Eins muss man Martin Linke zugestehen: Als er Ende letzten Jahres die Petition einreichte, den Richard-Wagner-Platz in "Refugees-Welcome-Platz" umzubenennen, sorgte er für eine Menge Aufmerksamkeit, verärgerte ein paar Leute und brachte die Stadt in Erklärungsnot. Das Leipziger Verwaltungsdezernat hat nun erklärt, warum die Stadt sich von Wagner nicht trennen will und es noch nicht Zeit für einen Platz für das Flüchtlings-Willkommen ist.
Begründet hatte Martin Linke die Petition so: “Wir Leipziger_innen sehen uns in einer langen Leipziger Tradition von Weltoffenheit, Toleranz und Humanismus. Es passt nicht in unsere Stadt, dass ein Platz in der Innenstadt regelmäßig mit Hass und menschenfeindlicher Hetze überzogen wird. Der Ruf des Richard-Wagner-Platzes ist zerstört. Wir wollen ein Zeichen setzen und Leipzig einen Ort geben, der unsere Tradition und Kultur deutlich macht. Wir rufen alle Bürgerinnen und Bürger auf, unser Anliegen zu unterstützen und Unterschriften zu sammeln. Es ist unser aller Refugees-Welcome-Platz!”
Natürlich ist der Ruf des Richard-Wagner-Platzes nicht zerstört, bloß weil hier regelmäßig 300 Lernunwillige ihre alten, verbiesterten Veranstaltungen abhalten. Plätze halten schon so einiges aus. Und Linke deutete mit der Begründung ja eigentlich etwas anderes an: Es geht um ein wirksames Zeichen gegen den alten Mief.
So nebenbei schreckte er aber auch die braven Bürger auf, die lieber gar keine Zeichen setzen, sich aber empören, wenn einer an Wagner rührt. Da gab es erstaunlicherweise heftigeren Protest als gegen die Legida- und OfD-Umzüge. Das war peinlich genug.
Aber das Verwaltungsdezernat hat sich Mühe gegeben, zu begründen, warum eine Umbenennung des Richard-Wagner-Platzes nicht infrage kommt. Da geht es auch ein bisschen um internationales Renommé, immerhin ist Wagner einer von den beiden in Leipzig geborenen weltberühmten Komponisten (der andere ist Hanns Eisler).
Im Jahr 1913 so benannt, gehöre der Wagner-Platz “zu den ältesten Straßennamen in der Stadt Leipzig und zu den seltenen Straßen- bzw. Platzbenennungen, bei denen der Name unmittelbar mit der historischen Örtlichkeit verbunden ist.” Wagners Geburtshaus stand quasi um die Ecke am Brühl. “Ein Wegfall des Platznamens wäre aus dieser Sicht national und international kaum zu vermitteln, wie u. a. aus einem Schreiben der WAGNER SOCIETY of New York an die Stadt Leipzig hervorgeht.”
Und eine Umbenennung in Refugees-Welcome-Platz sei zwar ein aktuell wirksames Zeichen – neben vielen anderen in der Stadt. Aber wären die Leipziger auch in nächster Zukunft noch glücklich mit der Platzbenennung? Denn die muss ja auch noch den Kindern und Enkeln etwas sagen.
Ob irgendwann im Stadtraum an die aktuelle Flüchtlingsthematik erinnert werden soll, “wäre unabhängig von den aktuellen politischen Ereignissen noch grundsätzlich zu überdenken, denn bei ereignisbezogenen Namensgebungen im öffentlichen Raum ist stets eine angemessene zeitliche Distanz zu wahren, um die Bedeutung des namensgebenden Ereignisses und dessen Einordnung in die Geschichte umfassend bewerten zu können. Insbesondere sind im Fall einer Straßen- oder Platzbenennung unter der Prämisse, dass Straßennamen üblicherweise jahrzehnte- bis jahrhundertelang Bestand haben (sollen), um die Gültigkeit der Adressen für die Nutzer langfristig zu gewährleisten, bei der Namenswahl hohe Maßstäbe an eine dauerhafte Benennungseignung anzulegen.”
Was durchaus zu bedenken ist. Denn aktuell muss die Bundesrepublik erst einmal zeigen, dass sie wirklich in der Lage ist, so viele Flüchtlinge aufzunehmen, zu integrieren und das vor allem auch gesellschaftlich zu bewältigen. Es sind genug Akteure am Werk, die alles tun, um die Stimmung anzuheizen und der Öffentlichkeit zu vermitteln, das Land sei völlig überfordert. Sie bremsen und blockieren lieber, wo andere helfen und arbeiten wollen. Denn es geht eben nicht nur um Weltoffenheit, sondern auch um richtige Arbeit. Die muss bewältigt und organisiert werden, was nicht gerade leicht ist, wenn die maßgeblichen Politiker im Land verbal Amok laufen.
Und auch Leipzig wird das von Linke erwartete Zeichen nicht setzen, wenn es symbolisch einen Platz umbenennt, auf dem sich die fremdenfeindlichen Biedermänner wohl fühlen, sondern indem es die Asylsuchenden bestmöglich unterbringt, integriert und auch die auftauchenden Konflikte wahrnimmt und Lösungen dafür findet.
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