2016 jährt sich der Todestag des 1646 in Leipzig geborenen Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz zum 350. Mal. Neben Fachtagungen, einem Audiorundgang an authentischen Leibniz-Stätten und der Einbindung von Freier Kultur und Schulen mit Vergabemitteln in Höhe von 15.000 Euro, sollte nach Willen des Kulturamtes auch eine Installation im öffentlichen Raum von einem renommierten Künstler entworfen werden, die auf dem Johannisplatz an den Polyhistor erinnern sollte.
90.000 Euro sollte das Werk kosten und als „zentrales Projekt innerhalb der Leibniz-Themenjahre“ gelten, heißt es noch im städtischen Dokument „Leipziger Jubiläen im Jahr 2016“ von 2015. Doch dazu kommt es nun nicht.
„In den letzten Monaten haben zwei renommierte Künstler mit internationaler Ausstrahlung an der Erarbeitung von Projektvorschlägen für eine Installation im öffentlichen Raum gearbeitet“, teilte das Kulturamt der L-IZ mit. Im Verlauf ihrer Überlegungen sollen beide Künstler festgestellt haben, „dass sich die anfänglich gefassten Ideen nicht in ein konkretes, konkludentes und dem Anlass und der Einladung angemessenes Projekt überführen lassen – aus sehr unterschiedlichen und komplexen Gründen“, heißt es weiter. Was für Gründe das genau sein sollen, wurde nicht mitgeteilt. Auch über die Namen der beiden Künstler schweigt das Kulturamt.
Man bedauere dies sehr, verstehe jedoch, dass eine künstlerische Ideenfindung zugleich ein Prozess mit offenem Ausgang sein könne. „Wir hätten sehr begrüßt, mit einer qualitativ hochwertigen Installation zugleich den professionellen Diskurs über Kunst im öffentlichen Raum zu schärfen.“ Die Erinnerung an G. W. Leibniz soll sich nun hauptsächlich auf den wissenschaftlichen und diskursiven Bereich konzentrieren.
Für Verwirrung sorgte unterdessen eine Anfrage bei dem Prof. Dr. Frank Zöllner, der namentlich im Dokument der Stadt genannt wurde und eine wichtige Aufgabe bei dem Projekt zu haben schien. „Für eine fachlich fundierte Begleitung des Projektes wurden der Kreis der Museumsdirektoren sowie der international geachtete Professor des Instituts für Kunstgeschichte an der Universität Leipzig, Prof. Dr. Frank Zöllner, gewonnen. Letzterer hat eine künstlerische Aufgabenstellung entwickelt, indem er die Person Leibniz in Leipzig verortet sowie inhaltliche Anknüpfungspunkte für eine zeitgenössische künstlerische Annäherung herausdestilliert“, heißt es dort. Eine Anfrage bei Frank Zöllner, was bei diesem Unterfangen herausgekommen sei, sorgte bei ihm für Verwunderung. Er habe im vergangenen Jahr das Kulturamt in der Frage „Leibniz-Denkmal“ beraten, erklärt er auf L-IZ-Anfrage. Darüber sei Stillschweigen vereinbart worden. „Diese Beratung ist im vergangenen Jahr im Stadtrat diskutiert worden. Seitdem habe ich von dem Projekt nichts mehr gehört, und bin auch nicht darin involviert.“
Das Kulturamt teilte der L-IZ mit, dass Frank Zöllner in die „Vorüberlegungen vor allem in die Erarbeitung einer Aufgabenstellung“ einbezogen war. Wofür die frei gewordenen 90.000 Euro verwendet werden sollen, ist noch nicht bekannt.
Nur eines scheint sicher: Eine Einweihung einer wie auch immer gearteten Installation zu Leibniz’ Geburtstag am 21. Juni wird es nicht geben.
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Diese “komplexe” Problematik gab es schon bei den Überlegungen zu einem Richard-Wagner-Denkmal, die schließlich in die Umsetzung von Balkenhol mündeten.
Die Frage ist ja ganz einfach: Wie macht man in heutigen Zeiten nach den schlechten Erfahrungen mit Personenkulten überhaupt noch ein Denkmal für eine Persönlichkeit?
Ein Versuch, sich ins Abstrakte zurückzuziehen, ist in meinen Augen das Goerdeler-Denkmal, welches nun im wesentlichen aus illuminierten Sprüchen besteht.
Bei Leibniz wäre vermutlich auch nicht viel anderes herausgekommen. Vielleicht eine in Beton gegossene Rechenmaschine?
Das gleiche Problem stellt sich beim sog. Einheitsdenkmal (in Leipzig sollte man sich ja eher auf die Montagsdemos beziehen, die Mauer fiel ja woanders). Wie konkretisiert man ein politisches Ereignis? Die US-amerikanische Künstlerin Tucker-Frost hat es mit einer modellierten Menschenmenge versucht. Auf dem Nikolaikirchhof steht eine Palmensäule.
Ich glaube, heute weiß man überhaupt gar nicht mehr so “richtig”, wie man eine Kultur der Erinnerung mit Hilfe von gußeisernen Objekten gestalten kann. Es fällt immer ein wenig plakativ aus.