Wie schwer sich die Stadt Leipzig im Umgang mit Wagenplätzen tut, zeigt jetzt eine Anfrage, die die Stadträtin und Landtagsabgeordnete Juliane Nagel (Die Linke) an die Leipziger Stadtverwaltung gestellt hat. Pachtverträge hält zumindest das Sozialdezernat „aus rechtlichen Gründen für problematisch“. Und die Idee, den Wagenleuten weiter eine unsichere Zukunft zu versprechen, hält man auch für gut.
„Im Verwaltungsstandpunkt zum Antrag der CDU-Fraktion ‚Bau einer Schule auf dem städtischen Grundstück Fockestraße 80‘ heißt es: ‚Das Grundstück Fockestraße 80 verbleibt im Eigentum der Stadt. Aufgrund besser geeigneter Standorte wird er mittelfristig nicht als Schulstandort genutzt, aber aufgrund der Bevölkerungsentwicklung strategisch als Fläche für soziale Infrastruktur vorgehalten‘“, zitiert Juliane Nagel in ihrer Anfrage. „Das in Rede stehende Grundstück wird bereits über 15 Jahre von einem Wagenplatz als Stand- bzw. Wohnort genutzt. Im vergangenen Jahr ergriff der Verein die Initiative und signalisierte Interesse am Kauf des Grundstücks.“
Und irgendwie schien die Verwaltung bereit, das Grundstück an die Wagenleute zu verkaufen. Zumindest die LVZ zitierte im August 2015 einen Vertreter des Liegenschaftsamtes mit den Worten: „Wir favorisieren den Verkauf an die Wagenburgleute.“
Aber dann formulierte die Verwaltung einen Standpunkt, der einen Verkauf kategorisch ausschloss. Zwar beteuerte das Sozialdezernat, dass man den Platz derzeit gar nicht brauche, um eine Schule hinzubauen, man hätte ja am Bayerischen Bahnhof einen besseren Standort.
Aber irgendwie scheint man sich doch nicht mehr so sicher zu sein, auf günstigeren Standorten neue Schulen bauen zu können.
Und so versucht es das Sozialdezernat mit dem neuen Schulentwicklungsplan zu erklären: „Die aktuelle Fortschreibung 2016 des Schulentwicklungsplans macht einmal mehr deutlich, dass der Bedarf an Schulen weiter steigen wird. Grundlage für die Ermittlung des Bedarfs war die Bevölkerungsprognose 2013. Zwar liegen die Zahlen der neuen Bevölkerungsvorausschätzung noch nicht vor, doch ist von einem weiteren Bevölkerungszuwachs und somit von einem weiter ansteigendem Bedarf an sozialer Infrastruktur auszugehen. – Aufgrund des großen Bedarfs wird die Stadt in der nächsten Dekade neben der Reaktivierung von bestehenden Gebäuden mindestens zehn Schulen als Neubauten errichten müssen. Hierfür ist die Prüfung, Sicherung und ggf. Erwerb geeigneter Flächen erforderlich. Angesichts der Knappheit an kommunalen Flächen und der starken Nachfrage auf dem Immobilienmarkt, sollte die Stadt kommunale Flächen in ihrem Eigentum halten, um handlungsfähig zu bleiben. Zwar ist der Bedarf an Grundschulen in den Stadtbezirken Mitte/Süd aufgrund des vorgesehenen Baus einer Grundschule in der Brüderstraße vorerst gedeckt, doch um auch langfristig für einen Anstieg der Schulbedarfe vorbereitet zu sein, sollte der Standort Fockestraße strategisch als Fläche für soziale Infrastruktur im Portfolio der Stadt bleiben.“
Vom Bayerischen Bahnhof ist auf einmal keine Rede mehr.
Dass der Platz an der Fockestraße 80 potenzielles Überschwemmungsgebiet ist, ist bekannt. Logisch, dass Juliane Nagel da nachfragte: „Inwiefern kann ein Überschwemmungsgebiet als Standort für soziale Infrastruktur fungieren?“ Und siehe da – nicht nur über irgendwelche soziale Infrastruktur denkt das Sozialdezernat nach. Man spielt irgendwie doch mit dem Gedanken, am tatsächlich sehr abgelegen Standort Fockestraße 80 eine Schule zu bauen.
Das klingt dann amtlich so: „Der Standort Fockestraße 80 (Flurstück 1491/6 der Gemarkung Connewitz) befindet sich teilweise im gemäß § 76 des Gesetzes zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz – WHG) vom 31.07.2009 (BGBI. I S. 2585) festgesetzten Überschwemmungsgebiet der Weißen Elster, zugleich liegt aber mindestens die Hälfte der Grundstücksfläche außerhalb des Überschwemmungsgebietes. Gemäß § 78 WHG ist die Errichtung von baulichen Anlagen in Überschwemmungsgebieten grundsätzlich untersagt. Im Einzelfall sind Befreiungen möglich, die auf Antrag von der Wasserbehörde erteilt werden können.“
Die städtische Überlegung: „Die Situation lässt eine Bebauungsstruktur zu, die einerseits die Anforderungen des Hochwasserschutzes erfüllen kann, andererseits ausreichend Fläche bietet, um eine Bebauung des Grundstücks mit einer Schule zu ermöglichen. So könnten die erforderlichen Baukörper außerhalb des eigentlichen Überschwemmungsgebietes errichtet werden, während die Freiflächen auf den von Hochwasser gefährdeten Bereichen vorgesehen werden könnten.“
Und da man schon mal die prognostiziert steigenden Schülerzahlen ansprach, sieht das schon sehr nach handfesten Gedanken aus, die man sich darüber macht, nun doch noch eine Schule an die Fockestraße zu setzen, auf den trockenen Teil. Ansonsten hat man ja nichts gegen die Wagenleute. Zumindest im Amt für Umweltschutz nicht. Oder mit den Worten aus dem Sozialdezernat: „Gegen die Nutzung des Standortes als Wagenburg bestehen seitens der unteren Wasserbehörde keine Einwände.“
Was aber eine rechtliche Absicherung für längere Zeit und einen Pachtvertrag betrifft: „Nein, die Stadtverwaltung hält den Abschluss eines Pachtvertrages oder eines ähnlichen Vertrages mit dem Wagenplatz aus rechtlichen Gründen für problematisch.“
Das Einzige, was man anzubieten bereit ist, ist ein Vertrag über die Absicherung der Verkehrssicherheit: „Da wie unter 3. genannt, der Abschluss eines Pachtvertrages aus rechtlichen Gründen für problematisch gehalten wird, wird die Stadtverwaltung den Vertretern des Wagenplatzes eine Vereinbarung dergestalt anbieten, dass die Wagenbesitzer jegliche Verkehrssicherungspflichten übernehmen. Im Gegenzug wird die Stadtverwaltung auf einen Rückbau der auf dem Grundstück stehenden und sich in einem schlechten baulichen Zustand befindlichen Gebäude für eine bestimmte Frist, voraussichtlich 2 Jahre verzichten.“
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