Leipzigs Stadträte sind gerade emsig dabei, den Leipzigern ein richtig teures Naturkundemuseum zu verschaffen. Nicht weil sie bereit wären, den alten Kasten an der Lortzingstraße mit 20 oder auch 26 Millionen Euro mal richtig auf Vordermann zu bringen. Sondern weil sie glauben, sie bekämen den Pott billiger, wenn sie den Vorschlägen des Kulturbürgermeisters folgen. Der will den Laden ja in die alte Spinnerei entsorgen.
Wirklich beziffert, was der Umbau der alten Fabrikhalle 7 in der ehemaligen Baumwollspinnerei kosten würde, hat die Stadtverwaltung zwar noch nicht, obwohl das die wichtigste Zahl wäre, um überhaupt eine Grundsatzentscheidung treffen zu können. Aber genau diese Grundsatzentscheidung will das Kulturdezernat jetzt, augenscheinlich völlig berauscht von der Möglichkeit, den Umbau der Fabrikhalle 7 mit Fördergeldern für das Sanierungsgebiet Leipziger Westen bewerkstelligen zu können.
Dass die Vorlage Lücken und Tücken hat, haben einige Stadträte schon gemerkt. Zum Beispiel ist die Baumwollspinnerei nur höchst dürftig an den ÖPNV angebunden. Das ist für jedes Museum tödlich, denn Museen leben vom Besucherverkehr. Sie brauchen große, einladende Ausstellungen genau dort, wo jeden Tag tausende Menschen vorbeikommen.
Und so gibt es jetzt ein paar zaghafte Änderungsanträge aus drei Fraktionen. Die SPD-Fraktion zum Beispiel glaubt, das ÖPNV-Dilemma in der Spinnereistraße lösen zu können.
In ihrem Antrag wĂĽnscht sich die Fraktion: “6. Die Verwaltung legt dem Stadtrat bis zum I. Quartal 2017 dar, wie der Standort Halle 7 besser an das Ă–PNV-Netz angeschlossen wird. Dabei ist insbesondere eine veränderte LinienfĂĽhrung der Buslinie 60 direkt zur Halle 7 und eine weitere sĂĽdliche Wegeverbindung zum S-Bahnhof Plagwitz mit Zugang zur S-Bahn und zur StraĂźenbahn zu untersuchen.”
Die Genossen denken die Verbindung also nur ostwärts, den Busbahnhof Lindenau haben sie gar nicht erst im Visier, ebenso wenig eine Ankunft von Grünau aus. Nach einer attraktiven und sich selbst tragenden ÖPNV-Verbindung klingt das nicht.
Da hat die Linksfraktion (wo es augenscheinlich auch ein paar Nutzer des Ă–PNV gibt) etwas weiter gedacht und sie formuliert ihren Antragspunkt so:
“6. Bis zur Eröffnung des Museumsbetriebs ist die Halle 7 mit einer Direktverbindung vom Innenstadtring an den Ă–PNV anzuschlieĂźen. Die Haltestelle sollte nicht mehr als 300 m vom Eingang des Museums entfernt sein. Diese Planung ist im neu zu erstellenden Nahverkehrsplan aufzunehmen.”
Eine Direktverbindung vom Innenstadtring geht aber nur mit der Straßenbahn. Der Bus Nr. 60 kommt dafür ja nicht infrage. Aber auch der Antrag der Linken löst das Dilemma nicht, denn so eine Direktverbindung lohnt sich nur, wenn sie dauerhaft Fahrgäste generiert, nicht bloß ab und zu ein paar tapfere Schulklassen, die mal einen Wandertag einlegen, um das etwas abgelegene Naturkundemuseum aufzusuchen.
Egal, wie man es wendet: Es geht auch um simple Zeitfragen und um Barrierefreiheit – und jeder Kilometer Ă–PNV erhöht die Barrieren. Sollte man den emsigen Stadtratsfraktionen eigentlich mal die neuesten Ticket-Preise der LVB zumailen? Welcher Tourist, welcher interessierte Leipziger wird sich auf diese Tour machen, wenn er dabei nicht nur eine Menge Zeit verfährt, sondern auch Geld? Und welche Wirkung soll das Museum da drauĂźen entfalten in den Stadtraum hinaus?
Die SPD-Fraktion glaubt, sie könnte das mit einer Erhöhung des Etats fĂĽr die Museumsarbeit lösen. In Antragspunkt 4 will sie die Formel untergebracht sehen: “Zur Verbesserung der personellen und sächlichen Ausstattung erfolgt eine schrittweise Erhöhung der Personalstellen des Naturkundemuseums auf mindestens 12,75 VzĂ„ und einer ebenfalls schrittweisen Erhöhung des Gesamtetats auf mindestens 1.400.000 Euro jährlich bis zum Jahr 2019. Die Einordnung der MaĂźnahmen zur Erhöhung des Gesamtetats erfolgt mit der Haushaltsplanung in den Folgejahren und wird erst mit deren Beschlussfassung wirksam.”
Das klingt aber eher wie ein Herumdoktern an den Symptomen.
Was auch an der Vorlage liegt, die eigentlich den Namen nicht verdient, denn nicht nur die baulichen Umsetzungen sind nicht einmal skizziert, auch die künftige inhaltliche Arbeit ist nicht formuliert. Was natürlich Sache der künftigen Direktorin / des künftigen Direktors wäre. Aber wer bewirbt sich um den Job, wenn er ganz genau weiß, dass das Museum weitab von der Innenstadt liegt?
Was auch daran liegt, weil das zuständige Dezernat alles vermeidet, was auch nur ansatzweise an die Visionen des ehemaligen Museumsdirektors Dr. Rudolf Schlatter erinnert. Der Mann kannte seine Branche und der wusste auch, dass so ein Museum, wenn es wirklich ausstrahlen soll auf die Region, eine moderne Einrichtung im Herzen der Stadt sein muss, mit großen, einladenden Ausstellungsflächen für richtig sensationelle Ausstellungen (die es am Markt gibt, man muss nur die Ausstellungsflächen dafür haben) und einer nach außen sichtbaren wissenschaftlichen Arbeit zu Flora, Fauna, Geologie und Geschichte der gesamten Region. Es muss das wahrnehmbare naturwissenschaftliche Museum für den ganzen Raum Leipzig / Halle sein.
Was ĂĽbrigens mit 26 Millionen Euro zu schaffen ist. Das ist keine zu hohe Summe fĂĽr so ein Museum.
Dass die Änderungsanträge der Stadtratsfraktionen so schmalbrüstig sind, hat ja auch mit dem Effekt zu tun, den die Freunde des Naturkundemuseums seit der dramatischen Einschränkung der Schließzeiten vor zehn Jahren befürchtet haben: Das Museum ist nicht nur aus dem Bewusstsein der Leipziger verschwunden, sondern auch aus dem der gewählten Stadträte. Und das Beklemmende ist: Die können sich nicht mal mehr vorstellen, was dieses Museum mit seiner reichen Sammlung eigentlich sein könnte.
Sie lassen sich von einer im naturwissenschaftlichen Fach völlig unwilligen Stadtverwaltung am Ring durch die Manege führen, statt die völlig unausgereifte Vorlage zurückzuweisen, weil sie allen Kriterien der Standortwahl, die 2014 im Masterplan formuliert wurden, zuwider läuft. Und auch, weil sie keine Museumslösung anbietet, sondern nur eine Deponielösung an einem Ort, an dem mit gähnend leeren Ausstellungsräumen zu rechnen ist.
Es ist eher banal, sich darĂĽber Gedanken zu machen, ob das jetzige Haus verkauft oder nur verpachtet wird, wie der GrĂĽnen-Stadtrat Tim Elschner glaubt beantragen zu mĂĽssen: “Beschlusspunkt 5: Bei Bestätigung der Halle 7 Baumwollspinnerei als Standort fĂĽr das Naturkundemuseum Leipzig wird die Liegenschaft LortzingstraĂźe 3 erst nach einem Umzug zur Verwertung (Erbbaurecht, Verpachtung, Vermietung nach Konzeptvergabe) ausgeschrieben. Der Verwertungserlös flieĂźt in den Gesamthaushalt ein und dient der Deckung der Ausgaben fĂĽr den neuen Standort.”
Genauso hat die Verwaltung auch bei der ehemaligen Spielstätte der Skala in der GottschedstraĂźe argumentiert – das Haus verkaufen, um mit dem Geld die neue Szene-Spielstätte des Schauspiels mitzufinanzieren. Da musste der Protest auch erst von auĂźen kommen, damit sich die Stadträte bemĂĽĂźigt fĂĽhlten, die GottschedstraĂźe als Spielstätte wenigstens der freien Szene anzubieten.
Beide Projekte sind ein deutliches Zeichen dafür, dass das Kulturdezernat keine belastbaren Kompetenzen hat, wenn es darum geht, kulturelle Strukturen in dieser Stadt zu bewahren oder gar zukunftstauglich zu machen. Die ganze Vorlage zum Naturkundemuseum atmet den Kleingeist eines Sparetats, in dem sich die Akteure gar nicht mehr vorstellen können, was für ein Museum ein Naturkundemuseum eigentlich sein könnte, eines, in dem Ausstellungen über Eiszeitfauna, Urzeitwälder, Biodiversität, Auwaldgeschichte, Klimawandel usw. das Publikum anlocken könnten. Solche Ausstellungen gibt es im gesamten mitteldeutschen Raum nicht.
Und tatsächlich ist das Leipziger Naturkundemuseum das einzige, das eine solche Ausstrahlung noch bewerkstelligen könnte. Wenn es denn nicht schon seit Jahren auf Sparflamme gesetzt wäre und auch die vorgelegten Pläne nicht mehr sind als Sparflamme.
Und die Ă„nderungsanträge sind es auch: mutlos. Und – was auffällt: teuer. Denn sie werden dem Museum genau den Zuspruch kosten, den es braucht, um richtig Wirkung zu entfalten.
Die Änderungsanträge verbessern das nicht, sondern schaffen mit den Wünschen nach irgendeiner Art besserer ÖPNV-Anbindung nur wieder Extra-Kosten, die am Ende gegenfinanziert werden müssen aus dem Stadthaushalt. Das Geld wäre in einen modernisierten Bau an der Lortzingstraße wirklich besser investiert.
Der Ă„nderungsantrag der Linksfraktion.
Der Ă„nderungsantrag von Tim Elschner (GrĂĽne).
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