In der nächsten Ratsversammlung am 16. Dezember sollen die Leitlinien für die Weiterführung des Aufstellungsverfahrens zum Bebauungsplan Nr. 392 "Wilhelm-Leuschner-Platz/Ost" beschlossen werden. Ein heißes Eisen. Im Ratsinformationssystem stauen sich die Änderungsanträge. Die Grünen sind sich beim "Ja" zur Vorlage schon recht einig - können sich aber auch noch ein bisschen mehr Wohnbebauung vorstellen.
“In diesem Jahr wurden nochmals die Pro- und Contra-Argumente zum vom Stadtrat im Jahr 2011 beschlossenen städtebaulichen Leitbild ausführlich diskutiert! Deshalb steht in der nächsten Stadtratssitzung mit der Bestätigung der Leitlinien eine weitere Grundsatzentscheidung zum Wilhelm-Leuschner-Platz an! Die Entscheidung heißt in diesem Zusammenhang insbesondere: ‘Ja’ oder ‘Nein’ zur Markthalle und zur Bebauung des östlichen Teils des Wilhelm-Leuschner-Platzes”, erklärt Tim Elschner, Stadtrat und stadtentwicklungspolitischer Sprecher der Stadtratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, die Position der Grünen. Die Markthalle steht für die Grünen wie ein Pflock im Gelände.
Und dass hier endlich überhaupt losgebaut werden sollte, da sei man sich mit CDU und Linken seit Mai 2015 einig.
“Es war Konsens, dass zu verschiedenen Detailaspekten jedoch Veränderungen vorgenommen werden sollten, ohne dass das städtebauliche Leitbild in Frage gestellt wird”, meint Elschner. “Als Fraktion und Partei haben wir unsere Standpunkte und Ideen nach gründlicher Abwägung auch der verschiedenen konzeptionellen Ansätze in das Verfahren eingebracht. Und in den jetzt seitens der Stadtverwaltung vorgelegten Leitlinien zum Bebauungsplanverfahren finden wir uns mit unseren Vorstellungen weitgehend wieder. Deshalb begrüßen wir diese in Summe und werden auch dem Änderungsantrag der CDU-Fraktion zustimmen.”
Gerade vor dem Hintergrund der wachsenden Stadt, unter Beachtung gesamtstädtischer Ziele und in Erwartung einer weiteren Nachverdichtung, besonderes in vielen Bereichen der erweiterten Innenstadt, halte die grüne Stadtratsfraktion auch an der Idee eines großzügigen öffentlichen Freiraumes westlich der Markthallenstraße fest, dessen endgültige Gestaltung allerdings erst mittelfristig zu erwarten ist.
Gerade hier gibt es einen großen Dissens zu Leipziger Architekten oder zum Stadtforum Leipzig. Dieser undefinierte Stadtraum verhindert eine städtebauliche Entwicklung eher, als dass er sie begünstigt.
Wichtiger aber scheint den Grünen, dass jetzt das Thema Wohnen in den Vordergrund rückt. Und zwar auch mit preiswerten Wohnangeboten, die einer sozialen Entmischung an der Stelle vorbeugen.
Um sozial gemischtes Wohnen auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz zu etablieren, soll deshalb zur Vorbereitung der Vermarktung der kommunalen Grundstücke eine Arbeitsgruppe eingesetzt werden, die sich mit den Anforderungen und Vorgaben (u.a. Umsetzung der Stadtratsbeschlüsse „Wohnungspolitisches Konzept, Fortschreibung 2015“ und „Änderung der strategischen Liegenschaftspolitik“) auseinandersetzt. Die Arbeitsgruppe soll sich aus Mitarbeitern der Verwaltung, Vertretern der im Stadtrat vertretenen Fraktionen und unterschiedlichen Akteuren des Wohnungspolitischen Konzeptes zusammensetzen und eine Vermarktungsstrategie erarbeiten. Diese soll vom Stadtrat beschlossen werden, bevor Ausschreibungsverfahren beginnen.
Einen entsprechenden Änderungsantrag haben die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke gemeinsam eingereicht.
“Wir begrüßen, dass der Mindestwohnanteil mit 20 Prozent der Geschossfläche im nördlichen Quartier und 40 Prozent der Geschossfläche im südlichen Quartier festgelegt werden soll. Weiterhin besteht die Option auf der Markthalle Wohnnutzungen zu schaffen”, meint Elschner. “Die Stadt Leipzig als Eigentümerin der zu vermarktenden Liegenschaften hat es allerdings auch in der Hand, auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz eine Vielfältigkeit hinsichtlich Wohn- und Eigentumsformen sowie Preissegmenten zu ermöglichen. Deshalb wollen wir erreichen, dass neben einer möglichst kleinteiligen Parzellierung auch eine Vergabe von Teilflächen nach Konzept sowie eine Veräußerung oder Vergabe von Erbbaurecht an unterschiedliche Bauträger (z.B. LWB, Genossenschaften und private Bauherren unterschiedlicher Art) erfolgt.“
Aber irgendwie haben sich jetzt alle mit der SPD-Fraktion verkracht.
Oder sind wieder einmal mehrere Stadtratsfraktionen unterwegs, sich gegen die von außen geäußerte Kritik zu vereinen? Denn genau so klingt das jetzt.
Die SPD-Fraktion hat in ihrem Änderungsantrag die Anregung der Leipziger Architekten aufgegriffen, im Westteil des Geländes wieder einen konturierten Stadtplatz zu schaffen: “Für das westlich von der Markthallenstraße gelegene Quartier wird ein städtebaulicher Wettbewerb durchgeführt, der eine künftige Bebauung der Platzfläche und den dauerhaften Erhalt des Königsplatzes zum Inhalt hat.”
Das findet Tim Elschner gar nicht gut: “Der SPD-Änderungsantrag und auch die Einzelanträge des SPD-Stadtrates Mathias Weber zeigen vor allem eines: Die SPD-Fraktion ist in Gänze orientierungslos! Trotz jahrelanger Diskussionen, einer Städtewerkstatt und einer durchgeführten Bürgerbeteiligung kann und will sie sich offensichtlich bis heute nicht zum Wilhelm-Leuschner-Platz klar positionieren. Einig ist sie sich immer nur in der Frage, den Bau der Markthalle zu verhindern! Nach mehr als zwanzigjähriger Debatte sollte der Stadtrat den Mut aufbringen und die Kraft haben, das Bebauungsplanverfahren jetzt zielführend fortzuführen. Wir vertrauen darauf, dass die bisherige stabile Mehrheit im Stadtrat auch in Bezug auf die Fortführung des Bebauungsplanverfahren zum Wilhelm-Leuschner-Platz weiterhin Bestand hat.“
Nur räumt das nicht die Tatsache aus dem Weg, dass auch der Wettbewerb um das Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmal an der Undefiniertheit der westlichen Platzfläche gescheitert ist. Genau das haben Leipziger Architekten nun schon mehrfach kritisiert.
Nachdem der Stadtrat 2014 entschieden hat, das Verfahren zum Freiheits- und Einheitsdenkmal zu beenden, haben Verbände insbesondere der Leipziger Architektenschaft ihre Kritik am 2010 entwickelten städtebaulichen Leitbild für den Wilhelm-Leuschner-Platz erneuert und eigene Entwürfe entwickelt, die dem Stadtrat im Januar 2015 vorgestellt wurden. Immerhin: Die SPD-Fraktion hält die Argumente für so stichhaltig, dass sie sie in ihre Anträge aufnimmt.
Das ist ihr gutes Recht und kein Sündenfall.
Und ob die “stabile Stadtratsmehrheit” die Sache richtig sieht, wird sich auch erst herausstellen, wenn im Markthallenviertel losgebaut wird und ob tatsächlich sozialer Wohnraum entsteht. Mehrheiten im Stadtrat sind schnell vom Winde verweht, wenn die Diskussion aufs Geld kommt und nicht die Grünen “Basta!” sagen, sondern der OBM. Jüngst ja gerade erlebt beim Fall der Linie 9. Schönes Beispiel eigentlich für das hübsche Stadtratsthema “Vom Winde verweht.”
Änderungsantrag der CDU-Fraktion.
Änderungsantrag von SPD-Stadtrat Mathias Weber
Änderungsantrag von Linksfraktion und Grünen-Fraktion.
Es gibt 3 Kommentare
Unsere Haltung zur Weiterführung hat weder mit Orientierungslosigkeit noch mit “fettem Geld” zu tun. Die Städtebauwerkstatt seiner Zeit unter dem Credo statt, dass auf dem westlichen Teil des Leuschner-Platzes das Freiheits- und Einheitsdenkmal entstehen sollte. Das Denkmal kommt bekanntlich nun nicht und schon gar nicht auf den Leuschner-Platz. Warum sollte man also eine Planung als Grundlage nehmen, die so nicht mehr aktuell ist? Das macht für uns keinen Sinn und deshalb haben wir dort Nachbesserungsbedarf gesehen. Es gibt ja Fraktionen, die sonst gern die Bürger beteiligen wollen, aber an diesem Punkt dann doch nicht. Aus unserer Sicht wäre das der bessere Weg gewesen, aber damit konnten wir uns im Rat nicht durchsetzen.
“Die Stadtverwaltung hat mit der örtlichen Baumafia längst alles ausgeheckt, es …”
Das könnten Sie dann äußern, wenn Sie über entsprechende Informationen verfügen. Meines Wissen verfügen Sie nicht über diese Informationen, weil ….
Wenn die SPD, die Partei des OBM, so viel Widerstand leistet, kann es ja nur um fettes Geld gehen.
Die Stadtverwaltung hat mit der örtlichen Baumafia längst alles ausgeheckt, es geht “nur” noch darum, die hochwertigen Immopläne (ohne Markthalle natürlich) irgendwie unter den Augen des Stadtrats durchzubringen.
Wenn die SPD-Fraktion schonmal umfällt, ist ja schon einiges erreicht. Sicher kann man CDU und FDP auch noch rumkriegen. Es fehlt nur noch der grüne Latte-Macchiato-Flügel (der die Sache mit der Linie 9 verbockt hat). Die wollen freilich ihren Latte in einer chicen Markthalle genießen…