Alle Jahre wieder, könnte man meinen. Wie im Vorjahr hat der NuKla e.V. auch am „Herrentag“ 2016 eine Fahrt durch den Floßgraben angeregt. Einer hat sich dann auch gewagt. Wagen ist das richtige Wort, denn der einstmals christliche Feiertag ist in Leipzig längst zu einem Tag geworden, an dem die trinkende Menschheit auf nichts mehr Rücksicht nimmt. Schon gar nicht auf die Regeln im Floßgraben.
Und das eigentlich Frappierende dabei ist: Es ist dem eigentlich verantwortlichen Amt für Umweltschutz auch nach den Vorkommnissen im vergangenen Jahr keine intensiveren Kontrollen wert. Gemerkt wurde davon jedenfalls im Floßgraben nichts, genauso wenig übrigens von irgendwelchen Regeln für die Begrenzung der Boote für Leipziger Bootsverleiher. Denn die meisten trinkenden Gesellen im Floßgraben waren unübersehbar mit Verleihbooten unterwegs, die dicht an dicht durch den schmalen Graben fuhren. Die eigentlich gesperrten Ufer wurden überhaupt nicht respektiert – manche Ausflügler haben gleich mitten im Eisvogelrevier kampiert, andere landeten zur fröhlichen Sause oder zur Pinkelpause an. Ihnen waren die Regeln im Floßgraben augenscheinlich völlig egal.
Dass freilich auch diverse motorisierte Boote ohne Genehmigung durch den Floßgraben fuhren, macht erst recht deutlich, dass hier nach wie vor Wildwest gilt.
Entsprechend deutlich fiel denn auch der Bericht des NuKla e.V. über dieses neuerliche Männertags-Verhalten im Floßgraben aus, den wir hier in voller Länge veröffentlichen und der ebenso auch an das Amt für Umweltschutz der Stadt Leipzig ging.
Der Floßgraben – die längste Toilette Leipzigs oder
Über die Wirksamkeit von Verbotsschildern und Infoflyern der Stadt Leipzig oder
Der Ruf der Natur inmitten eines FFH-Gebiets
An der Connewitzer Schleuse liegen ja Karten und Zettel aus, die die Menschen darüber informieren, von wann bis wann ein Fahrverbot im Floßgraben besteht und wie man sich bei einer Durchfahrt verhalten sollte. Fleißige Bürgerdienst-Mitarbeiter informieren die Menschen direkt an der Schleuse. Am Beginn des Floßgrabens hängt quer über die Wasseroberfläche gespannt ein großes Schild mit diesen Informationen. An den Bäumen 20 Meter entfernt des Floßgrabens (an den Wegen) hängen ebenfalls teilweise Zettel mit diesen Informationen. An einigen Stellen hat man sogar rot-weißes Absperrband hingehängt um Trampelpfade zu versperren. Direkt an der Weißen Brücke hat man dicke Baumstämme aufgetürmt, damit niemand den Schleichweg entlang des Floßgrabens lang geht.
Lobenswert: ein Teil der Bürger hält sich an die Verbote. Aber: viele eben auch nicht.
Halten wir fest: südlicher Leipziger Auwald – LSG und Flora-Fauna-Habitat und europäisches Vogelschutzgebiet, Heimat zahlreicher bedrohter Arten.
Und: südlicher Leipziger Auwald, Stadtwald, Naherholungsgebiet und touristische Attraktion mit extrem hohen Nutzungsdruck, politisch forciert (Stichwort Kurs 1).
Alles kollidiert am Floßgraben, an dem bekanntlich seltene Eisvögel brüten, die an ihren Bruthöhlen sehr störanfällig sind. Aber nicht nur die, auch zahlreiche andere Vögel brüten in dem Gebiet. Direkt am Floßgraben heute gesichtet bei dem vergeblichen Versuchen, ausgeflogene Nestlinge zu füttern: Gebirgsstelze und Mandarinente. Zugegeben sind die nicht gefährdet, aber der Eisvogel hatte sich anscheinend bei dem heutigen Remmidemmi schon früh am Tage aus dem Staub gemacht. Selbst wenn, er hätte im Floßgraben auf die Jagd gehen wollen, wie hätte er das denn tun sollen bei dem aufgewirbelten Wasser? Schließlich ist es seine Jagdstrategie, von einer Sitzwarte aus solange ins Wasser zu schauen, bis ein Fisch kommt – und im Trüben fischt es sich gar nicht gut.
Die Vögel hatten heute ihre gute Not im europäischen Vogelschutzgebiet, oder auch dem FFH-Gebiet, das heute eher ein FFha-ha-ha-Gebiet war.
Und was steht auf dem Infozettel der Stadt Leipzig?
Für maschinenkraftbetriebene Wasserfahrzeuge aller Art ist das Befahren ohne Genehmigung der Naturschutzbehörde verboten… Für muskelkraftbetriebene Wasserfahrzeuge, z.B. Kajaks und Kanus, ist ein Befahren nur in der Zeit von 11 – 13 Uhr, 15 – 18 Uhr sowie von 20 – 22 Uhr gestattet… Außerdem ist das Betreten eines beiderseitig 20 m breiten Uferbereichs entlang des Floßgrabens untersagt… Bitte achten Sie beim Befahren des Floßgrabens in den freigegebenen Zeitfenstern darauf, Störungen jeglicher Art zu minimieren, in dem Sie sich möglichst ruhig verhalten, einen möglichst großen Abstand zu den Uferböschungen einhalten und keinesfalls anlanden.
Wie man anhand der Beweisfotos* sieht, hat das viele Leute heute nicht interessiert. Sie alle fuhren unter dem großen Infoschild in den Floßgraben durch oder kamen an einem Absperrband und den Infozetteln vorbei, aber a) entweder sind zahlreiche Bürger der Stadt Leipzig nicht des Lesens mächtig oder b) interessiert es sie schlicht nicht oder c) der Text überfordert sie.
Lobenswert: viele Bürger haben die Infozettel schon gelesen und verstanden. Aber eben viele auch nicht. Lobenswert auch: das Ordnungsamt kontrollierte stichprobenartig an der Weißen Brücke und soll auch am Waldbad Lauer gewesen sein zu den Sperrzeiten – und das hat auch kurzfristig geholfen. War aber nicht wirklich ausreichend, wie man an den Fotos sieht.
Wir haben in einem kleinen Bereich gezählt, quasi auch stichprobenartig, von 11:15 bis 18 Uhr. Etwa 319 Bootsbewegungen fanden in diesem Zeitraum im Floßgraben statt. Vor 11 Uhr und nach 18 Uhr wissen wir es nicht. Das ist ganz schön viel für so ein kleines Gewässer. Manchmal war es ganz schön schwer, die ganzen Boote auseinander zu halten, so viele waren das stellenweise.
Dabei haben wir auch folgendes gesehen:
Von 11:15 – 13:00 an der Weißen Brücke am und auf dem Floßgraben mindestens 9 Verstöße gegen die Verbote der Naturschutzbehörde. Im Großen und Ganzen ging es dabei ums Pinkeln, denn es war Herrentag, und zahlreiche Paddler fühlten sich schon gegen Mittag bemüßigt, ihre Blasen derart zu füllen, dass sie schon ab 11 Uhr alle paar Meter anhalten mussten, um den Auwald zu wässern (Wasser ist prinzipiell gut für den Auwald, aber dieses besondere Wasser nicht ganz so sehr). Vielleicht sollte die Stadt an der Connewitzer Schleuse ein großes Schild aufhängen, dass man jetzt das letzte Mal aufs Klo gehen sollte (wenn denn dort ein Klo wäre), bevor man erst wieder am Waldbad Lauer dem Rufe der Natur folgen kann und ansonsten bei wildem Anlanden am dicht bewachsenen Ufer des Floßgrabens theoretisch eine Straftat bzw. Ordnungswidrigkeit begeht (so steht es auf den Infozetteln der Stadt).
Von 13:00 – 15:00 sollen ein Floß und zwei Stehpaddler versucht haben, den Floßgraben trotz Verbots zu durchqueren. Übrigens paddelten kurz vor 13 Uhr noch viele Leute in den Floßgraben hinein, denen gar nicht bewusst war, dass sie jetzt nur noch 5 Minuten Zeit haben, bis ans Waldbad Lauer zu kommen. Aber vielleicht hatten sie Glück und das angeblich dort sitzende Ordnungsamt verschonte sie vor einem Bußgeld. Das große Schild an der Mündung scheint wirklich nicht in das Bewusstsein der Paddler zu dringen – ob es am zu vielen Text liegt?
Von 13:00 – 15:00 an der Pleiße/Floßgrabenmündung parallel dazu gesichtet: Angler mit Boot und Außenbordmotor, die ihren halben Hausstand am Ufer – mitten im Schilf – aufstellten, sowie drei Wasserfahrzeuge, die wild mitten im grünen Nirgendwo anlandeten um zu pinkeln, zu picknicken oder zu schwatzen. Der Uferböschung der Pleiße tut’s ganz sicher nicht gut und Außenbordmotoren – ob die eine Ausnahmegenehmigung hatten? Es steht zu fürchten, dass – nein.
Von 15:00 – 18:00 zurück an der Weißen Brücke am Floßgraben: das Pinkeln ging weiter. Insgesamt 27 Verstöße gegen die Gebote des Amts für Umweltschutz. 10 Hunde wurden unangeleint direkt in der hypothetischen Sperrzone am Ufer des Floßgrabens spazieren geführt, trotz dicker Baumstämme und Verbotsschilder. Hunde wie Herrchen oder Frauchen kletterten einfach über die Sperren oder liefen drum herum. 8 Personen kletterten fröhlich über die Barrieren und wunderten sich noch, warum da so dicke Baumstämme lagen – lasen aber nicht die Infozettel. Es hatte schon was von Slapstick. 1 Paddelboot hatte einen Außenbordmotor. Und der Rest: folgte trotz der Sperrung dem Rufe der Natur und landete an Böschung an. Offenbar scheint dies aber auch unabhängig des Herrentags so zu sein, denn: an der nichtvorhandenen Vegetation an einigen Stellen sieht man schon, wo die Paddler quasi traditionell gern zur Eutrophierung landen.
Wenn wir uns nicht irren, haben wir auch Burkhard Jung im Auwald gesehen, aber er ging nur spazieren und hielt sich ordnungsgemäß an die Regeln des Amtes für Umweltschutz. Lobenswert!
Nach all den vielen betrunkenen Menschen und dem vielen Wild-Urinieren hieß es nun für den Verfasser: Feierabend bei einem Bier. In Nähe eines WCs – ganz ordentlich und fern vom Auwald.
Prost!
PS: Vielleicht sollte die Stadt Leipzig mehr Absperrband kaufen und verteilen? Oder mehr Baumstämme auftürmen? Vielleicht doch auch mehr Schilder – gerade direkt am Ufer des Floßgrabens für die Paddler, direkt an den illegalen Ausstiegsstellen. Vielleicht sollte man auch über eingängigere, kürzere Texte nachdenken, denn lange Texte scheinen unsere Mitbürger zu überfordern. Vielleicht könnte man an solchen Tagen aber auch einfach mehr kontrollieren oder den Floßgraben nur limitiert mit ausdrücklichen Genehmigungen befahren lassen. Man könnte viel. Wenn man denn wollte…
* Wir, der Nukla e.V. haben versucht, alle Gesichter auf den Fotos zu verfremden, um die Persönlichkeitsrechte unserer Mitbürger zu wahren. Sollte jemand für sein Familienfotoalbum ein Foto haben wollen, kann er sich gern bei uns melden, dann bekommt er eins. Sollte jemand sich etwas schämen, weil er sich so gar nicht um die Natur geschert hat an diesem Tage, und sich auf einem der Fotos wiedererkennt, nehmen wir auch gern als Entschuldigung eine Spende an und verwenden sie für den Schutz der Natur.
NuKLA berichtete wie bereits im Vorjahr über das Geschehen zu Christi Himmelfahrt am Floßgraben. Dieses Mal war J. Hansmann für NuKLA im Einsatz.
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