Falsche Weichenstellungen rächen sich und holen auch den Leipziger Stadtrat immer wieder ein. So ist es auch beim Wilhelm-Leuschner-Platz. Was eigentlich der falsche Begriff ist, denn das Areal zwischen Grünewaldstraße und Markthallenstraße heißt nun mal nicht "Wilhelm-Leuschner-Platz/Ost". Aber es wurden vor Jahren Beschlüsse dazu gefasst, die jetzt auf einmal eilig werden.
“Der Stadtrat beschließt die Leitlinien für die Weiterführung des Bebauungsplanes Nr. 392 ‘Wilhelm-Leuschner-Platz/Ost'”, heißt es jetzt in einer Vorlage aus dem Planungsdezernat. Und: “Der Oberbürgermeister wird beauftragt, auf der Grundlage der Leitlinien den Entwurf des Bebauungsplanes Nr. 392 zu erarbeiten.”
Dass jetzt langsam Handlungsbedarf besteht, ist offensichtlich. Seit sieben Jahren ist das Projekt Markthalle nun in der Pipeline – und nichts geht voran, weil nicht wirklich klar ist: Kann nun gebaut werden oder nicht?
Die entscheidenden Vorgaben hat der Stadtrat schon 2008 gemacht. Wobei durchaus die Frage steht, ob die heutigen Stadtratsfraktionen wirklich alles akzeptieren müssen, was damals beschlossen wurde. Immerhin unter völlig anderen Vorzeichen – noch ohne den heute gewaltigen Bedarf an Schulen, Kitas und Sozialwohnungen. Damals war auch noch nicht klar, dass sich der in DDR-Zeiten gebaute Bowlingtreff für viele Nutzungen gar nicht eignet – für eine museale Nutzung zum Beispiel. Das hat man ja im Zusammenhang mit den Plänen fürs Naturkundemuseum untersucht – doch die klimatischen Bedingungen sind schlicht nicht für sensibles Lagergut geeignet.
“Beschlüsse der Ratsversammlung im Jahr 2008 machten Neuüberlegungen bezüglich dieses Leitbildes erforderlich”, heißt es nun in der neuen Vorlage der Stadt. Das bezieht sich auf die Tatsache, dass bis dahin die Prämisse galt, dass die alten Straßenfluchten alle wieder hergestellt werden sollen. Doch als man 2008 begann, das alte Konzept aufzuweichen, gab es sofort allerlei Ideen, die sich nicht mit dem alten Konzept vereinbaren ließen: “So wurde 2008 der Stadtratsbeschluss über den Erhalt und die Erarbeitung eines Nutzungskonzeptes für den Bowlingtreff (Stadtratsbeschluss vom 20.11.2008) gefasst. Ein weiterer Beschluss für die Schaffung von Baurecht zur Errichtung einer Markthalle wurde mit Stadtratsbeschluss vom 17.12.2008 gefasst. Beide Beschlüsse waren in der Umsetzung nicht kompatibel mit dem städtebaulichen Leitbild ‘City-Süd’ von 1991. Somit wurde eine Aktualisierung des städtebaulichen Leitbildes für das Areal Wilhelm-Leuschner-Platz notwendig.”
Und damals schon begann das Herumrühren im süßen Brei allerlei wundersame Züge anzunehmen. 2010 wurde extra eine Städtebauwerkstatt mit sechs Planungsteams durchgeführt, in der die Stadt durchaus Wert darauf legte, dass die Westseite, also der eigentliche Wilhelm-Leuschner-Platz, neue Ausmaße annahm. Und dem genügte die Arbeit der Architekten Prof. Pelčák und Prof. Wolf (Brünn/Leipzig) am besten. Der Titel, der alles sagte und dann eine der Grundlagen für den grandios gescheiterten Wettbewerb zum Leipziger Freiheits-und-Einheits-Denkmal wurde: “Der große Platz als Adressgeber für alle möglichen Nutzungen und Spielraumgeber für die Zukunft“.
“Zu dem neu erarbeiteten Leitbild fasste die Ratsversammlung am 18.05.2011 den Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan Nr. 392 (Beschluss-Nr. RBV-815/11). Mit diesem Beschluss erhielt die Verwaltung den Auftrag, den Bebauungsplan auf Grundlage des Entwurfs ‘Großer Platz’ Architekten Prof. Pelčák/Prof. Wolf zu bearbeiten. Das Stadtplanungsamt erstellte nach der Beschlusslage den Vorentwurf für den Bebauungsplan Nr. 392 ‘Wilhelm-Leuschner-Platz/Ost’. Die frühzeitige Beteiligung der Träger öffentlicher Belange und der Öffentlichkeit fand im 3. und 4. Quartal 2012 statt.”
Lang ist das her. Damals meldete sich das Stadtforum Leipzig mit deutlicher Kritik an diesen Plänen zu Wort. Immer wieder haben seither Leipziger Architekten die ausufernden Platz-Pläne kritisiert. Und wie erwähnt: Der Versuch, mit dem Leipziger Einheits- und Freiheits-Denkmal auch die ganze Platzgestaltung abzufeiern, ist gründlich in die Hose gegangen. Für den Bowlingtreff gibt es bis heute nicht die Idee einer Nachnutzung. Nur die Vision, im Areal wieder eine funktionsfähige Markthalle zu schaffen, steht fest.
Die Kritik des Stadtforums und der Architekten wurde durchaus registriert. “Dieses führte im März 2014 eine öffentliche städtebauliche Diskussionsrunde und im November 2014 einen Workshop durch. Die Ergebnisse der 4 Planungsteams wichen erheblich von den dem Bebauungsplan zugrunde liegenden städtebaulichen Ideen ab. Insbesondere wurde angeregt, sich bei der Dimension des öffentlichen Platzes an der historischen Größe des ehemaligen Königsplatzes zu orientieren.”
Im Nachgang sprachen sich dann die Mitglieder des Fachausschusses Planung und Bau mehrheitlich für die Fortführung des städtebaulichen Konzeptes von Prof. Pelčák/Prof. Wolf aus, heißt es jetzt in der Vorlage. Mit kleinen Änderungen, die jetzt mit den Leitlinien für das brach liegende Areal beschlossen werden sollen. Die Änderungen betreffen vor allem die “Erhöhung des Wohnanteils, eine Mindesthöhe für die Markthalle zum Platz, zusätzliche Vorgaben zur Nutzung und Gestaltung des öffentlichen Platzraumes und den Verzicht auf die zwingende Vorgabe von Arkaden für die platzbegrenzende Bebauung.”
Ein Kompromiss, der möglicherweise den ersten Baustart ermöglicht, aber wesentliche Probleme der Platzgestaltung nicht ausräumt. Aber vielleicht haben ja wenigstens die Architekten, die dann zum Zug kommen, ein glückliches Händchen und lassen sich vom “großen Platz” nicht irritieren.
Die Leitlinien zum Ostareal des Wilhelm-Leuschner-Platz, die jetzt beschlossen werden sollen.
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