Den Leipzigern wurden ja schon einige schöne Märchen zur Zukunft des Gewässerverbundes erzählt. Einige dieser Träumer versuchen uns derzeit via Leserbrief was von der Rohrdommel zu erzählen. Aber wir halten uns an die Fakten. Und ans Geld. Und das Teuerste am Leipziger Neuseenland sind all die hochfliegenden Träume von der Schiffbarmachung. Die Entschlammung des Lindenauer Hafens gehört dazu.

Für den normalen Paddelbootbetrieb wäre sie nicht notwendig gewesen. Aber man hat ja größere Pläne. Dazu gehört auch die am Lindenauer Hafen geplante Marina.

“Im Zusammenhang mit der Herstellung der Gewässerverbindung vom Karl-Heine-Kanal zum Lindenauer Hafen, musste im Lindenauer Hafen eine Teilentschlammung einer Sedimentinsel vorgenommen werden, um eine 15 m breite und ca. 200 m lange Fahrrinne für Fahrgastschiffe und Boote entlang der ca. 1.000 m langen Kaimauer zu schaffen. Die Kubator (richtiger: Kubatur, d. Red.) des Räumabschnittes betrug ca. 4.100 m³ Schlamm”, heißt es jetzt in der Vorlage des Dezernats Umwelt, Ordnung, Sport, in der festgestellt wird, dass auch dieses Teilprojekt der schönen neuen Gewässerwelt deutlich teurer wird als zuvor geplant. Das war ja auch mit dem neu gebauten Kanal so gewesen, der seit dem Sommer den Karl-Heine-Kanal mit dem Lindenauer Hafen verbindet. Auch da spielte kontaminierter Bodenaushub eine Rolle bei den Kostensteigerungen. Im Lindenauer Hafenbecken waren es unter anderem alte Bahnschwellen, die die Sache schon im ersten Teil verteuerten.

Aber so richtig als große Investitionsmaßnahme sieht man das Ganze im Umweltdezernat nicht. Man hat es eher so als Gewässerunterhaltung gesehen.

“Die Teilentschlammung des Lindenauer Hafens ist eine Maßnahme der Gewässerunterhaltung, als erstmalige und einmalige Sedimentberäumung seit der Fertigstellung des Lindenauer Hafens im Jahre 1943. Die Teilentschlammung war die Voraussetzung zur Gewährleistung des Bootsverkehrs im Lindenauer Hafen entlang der Kaimauer und zur Nutzbarkeit der Anlegestellen der zukünftigen MARINA Leipzig-Lindenau”, heißt es in der Vorlage weiter.

Die geht dann auch auf die Kostensteigerungen ein. Denn als das Projekt 2012 vom Stadtrat beschlossen wurde, hatte man die Entschlammung nur mit 120.000 Euro veranschlagt. Die meisten Stadträte werden es gar nicht mitbekommen haben, dass sich diese kleine Gewässerunterhaltung schon im nächsten Schritt deutlich verteuerte.

“Nach Fortschreibung der Planungen und Umsetzung der wasserbehördlichen Forderungen, lag das verpreiste Leistungsverzeichnis einschließlich Baunebenkosten und 10 % Sicherheit für Unvorhergesehenes bei 396.600 EUR. Mit Beschluss Nr. VI-DS-01073 vom 17. Juni 2015 wurde die finanzielle Deckung wie folgt bestätigt …”, heißt es in der Vorlage. Es war nicht die einzige Kostensteigerung, die damals beschlossen wurde. Auch die Zusatzkosten am neuen Kanalstück steckten mit in der Vorlage, mit der eine Kostensteigerung von 18,1 auf 19,2 Millionen Euro beschlossen wurde.

Dabei ist es jetzt in Sachen Hafenentschlammung nicht geblieben. Denn auch die kalkulierten 396.000 Euro reichen nicht.

Das liegt am seltsam feinkörnigen Schlamm aus dem Becken. Das gewählte Verfahren zur Entwässerung funktionierte einfach nicht. Um den Schlamm auf eine Deponie ablagern zu können, hätte er transportfähig und stichfest sein müssen.

“Nachdem das Stapelbecken erstmalig mit Schlamm befüllt wurde, zeigte sich, dass die aus dem Hafenbecken entnommenen Sedimente eine sehr weiche und von sehr hohen Wassergehalten geprägte Konsistenz hatten. Entgegen der Aussagen aus dem Baugrundgutachten entwässerte das Baggergut nicht schnell genug, bzw. nahezu gar nicht. Es kam auf der Baustelle zum Baustillstand von 9 Tagen, um Alternativen zur Entwässerung zu finden. Ein Abtransport des Baggergutes ohne entsprechende Stichfestigkeit war nicht möglich. Auch das zur Entwässerung vorgesehene Polymer (als Konditionierungsmittel) bewirkte keine Entwässerung des Schlammes. Der hohe Wasseranteil verblieb aufgrund der Molekularstruktur des Schlammes somit im Baggergut und konnte über die vorgesehene Drainage des Stapel-/Absetzbeckens nicht abgetrennt werden. Auch ein längeres Liegenlassen des Schlammes im Stapel-/Absetzbecken führte zu keinem besseren Entwässerungsergebnis”, heißt es jetzt in der Vorlage. “Von den im Schlamm gebundenen Wassermengen (geplanter Ansatz der Entwässerungsfähigkeit von ca. 2.460 m³ Wasser), konnten lediglich 164 m³ mittels einer im Stapelbecken verlegten Drainage abgetrennt werden. Um die Schlammmengen in einem angemessenen Zeitraum dennoch stichfest zu bekommen, musste eine andere Technologie zur Schaffung einer ausreichenden Stichfestigkeit gefunden werden.”

Der Schlamm blieb breiartig. Und keine Deponie nimmt Brei an.

Also versuchte man dann, das Wasser wenigstens mit Kalk zu binden. Was dazu führte, dass man zwar eine transportfähige Masse bekam – da das Wasser aber nur gebunden und nicht abgeschieden wurde, erhöhte sich die Tonnage der abzulagernden Menge. Sie verdreifachte sich einfach mal.

Aus der Vorlage: “Aufgrund des Wasserhaltungsvermögens des Schlammes (Wasser blieb im Porengefüge des Schlammes/aus diesem Grund trat keine wesentliche Gewichtsreduzierung ein) und durch die Beigabe des Zuschlagstoffes Kalk zur Konditionierung, blieb das Gewicht des Schlammes unverändert hoch, was sich letztendlich besonders signifikant auf die Erhöhung der Entsorgungskosten auswirkte. Denn statt der berechneten und im Leistungsverzeichnis ausgewiesenen Massen (Tonnage) für die Deponie (in Höhe von ca. 3.060 t), mussten insgesamt (bedingt durch den hohen Wasseranteil) 9.495 t entsorgt werden. – Im Weiteren wurde die Kostenerhöhung durch den erhöhten Masseanteil des Zuschlagstoffes „Weißkalk“ (ca. 76.000,- € brutto) und dem Auffinden von 50, durch Umweltschadstoffe belastete Eisenbahnschwellen (ca. 1.600,- € brutto), beeinflusst.”

Plus die Kosten für die erhöhte Deponiemenge.

Machte dann summa summarum 321.400 Euro obendrauf. Auf die schon im Juni beschlossene Summe von 396.000 Euro.

Nach Adam Ries wurde so aus der ursprünglich geplanten Summe von 120.000 Euro ein Sümmchen von 718.000 Euro.

Die Kosten der Teilentschlammung habe sich also fast versechsfacht. Und es ist eben auch nur eine Teilentschlammung entlang des Beckenrandes. Der größere Teil der Sedimente liegt ja nach wie vor im Becken. Falls auch die mal behoben werden sollten, ist man ziemlich schnell im Millionenbereich.

Und erinnern darf man sich auch daran, dass einige der 2015 festgestellten Kostensteigerungen dadurch kompensiert wurden, dass man auf einige Bauteile erst einmal verzichtete – zum Beispiel auf die geplante Wegeverbindung zur künftigen Marina. Da man ja die Marina unbedingt bauen will, wird es auch diese Wegeverbindung irgendwann brauchen. Ursprünglich war sie mit 297.000 Euro geplant.

Aber mit der Vertagung von Projekten war es jetzt zum Jahresende nicht mehr machbar, die fehlenden Gelder irgendwie zusammenzubekommen. “Sowohl im Amt für Stadtgrün und Gewässer als auch im Dezernat III wurde nach Deckungsmöglichkeiten im Ergebnishaushalt gesucht. Aber weder im Amt für Stadtgrün und Gewässer noch im Dezernat III sind diese vorhanden”, heißt es in der Vorlage. “Die Deckung der Summe der Mehraufwendungen soll daher aus der Kostenstelle ‘Unterjährige Finanzierung ohne Deckung Ergebnishaushalt’ (1098600000) erfolgen. Dafür wird eine überplanmäßige Aufwendung nach § 79 Abs. 1 SächsGemO für das HH-Jahr 2015 in Höhe von 347.000,- EUR im PSP-Element ‘Ausbau/ Unterhaltung Gewässer II. Ordnung’ (1.100.55.2.0.01) bestätigt.”

Das könnte dann weitere Folgen haben, denn dieses Kostenelement ist eigentlich für den nächsten Bauabschnitt am Elstermühlgraben vorgesehen. Das ist der Abschnitt zwischen Elsterstraße und Thomasiusstraße, der noch fehlt. (Und von dem noch niemand weiß, ob man hier nicht auch noch ein paar kostensteigernde Überraschungen finden wird wie am westlich davon freigelegten Abschnitt.) Und so behilft man sich erst einmal so: “Im PSP-Element Elstermühlgraben (7.0000281.700) werden die Mittel in gleicher Höhe gesperrt.”

Aber natürlich sieht Leipzigs Verwaltung die Schuld nicht bei sich: “Im Zusammenhang mit der drastischen Kostenerhöhung bei der Teilentschlammung Lindenauer Hafen wird geprüft, inwieweit Schadensersatzansprüche gegen die beteiligten Planungsbüros geltend gemacht werden können, weil die im Leistungsverzeichnis festgelegte Entwässerungstechnologie versagte und stattdessen eine kostenintensive Alternative angewandt werden musste.”

Wobei man die Schadenersatzansprüche eher nicht am Schlammbrei festmacht – dessen Konsistenz nun alle überrascht hat – sondern an der Tatsache der zu späten Meldung an die Stadt: “Die Kostenerhöhung der Maßnahme ‘Teilentschlammung Lindenauer Hafen’ wurde der Stadt Leipzig weder durch die beauftragte Firma noch durch die örtliche Bauüberwachung  rechtzeitig und ordnungsgemäß angezeigt. Dadurch konnten keine weiteren zeitnahen Gegensteuerungsmaßnahmen der Stadt Leipzig (wie z.B. die Reduzierung der zu entschlammenden Fläche) zur Kosteneinsparung geprüft oder vorgenommen werden.”

Das wäre zumindest ein Spaß, nachdem man sich schon mal auf einen 15 Meter breiten Streifen beschränkt hatte, damit “Fahrgastschiffe und Boote” hier durchkommen. Wenn der Brei so breiig ist wie beschrieben, hätte die Halbierung des Streifens wohl eher einem ingenieurtechnischen Wunder geglichen.

Die Vorlage zur Kostensteigerung bei der Teilentschlammung.

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