Bis zum 9. Oktober lohnt sich für alle neugierigen Leipziger der Weg ins Neue Rathaus in die 4. Etage. Dort werden die Ergebnisse zum Architektenwettbewerb für das neue Busterminal und die Hotels auf der Ostseite des Hauptbahnhofs gezeigt. 2017, eventuell Anfang 2018 soll alles fertig sein. Leipzig hat endlich einen Busbahnhof und auf der Sachsenseite wird ein städtebauliches Loch geschlossen.

“Abstellraum” nennt Karl-Heinz Schmitz, Professor an der Bauhaus-Universität Weimar, die Fläche, die sich jetzt östlich des Leipziger Hauptbahnhofs auftut. Ein Pkw-Parkplatz der DB ist da, daneben ein Busabstellplatz, dann der Taxi-Stand. Ein städtebaulicher Nicht-Raum, über den schon seit Jahren heftig diskutiert wird.

Jetzt will die S & G Development GmbH hier auf dem 11.100 Quadratmeter großen Grundstück bauen. Das machte schon vor wenigen Wochen Schlagzeilen, denn der Entwickler will auch das in seine Pläne integrieren, was sich Leipzig seit 2013 so sehr wünscht: ein eigenes Busterminal. Zwei Jahre lang ist Leipzigs Stadtverwaltung fast verzweifelt auf der Suche nach einem Platz für die Fernbusse, die nun täglich zu Dutzenden Leipzig anfahren und in der Goethestraße nur provisorische Haltestellen haben.

Zuletzt machte auch der Stadtrat Druck, die Verwaltung solle unbedingt in Bahnhofsnähe eine Lösung finden. Die Verknüpfung der Mobilität – Bahn, Bus, Straßenbahn, Rad – war wichtig. Aber was tun, wenn die Stadt keine Flächen hat am Hauptbahnhof?

Der Glücksfall: Die S & G Development GmbH, die auf der Ostseite schon ein Sahnestück besitzt und dort plant, zwei neue Hotels zu bauen, war offen für die Anfrage der Stadt, ob auch ein Busterminal noch unterzubringen sei. Und selbst für den von Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau vorgeschlagenen Architektenwettbewerb konnte sich Dr. Ingo Seidemann, Geschäftsführer von S & G, erwärmen. Jetzt sagt er sogar: “Der Architektenwettbewerb war eine gute Idee.”

S&G-Geschäftsführer Dr. Ingo Seidemann und Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau bei der Vorstellung der Entwürfe. Foto: Ralf Julke
S&G-Geschäftsführer Dr. Ingo Seidemann und Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau bei der Vorstellung der Entwürfe. Foto: Ralf Julke

Am Montag, 28. September, wurden im Neuen Rathaus die Entwürfe aus dem Architekturwettbewerb für das S & G-Bauprojekt vorgestellt. Karl-Heinz Schmitz war Vorsitzender der Jury, die sich nicht nur für drei preiswürdige Entwürfe entscheiden konnte, sondern sogar einen eindeutigen Sieger kürte: Das renommiert besetzte Preisgericht entschied sich in einem anonymen Verfahren am 23. September im Historischen Speisesaal des Leipziger Hauptbahnhofs unter dem Vorsitz von Prof. Dipl.-Ing. Karl-Heinz Schmitz unter 13 Bewerbern aus Deutschland und Österreich für das Dortmunder Büro Gerber Architekten GmbH. Die Entwürfe von Schulz & Schulz Architekten GmbH aus Leipzig sowie von Porr Design & Engineering GmbH aus Wien erreichten den zweiten und dritten Platz.

Dabei hatte Prof. Eckhard Gerber einen echten Vorteil: Er kennt den Leipziger Hauptbahnhof noch aus Kinderzeiten. Gesehen hat er ihn 1945 – im völlig zerstörten Zustand. Vielleicht verschafft so eine historische Dimension auch den richtigen Blick für Freiflächen und Leerstellen. Denn eine Leerstelle war der “Abstellraum” auf der Ostseite des Hauptbahnhofs bis jetzt immer. Das fällt auf, wenn man sich die im Rathaus ausgestellten Entwürfe anschaut. Manche haben die Fassade ihrer Entwürfe bis dicht an die Brandenburger Straße herangerückt, manche haben sogar die Architekturgestaltung des neuen LWB-Haupsitzes aufgegriffen. Aber in allen Entwürfen wird sichtbar, dass der Hotelneubau aus der riesigen Verkehrsfläche endlich so etwas wie einen wahrnehmbaren Platz macht.

Gerber Architekten haben dabei sogar noch einen sehr zurückhaltenden Entwurf gemacht, auch die Kante des dreieckigen Grundstücks zur Brandenburger Straße nicht zugeplant. “Da haben wir wirklich eine Weile herumprobiert”, sagt Eckhard Gerber, der 1990 sogar mal den allerersten Architekturwettbewerb der DDR nach der “Wende” gewann. “Für einen Hotelneubau gleich gegenüber dem Hauptbahnhof. Das hat sich dann aber zerschlagen.”

Der Siegerentwurf mit Blickachse vom Georgiring. Visualisierung: Gerber Architekten
Der Siegerentwurf mit Blickachse vom Georgiring. Visualisierung: Gerber Architekten

Nun wird er für S & G eben gleich zwei Hotels neben dem Hauptbahnhof bauen. Sie bilden die Front nach Süden. Doch nach all dem “Herumprobieren” hat Gerber Architekten auf alle schrägen Kanten zur Brandenburger Straße hin verzichtet und zwei eigenständige Hotelwürfel entwickelt, beide klar voneinander abgesetzt und dennoch ineinander übergehend, ein Midclass- und ein Budgethotel, die nun in Bahnhofsnähe neue Angebote für Reisende schaffen. Und – wenn Prof. Gerber nicht zu viel verspricht – auch zeigen, wie gute Hotels auszusehen haben. Eins wird ein Ramada-Hotel mit 200 Betten, eins ein H2 mit 300 Betten.

Auf den ersten Blick wirkt die Fassade Richtung Süden sehr zurückgenommen. Kein städtebaulicher Hingucker, und trotzdem – so Schmitz – elegant. Aber darum gerade ging es auch Gerber. Er wollte die architektonische Wirkung der Ostseite des Hauptbahnhofes nicht  beinträchtigen. Und so wird das Bahnhofsgebäude auch künftig diese neue Platzfläche dominieren.

Und wo ist das Bus-Terminal, wollten nicht nur die Journalisten am Montag bei der Bekanntgabe wissen?

Das befindet sich künftig hinter dem Hotel, dort, wo heute noch der Parkplatz der DB-Verwaltung ist. Das Gelände will die S & G Development noch von der Bahn kaufen. Die verliert dadurch nichts. Denn die 150 Stellplätze wird sie dann auch im neu entstehenden Parkhaus wieder bekommen, das sich dann über dem Busterminal befinden wird: Im Busterminal wird es zwölf Bussteige geben, in die die abfahrbereiten Busse einfahren, dazu ein Aufenthaltsraum und ein paar Anbieter von den üblichen Dingen, die man so zum Reisen braucht: Tickets, Zeitungen, Blumen, Bockwurst … “Naja, kann auch etwas anderes sein”, sagt Ingo Seidemann. Wichtig ist: Die Busfahrgäste haben künftig ein bisschen Aufenthaltsqualität, stehen im Trockenen und riskieren auch nicht, mit vorbeifahrenden Straßenbahnen ins Gewühl zu kommen wie heute in der Goethestraße.

Im darüber entstehenden Parkhaus soll es künftig 550 Stellplätze geben, darunter die 150 fest zugesagten für die Bahn und auch bis zu 100 für die beiden benachbarten Hotels. Für die öffentliche Nutzung wird es maximal bis zu 300 frei verfügbare Stellplätze geben.

Zwischen Busterminal / Parkhaus wird eine Passage den Raum zum Hotel überbrücken. Und am Ende der Sachsenseite (das ist die Straße direkt neben dem Hauptbahnhof) wird es künftig auch noch einen Abstellplatz für die Busse geben. Darüber ist derzeit die Stadt mit der Deutschen Bahn in Verhandlung und will wohl auch das nötige Geld in die Hand nehmen, dass die Reisebusse hier hinter dem OBI-Baumarkt ordentlich abgestellt und auch gewartet werden können.

Mit dem Architektenwettbewerb wurde die erste Stufe der künftigen Gestaltung des Bauprojekts geschafft. Jetzt wird Ingo Seidemann gemeinsam mit Gerber Architekten noch an einigen Details feilen, die während des Wettbewerbs noch als Problemzonen ausgemacht wurden. Ein wichtiges Thema wird auf jeden Fall noch die architektonische Gestaltung des Parkhauses werden. Aber wer Parkhäuser kennt, weiß, dass das immer eine Herausforderung ist.

Parallel läuft jetzt das Planverfahren an, so dass im zweiten Halbjahr 2016 mit dem Bau begonnen werden kann. Mit Widerstand gegen die Baupläne und den “eleganten Architekturentwurf” rechnet Ingo Seidemann nicht mehr. Die Stadt und die engsten Nachbarn, die Bahn und das ECE Center-Management, haben schon ihr Wohlgefallen geäußert. Wenn das Bauen flott vorangeht, ist Ende 2017, Anfang 2018 mit Eröffnung der Hotels zu rechnen. “Beim Busterminal vielleicht ein bisschen eher”, sagt Seidemann. Insgesamt hat S & G für das Projekt eine Summe von 60 Millionen Euro veranschlagt.

Und wer die Entwürfe sehen will, kann das tun: Bis zum 9. Oktober sind sie in der 4. Etage des Neuen Rathauses vor Zimmer 495 ausgestellt.

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Es gibt 2 Kommentare

Na wenigstens ist es unauffällig und will nicht irgendein singuläres Aufmerksamkeitsding sein.
Und es schließt die Straßenfront der äußeren Ringseite in diesem Bereich noch ein wenig mehr ab, nach dem Neubau des LWB-Verwaltungsgebäudes. Bisher stand ja das ehemalige Hotel Continental ziemlich alleine da.

Schön zu sehen, wie einfallslos, ja banal diese Würfelarchitektur der heutigen Zeit zwischen dem was mal Architektur abbildete wirkt.
Schön wird es, schön schrecklich.

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