Die Frage ist etwas zugespitzt. Keine Frage. Sie schwang aber auch mit, als der SPD-Ortstverein Leipzig Nordost am Dienstag, 17. November, einlud ins Brockhaus-Gymnasium. Es ging um das "Mobilitätskonzept der LVB für den Osten der Stadt". Und auch ein bisschen um das Image der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB). Schon die Einladung an LVB-Geschäftsführer Ronald Juhrs war entsprechend frech formuliert.
“Durch permanente Fahrpreiserhöhungen und einen gefühlten Rückgang des Services standen die Leipziger Verkehrsbetriebe in letzter Zeit häufig in Kritik”, hieß es da. Und SPD-Stadtrat Sebastian Walther gab schon mal mit auf den Weg: “Als Stadtrat für den Leipziger Osten muss ich darauf drängen, dass wir infrastrukturell nicht den Anschluss verlieren.”
Aber Ronald Juhrs ließ sich nicht entmutigen, kam und stand Rede und Antwort. Auch zum Nordosten. Auch zum Image der LVB, das so schlecht nicht sein könne, wenn die LVB 2015 zum wiederholten Mal Sieger in einem Ranking der Tageszeitung “Die Welt” geworden wären. Zumindest unter den 14 abgefragten ÖPNV-Unternehmen unter den über 1.900 abgefragten Unternehmen. Die LVB sind also quasi so etwas wie der “Service-Champion” unter den erfassten ÖPNV-Unternehmen, mit 62,6 Prozent Zustimmung ein bisschen besser als der Hamburger Verkehrsbund, die Münchner Verkehrsgesellschaft und die Stuttgarter Straßenbahnen.
Es gibt also ein paar Leute, die mit dem Service bei den LVB zufrieden sind. Mehr kann man zu dem Ranking eigentlich nicht sagen. Denn es geht nicht auf das lokale Empfinden ein. Das beginnt mit den Ticketpreisen, die für einen Hamburger oder Münchner eher normal aussehen können, während sie einen Leipziger Normalverdiener schon zum Aus- und Umsteigen bewegen. Das geht mit der Dichte des Straßenbahnnetzes weiter, das für Gäste aus Städten ohne Straßenbahn ganz bestimmt sehr eindrucksvoll aussieht, für Leipziger, die ihr Leben lang das Auf und Ab der Verkehrsbetriebe miterlebt haben, wirkt aber schon die Stilllegung einer Teilstrecke wie die der Linie 9 nach Markkleeberg-West wie der Niedergang.
Die Firma “ServiceValue” hat die Befragten auch nicht nach Einheimischen und Gästen sortiert, sondern nur danach gefragt, ob das abgefragte Unternehmen in den letzten drei Jahren genutzt wurde, ja oder nein.
Deswegen ist dieser Titel nur etwas für die Urkunde an der Wand, kein Zeichen für den wirklichen Stand der Dinge.
Und deshalb war der Schauplatz in der 1960er-Jahre-Aula des Brockhaus-Gymnasiums sogar der richtige. Hier wurde auch im Umfeld gleich sichtbar, wie sehr der Leipziger Nordosten hinter der gesamtstädtischen Entwicklung hinterher hinkt. Das hängt direkt mit den Wanderungsströmen der Leipziger zusammen. Vor 15 Jahren galt nur der Leipziger Süden als attraktiver Entwicklungsraum. Vor 10 Jahren kam so langsam Schleußig ins Bild, vor 5 Jahren erst begann der Aufschwung im Leipziger Westen und rund um die Leipziger Innenstadt. Seit 2 Jahren ist nun auch der Leipziger Osten zum neuen Zuzugsgebiet geworden.
Dass demnächst der Nordosten dran sein könnte, das deutet sich jetzt schon an. Und damit wächst auch hier der Druck auf die Modernisierung des ÖPNV. Sichtbar ist das schon lange in der Mockauer und der Kieler Straße. Das Brockhaus-Gymnasium liegt direkt an der Kieler Straße. Vier bis fünf Jahre könnten die Straßenbahnen maximal noch auf den alten Verbundplatten in der Kieler Straße fahren, länger nicht, sagte Ronald Juhrs am Dienstagabend.
Doch die Pläne für eine neue Gleisstrecke in Mockau sind im Prinzip fertig. “Die müssten eigentlich in der nächsten Zeit im Stadtratsausschuss auf dem Tisch liegen”, sagte Juhrs. Die LVB planen in Mockau eine völlig neue Trassenführung, die die Kieler Straße entlastet, aber über die Tauchaer Straße den Ortsteil deutlich besser erschließt. Deswegen habe man auch auf der neuen Parthebrücke schon zweigleisig gebaut und die Kurve in die Kieler Straße gar nicht erst angefasst, denn künftig soll die Straßenbahn von der Parthebrücke kommend die Kieler/Stralsunder Straße geradeaus überqueren und auf der Tauchaer Straße zweigleisig weiterfahren bis zur Mockauer Straße und in deren Verlauf zur Mockauer Post. “Was”, so Juhrs, “auch dem Bereich um die Mockauer Post völlig neue städtebauliche Entwicklungsmöglichkeiten gibt.”
Die Bürgerbeteiligung zu diesem neuen Straßenbahnprojekt soll 2016 stattfinden, so dass das Projekt in den nächsten Jahren eingetaktet werden kann.
Logische Frage aus der SPD-Ortsgruppe: Wird dann auch endlich die Endhaltestelle in Thekla erneuert? Und wie sieht es mit der schon lange geplanten Verlängerung der Straßenbahn durch Thekla hindurch bis zum S-Bahn-Haltepunkt Thekla aus? Das, so Juhrs, sei zwar Inhalt von Überlegungen, schlüssige Planungen dazu gebe es aber noch nicht.
Die nächsten Jahre werden im Leipziger Nordosten vor allem von Ersatzinvestitionen geprägt sein.
2016 werden in Paunsdorf die Gleise saniert. Die sind mittlerweile so heruntergefahren, dass die Bahnen nur noch mit 10 km/h fahren können.
2016 gibt es auch Ersatzinvestitionen am Straßenbahnhof Paunsdorf. Der sollte eigentlich im Zusammenhang mit dem Neu- und Ausbau des Technischen Zentrums in Heiterblick außer Betrieb genommen werden. Doch dafür fehlt in Heiterblick noch die zweite Ausbaustufe. Zur Erinnerung: Ursprünglich wollten die LVB das Technische Zentrum mit moderner Werkstatt und neuen Wagenhallen in einem Rutsch bauen, dann aber blieb das Projekt über fünf Jahre in den Verhandlungen mit dem Freistaat über mögliche Fördergelder hängen. Am Ende gab es dann eine Vereinbarung, wenigstens die erste Ausbaustufe, die so dringend benötigte Werkstatt für die modernen Straßenbahnen, zu bauen. Das war der wichtigste, aber auch teuerste Teil, der am Ende aufgrund von heftigen Preissteigerungen beim Material 8 Millionen Euro teurer wurde als geplant.
2015 standen die LVB und die Konzernmutter LVV dann vor der Entscheidung, welche Investitionen bei den LVB Vorrang bekommen. “Für uns war die eindeutige Priorität die Neuanschaffung von Straßenbahnen”, sagt Juhrs. “Deswegen haben wir die nächste Ausbaustufe in Heiterblick schweren Herzens um zehn Jahre verschoben.”
Was dann zur Folge hat, dass der Straßenbahnhof Paunsdorf diese zehn Jahre noch in Betrieb bleiben muss. Deswegen muss hier jetzt noch einmal in den Erhalt investiert werden. Was dann auch Gleise in der Riesaer Straße direkt vorm Straßenbahnhof Paunsdorf betrifft.
Und ebenso um Erhalt der Substanz geht es 2018/2019 in der Mockauer Straße, wo die Gleise grundhaft saniert werden müssen, so, wie es in diesem Jahr in der Eisenbahnstraße passiert ist. Die Gleise haben die Hälfte ihrer Lebenszeit erreicht, müssen also noch einmal für zehn Jahre mindestens gesichert und gefestigt werden.
Offen ist noch, ob auch in der Gorkistraße in Schönefeld Ähnliches passieren wird. Aber Schönefeld ist ein klassisches Beispiel dafür, wie die nicht unbedingt berechenbare Bevölkerungsentwicklung in Leipzig dafür sorgt, dass Straßen, die bislang überhaupt keine Priorität hatten, auf einmal heftigen Handlungsdruck erzeugen. Denn eines wird an der Kreuzung Gorkistraße/Löbauer Straße in den nächsten Jahren auf jeden Fall passieren: Die Kreuzung hat sich zu einem wichtigen Umsteigepunkt zwischen Straßenbahnen und Bussen entwickelt. Mit der Eröffnung des neuen Gymnasiums in der Gorkistraße wird das noch heftiger.
“An dieser Stelle überlegen wir jetzt, ob wir eine gut ausgebaute Haltestelleninsel unterbringen”, sagt Juhrs. Momentan würden dazu die Vermessungen des Straßenraumes erfolgen.
Es tut sich also was im Leipziger Nordosten – mit ganz ähnlichen Verzögerungen wie auch in anderen Stadtbereichen.
Und eine durchaus berechtigte Frage in der abendlichen Aula war auch: Wann verschwinden eigentlich die Tatra-Straßenbahnen aus dem Leipziger Stadtbild?
“Eigentlich nie”, sagte Juhrs.
Dazu gleich mehr an dieser Stelle.
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