Wie geht es jetzt weiter am Lindenauer Markt? Das Schmuckstück im Leipziger Westen ist ja vor einigen Jahren erst umgebaut worden - mit Marktinsel in der Mitte und Fahrspuren drumherum. Einige Kurven sind für Kraftfahrer und Fußgänger schlecht einsehbar. Das geht so nicht, stellte der Stadtbezirksrat Leipzig-Altwest im Herbst fest. Die Leipziger Planer sind auf das Anliegen jetzt eingegangen. Ganz vorsichtig.
Der Stadtbezirksbeirat Altwest hatte beantragt, die Gefährdung für querende Fußgänger – insbesondere Kindergruppen – im Bereich des Theaters der Jungen Welt an der Kurve zur Demmeringstraße zu verringern. Vorgeschlagen hat man den Einbau von Rüttelstreifen oder Fahrbahnschwellen zur Verringerung der Geschwindigkeit im Kurvenbereich Odermannstraße/Demmeringstraße/Rietschelstraße/Lindenauer Markt und die Einrichtung einer Fußgängersignalanlage.
Von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wurde als Ergänzung des Antrags vorgeschlagen, dass die Stadtverwaltung zur Entwicklung einer abgestimmten und kurzfristig umsetzbaren Lösung einen Workshop unter anderem mit den Akteuren vor Ort unter Einbeziehung der Arbeitsgruppe Schulwegsicherheit durchführt.
“In der Tat ist im Bereich Odermannstraße/Demmeringstraße/Rietschelstraße/Lindenauer Markt unmittelbar am Theater der Jungen Welt keine sichere Querung für Fußgänger möglich”, stellen Leipzigs Stadtplaner jetzt verblüfft fest. “Dort ist derzeit auch keine Querungsstelle, sondern zur Unterbindung des Querens Geländer vorhanden. Diese wären auch direkt vor dem Theatereingang erforderlich, sind aber wegen der Gewährleistung der Feuerwehrzufahrt nicht realisierbar.”
Aber das mit den Rüttelstreifen und Fahrbahnstreifen will man erst mal so nicht umsetzen. Da mögen zwar die Nutzer des Platzes immer wieder das Gefühl haben, dass sie von rücksichtslosen Autofahrern am Theater der Jungen Welt – seit Kurzem aber auch verstärkt vor dem neu gebauten Einkaufscenter – in Gefahr und Bedrängnis gebracht werden. Aus der großen Stadtperspektive sieht man es nicht so: “Von der Arbeitsgruppe Schulwegsicherheit wird die Querungssituation direkt auf dem Lindenauer Markt als sicher eingeschätzt. Bei einem gemeinsamen Termin von Vertretern der Arbeitsgruppe Schulwegsicherheit mit Mitarbeitern des Theaters der Jungen Welt wurde deutlich gemacht, dass unsichere Fußgänger und Kinder – sei es allein oder in der Gruppe – unmittelbar am Theater der Jungen Welt nicht queren sollen, sondern die sichere, allerdings mit Umwegen verbundene Querung über den Lindenauer Markt nutzen sollen”, lautet zum Beispiel eine Einschätzung der Verwaltung. Der Mensch als ordnungsliebendes Wesen. Wer nicht in Gefahr kommen will, quert hier also nicht: “Da die Kindergruppen lt. Aussage des Theaters der Jungen Welt im Normalfall in Begleitung Erwachsener unterwegs sind, sollten die Begleiter dafür Sorge tragen, dass nicht unmittelbar im Bereich des Theaters gequert wird.”
Da könnte es jetzt freilich passieren, dass die vor Ort Wohnenden mit solchen Interpretationen keineswegs zufrieden sind. Also schmettert man den (man hat es ja selbst zugegeben) berechtigten Antrag des Stadtbezirksbeirats nicht ab, sondern startet auch hier einen Beteiligungsprozess: “Die Verbesserung der Querungsbedingungen unmittelbar am Theater der Jungen Welt wird als Bestandteil des Integrierten Verkehrskonzepts Leipzig-Altlindenau Anfang 2016 öffentlich mit den Akteuren vor Ort diskutiert und im Ergebnis Lösungsvorschläge erarbeitet.”
Und damit von Seite der Stadt zumindest ein kleines Entgegenkommen vorliegt, formuliert die jetzige Stellungnahme auch:
“Zur weiteren Verbesserung der Verkehrssicherheit für den direkten Bereich des Lindenauer Markts wird die Anordnung einer Tempo-20-Zone als verkehrsberuhigter Geschäftsbereich statt der vorhandenen Tempo-30-Zone geprüft. Im Bereich der nördlichen Fahrbahn wird eine definierte Querungsstelle mittels des Einbaus von Fahrradbügeln von parkenden Fahrzeugen freigehalten.”
Dann wissen endlich auch alle diese unsortierten Fußgänger, an welcher Stelle sie künftig die Fahrbahn überqueren dürfen. Zumindest auf der nördlichen Seite, die seit Eröffnung des Einkaufs-Centers ebenfalls zu einem gefährlichen Pflaster geworden ist. Aber alle Diskussion im Vorfeld des Baus dieses Einkaufscenters, den Lindenauer Markt vom Einkaufsverkehr freizuhalten, wurden ja abgeblockt. Und nun: “Es ist bekannt, dass im Bereich der nördlichen Fahrbahn häufig parkende Fahrzeuge die Querung erschweren. Deshalb ist es vorgesehen, dort eine definierte Querungsstelle mittels des Einbaus von Fahrradbügeln von parkenden Fahrzeugen freizuhalten.” Verständlich, dass sich die Fußgänger vor Ort von dieser Art Stadtpolitik gewissermaßen verschaukelt fühlen.
Gegängelt wohl auch. Denn nicht nur auf der Nordseite will man die Fußgänger nun auf einen Übergang kanalisieren (auf den die meisten wohl pfeifen werden, denn das war bei den Planungen zum Lindenauer Markt so nie vorgesehen), auch auf der Südseite möchte die Stadt den Fußgängerverkehr gern lenken. Das hat man beim letzten Umbau eigentlich so gedacht in hübscher Entfernung zum Theater der Jungen Welt: “Das Theater der Jungen Welt befindet sich vor dem Beginn einer Tempo-30-Zone. Die baulich vorhandenen Bordabsenkungen, d.h. die planerisch vorgesehenen Querungsstellen, liegen innerhalb der Zone, ebenso wie die Fußwegbeziehungen zwischen Haltestelle und Theater. Auf der Südseite des Lindenauer Marktes ist zur Erleichterung der Querung eine Gehwegnase vorhanden. Abgesehen vom Gleisbereich der Straßenbahn, der vom übrigen Verkehr nicht befahren wird, ist jeweils nur ein Fahrstreifen zu queren, ehe die nächste sichere Aufstellfläche erreicht wird.”
So kann man das aus Planersicht sehen. Aus Fußgängersicht haben die rundherum gelegten Fahrbahnen den Platz in eine Insel verwandelt und durch die starke Zunahme des Einkaufsverkehrs manchmal auch zu einem gefährlichen Pflaster. Die beabsichtigte Flaniersituation auf der Nordseite ist durch den Kfz-Verkehr fast unterbunden, dem Platz ist damit ein gut Teil seiner Chancen genommen, die mal bei seiner Neugestaltung angedacht waren.
“In Tempo-30-Zonen sind besondere Maßnahmen zum Schutz der Fußgänger entbehrlich, denn die Ausweisung geschwindigkeitsbeschränkter Zonen ist bereits das am besten geeignete Mittel, die Sicherheit für die Fußgänger in Wohn- und Geschäftsbereichen herzustellen”, meint das Planungsdezernat noch. “Neue Signalanlagen und Fußgängerüberwege sind dementsprechend in geschwindigkeitsreduzierten Zonen nicht zulässig.”
Was dann die Denkweise der Verkehrsplaner im Grunde sehr offen darlegt: Man geht einfach davon aus, dass Autofahrer in so einer Zone sowieso rücksichtsvoll fahren. Was sie aber auch in anderen Tempo-30-Zonnen der Stadt nicht tun. Und genau das scheint man auch im Verkehrsplanungsamt zu empfinden. Hübsche Ausreden auf Grundlage einer eingerichteten Tempo-Zone reichen hier nicht.
Also schlägt man noch vor: “Zur weiteren Verbesserung der Verkehrssicherheit wird für den direkten Bereich des Lindenauer Markts die Anordnung einer Tempo-20-Zone als verkehrsberuhigter Geschäftsbereich statt der vorhandenen Tempo-30-Zone geprüft.”
Und was soll nun am Theater der Jungen Welt passieren?
“Im Kreuzungsbereich Odermannstraße/Demmeringstraße/Rietschelstraße/Lindenauer Markt wäre wegen der vorhandenen eingeschränkten Sichtbeziehungen unter Beachtung einer notwendigen Bevorrechtigung des ÖPNV unter den gegenwärtigen Verkehrsbedingungen eine sichere Querung nur durch den Bau einer Lichtsignalanlage herstellbar. In Anbetracht der fehlenden Sichtbeziehungen wäre der Bau einer Fußgängersignalanlage unmittelbar vor dem Theater jedoch nicht möglich. Vielmehr müsste eine Vollsignalisierung der gesamten Kreuzung erfolgen. Unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung des Straßenbahnverkehrs müsste wegen fehlender Stauräume aber auch die Einmündung Odermannstraße in die Signalisierung einbezogen werden. Damit entstünde ein verkehrstechnisch kaum beherrschbarer und überdimensionierter Doppelknoten, der aufgrund der Umfeldbedingungen (enge Straßenräume, Geschäfte) nicht zu einer höheren Verkehrssicherheit beitrüge. Eine Lichtsignalanlage kann deshalb nicht errichtet werden.”
So sind sie, die Leipziger Verkehrsplaner: Sie denken in Ampeln. Statt die Sache zu vereinfachen, wollen sie sie teurer und komplizierter machen.
Und der Vorschlag aus dem Stadtbezirk?
“Ein Einbau von Fahrbahnunebenheiten als Maßnahme der Verkehrsberuhigung stellt eine Behinderung der Rettungsfahrzeuge dar. Auch Radfahrer sind gefährdet, da sie im Dunkeln durch zu spätes bzw. Nichterkennen stürzen könnten. Außerdem kann das Bremsen und wieder Beschleunigen an sowie das Überfahren der Fahrbahnunebenheiten zur Erhöhung des Lärmpegels führen, was nach der Realisierung oft zu Beschwerden der Anlieger führt. Der Einbau von Schwellen wird aus den genannten Gründen in Leipzig nicht praktiziert.”
Bleibt also nur das Köpfezusammenstecken mit der hohen Wahrscheinlichkeit, dass die Lindenauer selbst bessere Ideen haben, die Malaise zu beheben, die da am Lindenauer Markt zusammengebaut wurde.
“Derzeit wird von der Verwaltung ein Integriertes Verkehrskonzept Leipzig-Altlindenau mit dem Schwerpunkt Lindenauer Markt erarbeitet. In diesem Zusammenhang werden eine Reihe von Vorschlägen zur Verbesserung der verkehrlichen Abläufe im Bereich des Lindenauer Marktes und in dessen Umfeld untersucht. Auch eine Umgestaltung des Kreuzungsbereichs Odermannstraße/ Demmeringstraße/ Rietschelstraße/ Lindenauer Markt ist ein zu diskutierender und entwickelnder Punkt des Konzeptes”, lässt das Planungsdezernat jetzt verlautbaren. “Eine umfassende Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Weiterbearbeitung des Konzeptes ist ab Anfang 2016 vorgesehen.”
Es gibt 3 Kommentare
Für den Durchgangsverkehr ist der LM ohnehin nicht relevant. Und der Supermarkt/Garage kann sowieso nur “hintenrum” angefahren werden. Es geht also nur um den Verkehr zu den Einrichtungen am Markt selber inkl. des damit verbundenen (z. T. chaotischen) Parkens. Wenn man den LM abriegelte, könnten die Seitenstraßen immer noch von der anderen Seite angefahren werden. Nur die Geschäfte am Markt selber benötigen für den Anlieferverkehr eine Regelung. Das ist aber in der Innenstadt (in großen Teilen) nicht anders, obwohl auch dort noch viel zu viel Auto gefahren wird… Ich weiß wirklich nicht, warum der LM für Autos befahrbar sein muss.
P.S.: Ich wohne in Altlindenau und hab auch ab und zu am LM was zu erledigen…
Vielen Dank für den Artikel, der die verquere Denkweise des (Kraft)Verkehrsamts zu Leipzig so deutlich aufzeigt.
Die Planer an der Prager Straße leben in einer eigenen Welt, in der es von freundlichen Autofahrern nur so wimmelt. So, wie man es sich für Holland vorstellt – von dort kommt ja auch die Idee der Shared Spaces, die das hiesige Verkehrsamt ja überall einrichtet, ohne sie so als Shared Spaces zu benennen (offiziell lehnt man sie ja ab). So wie eben jetzt auch den Lindenauer Markt, aber es gibt noch viele andere solcher Orte (z.B. der Verkehrsraum zwischen südlichem Augustusplatz, Moritzbastei und Mensa).
Ach ja, die Keule der “Vollsignalisierung” kommt immer, wenn es nur darum geht, irgendein kleines Warnlichtchen zu installieren. Kenne ich schon. Ebenso die komischen Ausflüchte, wie sich unvorsichtige Fußgänger und ungeschickte Radfahrer zu verhalten haben.
Warum will das Planungsdezernat für/ab 2016 den Lindenauer Markt überhaupt umbauen für abermals viel Geld? So, wie er jetzt ist, ist er doch gerade mal vielleicht 10 Jahre alt? Stadtumbauten macht man normalerweise etwa alle 25-30 Jahre (so noch vom Baurat L-D, der mit der Kleinen Funkenburg).
Ach, Uwe, eine sehr gute Idee! Das war wohl der Grund, warum ich vorhin in der Kantine des Technischen Rathauses so massiv viel Schnappatmung vernahm aus der Etage des Verkehrsamts…
Leipzig, die Autostadt. Liebe Bürger, erkennt das mal endlich – und tretet Euren Stadträten mal kräftig in den A… Popo.
Hat schon mal jemand betrachtet, was eigentlich passiert, wenn man den Lindenauer Markt für den Autoverkehr einfach komplett sperrt? Ausgenommen Lieferfahrzeuge zu bestimmten Zeiten (z. B. zwischen 8 und 10 Uhr)!?