Masur. Das wäre doch die ideale Gelegenheit, einen Platz nach dem 2015 verstorbenen Gewandhauskapellmeister zu benennen. Vorzugweise einen, der quasi direkt vor der Haustür seiner einstigen Wirkungsstätte liegt: den Platz gleich hinterm Gewandhaus.

Aber warum diese Eile? Das fragt sich zwar das Leipziger Kulturdezernat nicht offiziell, lässt es aber durchblicken, wenn es den Antrag der CDU-Fraktion jetzt ablehnt mit dem Hinweis, die Sache sei doch schon Verwaltungshandeln.

Die CDU-Fraktion hatte ihre Sicht auf den Maestro und seine Würdigung so begründet: „Kurt Masur prägte als Gewandhauskapellmeister das musikalische und gesellschaftliche Leben unserer Stadt maßgeblich. Unter seiner Leitung hat sich das Gewandhausorchester weiter zu einer einzigartigen und unverwechselbaren musikalischen Adresse entwickelt und seinen weltweiten Ruf ausgebaut. Seine Verdienste um die Friedlichkeit der Revolution von 1989 sind unvergessen. Auch der Bau des Neuen Gewandhauses am Augustusplatz wäre ohne sein beharrliches Engagement kaum vorstellbar gewesen. Kurt Masur ist eine bedeutende Künstlerpersönlichkeit, die es verdient hat, in Leipzig mit einem Straßennamen an prominenter Stelle gewürdigt zu werden.“

Und diese prominente Stelle glaubt man gleich mit der Freifläche zwischen Gewandhaus und Moritzbastei gefunden zu haben: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, einen Beschlussvorschlag zur Benennung einer Straße oder eines Platzes nach Kurt Masur vorzulegen. Dies soll zeitlich so erfolgen, dass die Benennung bis zum 1. Todestag von Kurt Masur vollzogen werden kann. Vorzugsort dieser Benennung ist der Platz, der durch Gewandhaus, Moritzbastei, Universitätsstraße und Universität begrenzt wird“, hatte die Fraktion beantragt und erklärt: „Der von uns vorgeschlagene Ort ist dafür in besonderer Weise geeignet. Seine Lage ist sehr exponiert und zentral. Er ist als belebter Platz erlebbar, trägt bisher aber keinen eigenen Namen. Und er grenzt direkt an die Wirkungsstätte von Kurt Masur. Dem Gewandhaus würde so die Möglichkeit gegeben, seine Postanschrift z.B. als Kurt-Masur-Platz 1 zu gestalten.“

Da müsste dann wahrscheinlich noch extra ein Eingang auf diesen Platz hinterm Haus angelegt werden. Sonst würden die Postboten wahrscheinlich so ihre Probleme bekommen. Aktuell hat das Gewandhaus die Adresse Augustusplatz 8. Der Augustusplatz Nr. 1 ist übrigens die ehemalige Hauptpost.

Aber irgendwie hatte wohl nicht nur das Kulturdezernat den Eindruck, dass die CDU-Fraktion hier einfach schon einmal Nägel mit Köpfen machen wollte und andere Varianten einer Masur-Ehrung damit erst mal aus dem Rennen kickte. Andere Akteure der Stadtgesellschaft haben keine Anträge geschrieben, sondern einfach Vorschläge gemacht. Die würde man ja schlicht negieren, wenn man jetzt nur über den CDU-Antrag abstimmt.

Und so erklärt das Kulturdezernat jetzt: „Seit dem Ableben Kurt Masurs im Dezember 2015 wurden eine Reihe von Vorschlägen eingereicht, wie Kurt Masurs Wirken für die Stadt Leipzig in einer angemessenen Form dauerhaft gewürdigt werden kann. Diese Vorschläge beziehen sich mehrheitlich auf die Benennung von Straßen, Plätzen oder Grünflächen. Unter den Vorschlägen befindet sich auch die im Antrag bezeichnete Platzfläche. Neben der namentlichen Widmung eines Gebäudes, Platzes oder Parks sind jedoch auch andere Gedenk- und Ehrungsformen möglich: Zusatzbenennung des Gewandhauses oder von Räumlichkeiten im Gewandhaus, Auslobung eines Preises für Dirigenten, Musikschaffende oder Musikstudenten, regelmäßige Veranstaltung eines Musikfestivals oder -symposiums, Anfertigung und Aufstellung/Aufstellung eines Werkes der bildenden Kunst u. a. m.“

Bei so einem Blumenstrauß von Vorschlägen wäre es logischerweise etwas rücksichtslos, nur über einen Vorschlag im Stadtrat abzustimmen.

Und so lehnt das Kulturdezernat den CDU-Vorstoß jetzt ab: „Zur Erörterung möglicher Ehrungsformen hat die Stadtverwaltung unter Federführung des Dezernates Kultur und unter Einbeziehung externer Kulturexperten bereits einen Prozess initiiert, um einen Vorschlag zu erarbeiten, wie Kurt Masurs Lebenswerk auf angemessene Weise gewürdigt und sein öffentliches Andenken erhalten werden kann. Der Vorschlag soll zu einem Zeitpunkt vorgelegt werden, der eine Ehrung zu Kurt Masurs 90. Geburtstag am 18. Juli 2017 ermöglicht. – Der Inhalt des Antrages ist somit bereits Verwaltungshandeln, wobei der zu erarbeitende Vorschlag ggf. über die Benennung einer Straße oder eines Platzes hinausreichen kann.“

Ganz so namenlos ist der Platz freilich nicht, wie die CDU-Fraktion vermutet. Denn offiziell gehört die Platzfläche noch zur Schillerstraße, die einst an der Moritzbastei vorbeiführte und dann mit der Goethestraße zusammentraf. Und bevor dieses Straßenstück 1899 offiziell zur Schillerstraße wurde, hieß es sinnigerweise An der Bürgerschule. Die Bürgerschule stand damals nämlich auf der Moritzbastei.

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