Am Dienstag, 1. Dezember, vermeldete Leipzigs Verwaltung voller Begeisterung: Jetzt kรถnnte die Suche nach einem Standort fรผr das Naturkundemuseum ein Ende haben. Man will es mit in die Messehalle 7 in der alten Baumwollspinnerei stecken. 2020 soll es dort erรถffnen. So hat es die Dienstberatung des OBM beschlossen. Immerhin kรถnnte man dort eine Menge Geld sparen.
Denn das war es, was die Verwaltung und die Stadtratsfraktionen besonders erschreckt hat, als sie die beiden Standorte Bowlingtreff und Lortzingstraรe prรผfte. Man braucht fรผr ein modernes Museum nun einmal moderne Ausstellungsrรคume, moderne Arbeitsrรคume, technisch moderne Lagerrรคume usw. Und das alles ist unter 20 Millionen Euro nicht zu haben.
Das wurde den einen erst klar, dass man am ehemaligen Bowlingtreff zu billig gerechnet hatte. Und den anderen wurde es klar, als der Verwaltungsvorschlag zur Modernisierung des alten Gebรคudes an der Lortzingstraรe in die Fachausschรผsse des Stadtrates ging. Denn auch hier hatte die Verwaltung nur die Sanierung im alten Format gerechnet. Dabei war von Anfang an klar: Wenn ein moderneres Naturkundemuseum in Leipzig Sinn machen soll, dann braucht es Platz fรผr richtig groรe, hochkalibrige Wechselausstellungen.
Entweder baut man den Ausstellungsraum dran ans alte Haus oder man baut ihn mit ein. Und wenn man ihn einbaut, mรผssen logischerweise entweder die Werkstรคtten oder der Fundus in ein neues Gebรคude ausgelagert werden.
Denn eines war schon klar, als der einstige Direktor des Leipziger Naturkundemuseums, Dr. Rudolph Schlatter, seine Vision fรผr das Museum vorlegte: Der alte Kasten ist fรผr so etwas schon lange zu klein.
Wenn Leipzig ein ordentliches Naturkundemuseum haben will, das auch in die Region ausstrahlen soll, dann muss Leipzig klotzen, nicht kleckern und auch nicht knausern.
Aber die Summe, die da wieder bei herauskam โ rund 20 Millionen Euro โ war der Verwaltung dann doch wieder zu viel. Sie zog die Vorlage zur Lortzingstraรe zurรผck und ging in Lindenau auf die Suche nach geeigneten Rรคumen. Dass man in der Alten Baumwollspinnerei Rรคume finden wรผrde, war eigentlich schon im Frรผhjahr klar. Etwas schwieriger wurde es durch den zweiten Wunsch, denn man wollte auch unbedingt noch Lofft und LTT mit unterbringen. Mit dem Naturkundemuseum zusammen hรคtte das die Halle 7, in der einst das beliebte โBimbotownโ rumorte, gesprengt. Man verhandelte mit der Betreibergesellschaft und kam zu einem Ergebnis.
Das dann am Dienstag verkรผndet wurde. Erst einmal nur mit den halben Zahlen. โDer Bauherr, die Baumwollspinnerei Verwaltungsgesellschaft, geht von einer Bauzeit von 18 Monaten fรผr die Ertรผchtigung des Gebรคudes und den Ausbau der Theater aus. Es wird von Investitionen in Hรถhe von 11,75 Mio EUR ausgegangenโ, meldete die Stadt. โ85 % davon sollen mit Fรถrdermitteln gedeckt werden. Auf die Stadt Leipzig entfallen ca. 3,33 Mio EUR. Ziel ist die รbergabe im Juli 2017. Das Museum soll bis 2020 folgen, die fรผr die Umsetzung der Museumskonzeption notwendigen Finanzen mรผssen erst noch ermittelt werden.โ
Der letzte Satz dรผrfte auch wieder den Stadtrรคten zu denken geben. Man weiร also doch noch nicht, wie teuer der Einbau des Museums in die Halle 7 wird.
Es geht nur ums Geld. Wenn man die bauliche Hรผlle durch die starke Fรถrderung im Sanierungsgebiet Lindenau deutlich preiswerter bekommt, dann hat man ja mehr Spielrรคume fรผr die Museumsausstattung selbst. In der Vorlage liest sich das so: โGegenรผber dem Standort Lortzingstraรe 3 liegt die Halle 7 auf dem Gelรคnde der Baumwollspinnerei im Fรถrdergebiet Stadtumbau Ost. Die Ertรผchtigung der Halle 7 ist zu 85 % fรถrderfรคhig, wodurch sich die finanziellen Aufwendungen der Stadt Leipzig verringern lassen. Mit der grundhaften Sanierung und Ertรผchtigung der gesamten Halle 7 werden auch die Flรคchen fรผr das Naturkundemuseum hergerichtet. Dadurch entfallen fรผr die Neuausrichtung des NKM an anderen Standorten ermittelte Kosten teilweise vollstรคndig, teilweise werden sie wesentlich reduziert. Verlรคssliche Kosten fรผr die Einrichtung des Museums kรถnnen erst auf der Grundlage des Konzeptes ermittelt werden, welches unter Federfรผhrung der neuen Leitung des Museums entstehen soll. In welcher Hรถhe Mittel fรผr die Umsetzung des Konzeptes zur Verfรผgung stehen werden, muss mit Aufstellung des Doppelhaushaltes 2017/2018 ermittelt werden.โ
Kulturbรผrgermeister Michael Faber sagte dazu: โIch bin froh, dem Stadtrat endlich einen Vorschlag unterbreiten zu kรถnnen und hoffe, dass es eine breite Befรผrwortung fรผr die nun angedachte Variante geben wird.โ
Finanzbรผrgermeister Torsten Bonew ergรคnzte: โDiese Variante ist finanziell fรผr die Stadt umsetzbar. Mit Hilfe von Stรคdtebaufรถrdermitteln aus dem Programm Stadtumbau Ost wird der stรคdtische Haushalt bei der Finanzierung deutlich entlastet.โ
Aber nicht nur die eigentliche Finanzierung des Museums ist finanziell noch nicht dargestellt. Es stecken auch zwei dicke Hinkefรผรe im Paket, auch wenn die Vorlage wieder forsch behauptet, es gรคbe ordentliche รPNV-Anbindungen (S-Bahn, Straรenbahn, Bus) und auch die Einrichtung einer Buslinie, die die Spinnerei direkt anfรคhrt, sei denkbar.
Aber das Museum hat dieselben Probleme einer abgeschiedenen Lage, die schon im ersten Verfahren das Aus fรผr eine Unterbringung im Stadtbad oder am Stadthafen bedeutet haben. Damals gingen die Gutachter davon aus, dass selbst in diesen noch relativ zentrumsnahen Lagen eine Besucherzahl von 100.000 im Jahr schon sehr gewagt wรคre als Prognose. Jetzt wird fรผr den noch abgelegeneren Standort in der Alten Baumwollspinnerei einfach mal von einer Zielmarke 140.000 gesprochen โ und erreichen soll das dann die neue Direktorin/der neue Direktor mit attraktiven Ausstellungsgestaltungen: โUm langfristig stabile Besucherzahlen zu erzielen, ist eine markante Neukonzeption der Dauerausstellung unter Berรผcksichtigung verรคnderter Rezeptionsgewohnheiten der Besucher sowie eine Vergrรถรerung der Sonderausstellungsflรคche zur Etablierung zeitgemรครer Wanderausstellungen von essentieller Bedeutung.โ
Und ebenfalls nicht angegeben ist der Mietpreis fรผr die Halle. Zumindest ist da Einiges noch zu klรคren, wie das Amt fรผr Gebรคudemanagement in seiner Analyse erklรคrt: โWie zwischen der Stadt Leipzig und der Leipziger Baumwollspinnerei Verwaltungsgesellschaft mbH vereinbart, soll nach Ablauf der ersten 15 Jahre die รberlassung der Halle 7 der Leipziger Baumwollspinnerei an die Stadt Leipzig eine weitergehende und langfristige Nutzung durch die Stadt geregelt werden. Die genauen Modalitรคten sind zum Prรผfungszeitraum noch nicht verhandelt. Die von den durch die Leipziger Baumwollspinnerei Verwaltungsgesellschaft mbH beauftragten Planern bisher erarbeitete Kostenindikation zur Etablierung eines Theaterhauses in der Halle 7 der Leipziger Baumwollspinnerei muss bezรผglich der Integration des Naturkundemuseums Leipzig erweitert werden. Dies ist ebenfalls zum Zeitpunkt der Prรผfung noch nicht erfolgt.โ
Fallen dann also fรผr die anzumietenden rund 3.700 Quadratmeter jรคhrliche Mieten an?
Das alte Haus an der Lortzingstraรe will die Stadt hingegen verkaufen. Und zwar flott, wie es in der Vorlage heiรt: โBei Bestรคtigung der Halle 7 Baumwollspinnerei als Standort fรผr das Naturkundemuseum Leipzig wird die Liegenschaft Lortzingstraรe 3 zu einem noch zu bestimmenden Zeitpunkt zur Verรคuรerung ausgeschrieben. Der Verkaufserlรถs flieรt in den Gesamthaushalt ein und dient der Deckung der Ausgaben fรผr den neuen Standort.โ
Aber so richtig zufrieden dรผrften die Stadtrรคtinnen und Stadtrรคte mit den jetzt vorgelegten Zahlen noch nicht sein. Eigentlich reichen sie nicht aus, um jetzt auf dieser Basis schon einen Grundsatzbeschluss zu fassen.
Die Erlรคuterung zur Beschlussvorlage.
Die Analyse der Halle 7 durch das Amt fรผr Gebรคudemanagement.
So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:
Es gibt 2 Kommentare
Nachtrag: โFallen dann also fรผr die anzumietenden rund 3.700 Quadratmeter jรคhrliche Mieten an?โ
Ja, was denn bitte sonst!? Glaubt jemand, dass die Inhaber der Halle was zu verschenken haben!? Bei moderaten 5 โฌ/mยฒ und Monat kann man also schon mal 5 โฌ/mยฒ * 12 * 3.700 mยฒ = 222.000 โฌ Jahresmiete einplanenโฆ
Geiz ist geil! Man kann ein Museum auch kaputtsparen. Dort drauรen werden diese Phantasiebesucherzahlen nie im Leben erreicht werden, weshalb das endgรผltige Aus fรผr das NKM absehbar ist. Was dann โnicht weiter schlimmโ wรคre, denn so eine Industriehalle kann man ja ruck-zuck anderweitig verwendenโฆ
Wenn man das NKM nichtmehr will, dann soll man das sagen, statt so rumzueiern und Alibilรถsungen zu machen. Wenn man ein attraktives, modernes NKM hingegen will, dann muss man eben Geld in die Hand nehmen! Und dass 85% aus Fรถrdermitteln (also aus den Steuergeldern von Nicht-Leipzigern) kommen, ist kein Argument. Denn am Ende bezahlen ja doch alle die groรe Gesamtrechnung im Staat gemeinsam (auรer denen, die sich dank (legaler) Steuerhinterziehung davor drรผcken)โฆ
Am sinnvollsten wรคre nach wie vor, das Museum am derzeitigen Standort zu erweitern und zu modernisieren!