Da haben sich Leipzigs Architekten mal kurz vorgewagt, einen Stein ins Wasser geworfen - und schon fallen im Leipziger Stadtrat mal wieder die Kartenhäuser ein. So geschehen am 14. November, als die Architektenverbände in der LVZ mal kurz anregten, den Wilhelm-Leuschner-Platz wieder ganz klassisch zu gestalten wie den einstigen Königsplatz. Das ist der Platz, auf dem ein paar Leute mit aller Macht ein Freiheits-und-Einheits-Denkmal bauen wollten.
Der Versuch, hier ein Denkmal hinzubauen, das irgendwie den ganzen Platz füllen sollte, ja nicht wie ein Denkmal aussehen durfte und irgendwie nur zeitgenössische künstlerische Formensprachen haben durfte, ist ja bekanntlich gründlich gescheitert. Offiziell so auch verkündet im vergangenen Jahr. Doch Leipzigs Verwaltung möchte gern weitermachen wie gehabt, holt die alten Workshop-Ergebnisse zum Wilhelm-Leuschner-Platz raus und möchte jetzt vom Stadtrat ein paar Leitlinien beschlossen haben, die auf der Ostseite des Platzes schnell umgesetzt werden können.
Flugs war auch wieder das 2010/2011 in einem Workshop entwickelte Konzept von Prof. Pelčák/Prof. Wolf auf dem Tisch, das von Leipziger Architekten und dem Stadtforum Leipzig schon damals heftig kritisiert wurde.
Als dann am 14. November in der LVZ der Beitrag “Architektenverbände wünschen sich den alten Königsplatz zurück“ erschien, reagierte der Linke-Stadtrat Siegfried Schlegel postwendend. Dabei wurde der Sprecher für Stadtentwicklung und Bau der Linksfraktion auch ein wenig grantelig den Leipziger Architekten gegenüber. Und mogelte sogar noch unübersehbar.
“Vor dem Hintergrund der gebetsmühlenartig wiederholten Forderung nach Wiederherstellung der nicht mehr vorhandenen Stadtstrukturen auf dem Areal des Wilhelm-Leuschner-Platzes stellt sich die Frage, ob das reale Leben an den Kritikern vorbeigegangen ist”, meinte er. “Offensichtlich wird nicht zur Kenntnis genommen, dass Leipzig wächst und dafür auch mehr öffentliche und nicht kommerzielle Freiräume in innerstädtischen Lagen braucht. Freiräume im Stadtzentrum wie am Thomaskirchhhof, in der Reichsstraße oder auf dem Richard-Wagner-Platz zeigen dies überzeugend. Markt und Augustusplatz können dies wegen ihrer Größe und überlagerten Nutzungen nur sehr begrenzt leisten.”
Und dann scheint er doch ein bisschen arg tief in die rhetorische Wortflut geraten zu sein: “Konsequenterweise, wenn auch völlig absurd, müssten die Architekten dann auch die Wiederherstellung der Struktur der Vorburg der Pleißenburg auf dem heutigen Burgplatz fordern, deren Fundamente farbig abgesetzt in der steinernen Platzfläche dargestellt sind. Man sollte meinen, so bei zeitgemäßer Platznutzung an die Geschichte erinnern zu müssen.”
Wer ist hier eigentlich der Bewahrer der Asche am Wilhelm-Leuschner-Platz?
Das dürfte ihm unter den Leipziger Architekten keine Freunde gemacht haben. Erst recht nicht, als er sich dann gar als Neuerer der Leipziger Stadtentwicklung präsentierte: “Möglicherweise ist das ‘Anbeten der Asche statt Bewahren des Feuers’ eine Ursache, warum im Ergebnis von Architekturwettbewerben und städtebaulichen Gutachterverfahren leider viel zu selten Leipziger Architekten als Planer zum Zuge kommen. Selbst in Dresden, das für seine historisierende Kulissenarchitektur häufig kritisiert wird, gibt es ernsthafte Bestrebungen, auch mit der Installation eines Gestaltungsbeirates neue Wege für zeitgemäße Gebäudearchitekturen und Stadtstrukturen zu gehen, wie dies immer stärker in den Stadtgesellschaften gefordert wird.”
Dabei hält sich doch eigentlich Leipzig immer zugute, diverse Sachverständigenbeiräte bei jedem Architekturwettbewerb hinzuzuziehen. Oft genug sitzt auch Siegfried Schlegel als Stadtrat in den Jurys, die entscheiden, welcher Entwurf nun umgesetzt werden soll. Da hat er dann entweder die falschen Entwürfe befürwortet oder er lebt dort seine Abneigung gegen Leipziger Architekten aus. Anders kann man den Satz wohl nicht verstehen.
Und dann redet er gleich mal für die ganze Fraktion, obwohl es dort mindestens eine völlig konträre Position gibt. Dazu kommen wir gleich – und auch nur deshalb zitieren wir die wirklich sehr poetische Stellungnahme von Siegfried Schlegel.
“Ausnahmslos großmaßstäblich in der Gebäudehöhe sowie den Freiräumen ist innerhalb der drei vorgesehenen Bauquartiere auch eine Kleinteiligkeit für die Linke vorstellbar, wenn dies mit der Gebäude- und Nutzungsstruktur übereinstimmt”, meinte er. “Das schließt eine vertikale Nutzungsmischung mit Wohnungen in den oberen Geschossen, außer bei Wissenschaftsbauten, ein.”
Und dann kam er auf die Riesenfläche westlich der Markthallenstraße zu sprechen (die übrigens noch existiert – die Straße ist keinesfalls verschwunden, wie Schlegel angedeutet hatte): “Die große Platzlösung ist nötig, um einen multifunktional nutzbaren und ausreichend dimensionierten Platz z. B. für das Stadtfest oder eine Weihnachtsmarkterweiterung und anderseits Grünflächen mit hoher Aufenthaltsqualität und Spielmöglichkeiten zu schaffen. Aufbauend auf den Ergebnissen der durchgeführten Workshops und Foren sowie der Bürgerbeteiligung wäre es möglich, auf einen internationalen städtebaulichen Wettbewerb zu verzichten und stattdessen Einzelwettbewerbsverfahren für die drei Bauquartiere zu organisieren.”
Kontra aus der eigenen Fraktion
Und dazu nun die ganz entgegengesetzte Position seines Fraktionskollegen William Grosser, in der Linksfraktion fürs Wirtschaftliche zuständig. Er sieht sehr wohl, dass der Pelcak-Entwurf die städtebauliche Entwicklung am Wilhelm-Leuschner-Platz stört. Und er hat deshalb einen Antrag eingereicht, der den Leitlinien-Antrag der Verwaltung komplett abändert.
Auf Pelcak / Wolf kann sich nach dem gescheiterten Denkmals-Wettbewerb eigentlich niemand mehr berufen. Gerade das Scheitern hat gezeigt, dass diese Lösung schlicht nicht funktioniert.
Aus Grossers Antrag: “Die Vorlage übernimmt die Vorschläge von Prof. Wolf / Prof. Pelčák, weil diese dem Aufstellungsbeschluss zum B-Plan Nr. 392 zugrunde gelegen haben. Inzwischen haben sich aber die Rahmenbedingungen verändert, so dass die Weiterverfolgung des städtebaulichen Vorschlages von Prof. Wolf/Prof. Pelčák einer besseren städtebaulichen Lösung im Wege stehen würde. Die folgenden Gründe sprechen gegen die Weiterverfolgung der von Prof. Pelcak/Prof. Wolf vorgeschlagenen städtebaulichen Lösung: Mit dem Freiheits- und Einheitsdenkmal am Standort Wilhelm-Leuschner-Platz ist auch die im Planverfahren formulierte Notwendigkeit für eine sehr große Platzfläche (16.000m²) zur Gewährleistung maximaler Gestaltungsfreiheit für das Denkmal entfallen. b) Das Argument, wonach der sehr große Platz für Großveranstaltungen erforderlich sei, ist fragwürdig. Das zuständige Dezernat VI trug in der Informationsveranstaltung für die Stadträte am 21.01.2015 vor, dass 6.000 m² hierfür erforderlich wären. Eine Begründung für 16.000 m² von hier aus liegt nicht vor.”
Die Argumentation von Siegfried Schlegel stimmt also hinten und vorne nicht.
Der Vorschlag der Architekten, den historischen Königsplatz in seiner Form wieder herzustellen, würde nicht nur die benötigte Veranstaltungsfläche von 9.000 Quadratmeter schaffen, er würde auch wieder eine sinnvolle Verbindung in die Südvorstadt ermöglichen – ganz im Gegensatz zu einer riesigen Grünfläche.
Er wäre auch noch 1,5 Millionen Euro billiger, weil die Stadt auf der Ostseite des Platzes keine Grundstücke kaufen müsste, um die Platzfläche noch weiter nach Osten zu erweitern. Und die künftigen Investoren im Markthallenviertel (das in den Verwaltungsvorlagen immer mit im Wilhelm-Leuschner-Platz untergebuttert wird, obwohl es gar nicht dazugehört) könnten in den ursprünglichen Baufluchten bauen und auch die noch erhalten Keller der einstigen Markthalle wieder nutzbar machen.
Allein in der Linksfraktion stehen sich also die Positionen gegenüber – und so dürfte es auch in anderen Fraktionen sein.
William Grosser hat übrigens akribisch sechs Gründe dafür formuliert, dass der alte Vorschlag von Pelcak/Wolf keinen Sinn mehr macht. Und er hat auch sechs Argumente formuliert, die für den Vorschlag der Leipziger Architekten sprechen.
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