Seit 2013 füllt sich das Brunnenviertel in Leutzsch mit Bewohnern. Achnö, in Lindenau. Oder doch nicht? Es liegt genau auf der Grenze, so wie das Diakonissenkrankenhaus auf der anderen Seite der Georg-Schwarz-Straße. Auch deshalb wurde die neue Straßenbahnhaltestelle Diakonissenhaus zu einem Gemeinschaftsprojekt.

Die Stadt gab Geld, die Stadtbau AG, die das Brunnenviertel entwickelt, gab Geld, das Diakonissenkrankenhaus gab Geld – genug, damit die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) in die Finanzierungsplanung für den 1,3 Millionen Euro teuren Umbau gehen konnten.

Das Brunnenviertel, das sind mehrere Häuserblöcke nördlich der Georg-Schwarz-Straße, früher mal LWB-Bestand. Doch die LWB hatten ja bekanntlich jahrelang damit zu kämpfen, ihre Finanzlast zu mindern. Dazu gehörte auch der Verkauf von Gründerzeitbeständen. Die Stadtbau AG kaufte und probierte an den Wohnblöcken zwischen Georg-Schwarz- und Hans-Driesch-Straße mal etwas Neues aus: Sie baute die Wohnungen nicht nur möglichst familiengerecht um. Auch möglichst barrierearm, wie Patrik Fahrenkamp, Vorstandsvorsitzender der Leipziger Stadtbau AG, betont. Sie schmiss auch die Höfe der Häuser zusammen, so dass ein großer, gemeinsamer Innenhof entstand. Mit Grünfläche, Kinderspielplatz, Sitzgelegenheiten – quasi ein richtiger Park im Innern des Hauscarrés. Auch mehrere andere Hauseigentümer in den Wohnblöcken machten mit und fanden den Ansatz richtig, den großen Innenhof gemeinsam als Erholungsrefugium zu gestalten.

Unübersehbar: eine Handschwengelpumpe, mit der kräftig Wasser aus dem Brunnen gepumpt werden kann. Nur an diesem Montag, 3. August, beim Pressebesuch mal nicht: Die Pumpe ist kaputt, muss repariert werden. Also gibt es kein symbolträchtiges Foto mit fließendem und glitzerndem Wasser aus dem Brunnen.

Kommt daher der Name Brunnenviertel? – Nein, erklärt der Stadtbau-Chef wenig später an einem ganz anderen Ort. Zu LWB-Zeiten hatten die Häusercarrés “Leutzscher Blöcke” geheißen. “Das ging überhaupt nicht”, sagt Fahrenkamp. Dass Leutzsch aus dem Namen müsse weg, forderten die Lindenauer, die meisten Häuser stehen auf Lindenauer Flur. Lindenau geht auch nicht, sagten die Leutzscher, denn die Grenze zu Leutzsch geht mittendurch.

Also geht es an diesem heißen Montagmorgen im Gänsemarsch wieder über die Straße. Zuvor hatte man schon die Baustelle für die neue barrierefreie Haltestelle am Diakonissenhaus besichtigt. Und auch das Diakonissenhaus wird sich künftig anders darstellen.

Direkt an der Haltestelle werden auf dem Gelände des Krankenhauses die jetzigen Parkplätze verschwinden. Dafür werden zusätzliche Sitzgelegenheiten quasi im Zugang zum Krankenhaus eingestellt.

Einen halb öffentlichen Raum nennt es Leipzigs Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau. Und verweist auf den dennoch schmal bleibenden Bürgersteig an der Haltestelle nach dem Umbau. Die Georg-Schwarz-Straße ist eine der schmalsten Magistralen in Leipzig. Also will das Diakonissenkrankenhaus an dieser Stelle den Raum erweitern und nicht nur Patienten und Besuchern hier zusätzliche Sitzgelegenheiten anbieten. Auch die Anwohner sollten hier eine kleine Ruheinsel finden, sagt Dr. Michael Kühne, Geschäftsführer der Ev. Diakonissenkrankenhaus Leipzig gGmbH. Es wird zusätzliches Grün angepflanzt und es sollen auch deutlich mehr Fahrradbügel aufgestellt werden.

Im Park des Diakonissenkrankenhauses: Links der kleine Teich, davor die Plastik "Gallionsfigur 62" von Reinhard Rösler. Foto: Ralf Julke
Im Park des Diakonissenkrankenhauses: Links der kleine Teich, davor die Plastik “Gallionsfigur 62” von Reinhard Rösler. Foto: Ralf Julke

Und auch die Malerarbeiten an der angrenzenden Krankenpflegeschule (dem einstigen Pförtnerhaus) gehören zur Aktion schöneres Entrée fürs Diako. Und dabei soll es nicht bleiben. Denn auch den eigenen kleinen Park will das Diakonissenkrankenhaus für die erholungs- und schattensuchenden Anwohner öffnen. “Sie wissen ja, wie wenig Grünanlagen hier in der Gegend sind”, sagt Dubrau. Und ist regelrecht begeistert. Ein kleiner Teich versteckt sich zwischen Bäumen.

Das ist der Platz, so erzählt Fahrenkamp, wo die Idee zum Brunnenviertel geboren wurde. Wasser als Anregung. “Hier gab es früher Kiesgruben, Sandgruben, einen Teich und auch – etwas von hier entfernt – ein Bad”, zählt er auf. So wird die Geschichte des Ortes mit aufgenommen. Und das Brunnenviertel kann straßenübergreifend begriffen werden.

Noch einer schwärmt an diesem Sommertag: Christoph Möllering, der zweite Geschäftsführer der Ev. Diakonissenkrankenhaus Leipzig gGmbH. Er schwärmt vom internationalen Bildhauersymposium, das das Diakonissenkrankenhaus 2014 im eigenen Park veranstaltet hat. Damals hat man acht Bildhauer aus Japan, Ecuador, Polen und Deutschland eingeladen, im Park ihre Skulpturen zu schaffen. Das Motto war: “Infiziert – Kunst im Park”. Ein bisschen schwierig ist der Spagat schon, vom Mediziner-Wort infiziert zu einer Formel wie “von Kunst infiziert” zu kommen. Aber auch das Positive am Wort Infektion sollte thematisiert werden, so Möllering. Bis hin zur Formel von der heilenden Wirkung der Kunst.

Die Ergebnisse des Symposiums stehen heute dort, wo sie entstanden sind, mitten im Park – als schlanke Säule mit nacktem Frauentorso direkt am Teich Reinhard Röslers  “Gallionsfigur 62”, als Holzfigur, die an ein sich umarmendes Liebespaar erinnert, Helene Garcia Morenos “Ohne Titel” auf der anderen Seite des Teichs oder – auf einem Hügel in der Nähe – José Antonio Cauja “Transcendental”, eine weiße Sandsteinplastik, die irgendwie wie ein großes Auge aussieht, eine Muschel, ein Sessel – transzendental eben.

Der kleine Park wird auch von den Bewohnern des nahen Altenheims und ihren Besuchern gern genutzt. Mit dem Innenhof im Hausquartier gegenüber hat er gemein: Hier ist es still. Der Straßenlärm ist abgeschottet. Die neue Haltestelle am Diakonissenhaus wird Nord und Süd an dieser Stelle verbinden.

“Den Zugang an der Haltestelle werden wir im September, Oktober umgestalten”, kündigt Kühne an. Wenn die Straßenbauarbeiten beendet sind. Rund 50.000 Euro will das Diako in diesen Teil der Öffnung zur Straße hin investieren. Und einen Termin, so Möllering, könnten sich alle schon vormerken: Am 9. September wird auch die für 6 Millionen Euro neu gebaute Intensivstation des Krankenhauses eingeweiht. “Aus eigenen Mitteln finanziert”, betont Möllering. Obwohl es Landesaufgabe ist, solche Investionen zu unterfüttern.

Man hätte es bei diesem Spaziergang im Leipziger Westen fast vergessen: Wir sind in Sachsen.

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