Es sieht ja ganz danach aus, dass der Antrag der acht Mitglieder des Wirtschaftsausschusses, der die Verwaltungsvorlage zum Umbau der Georg-Schumann-Straße aushebeln will, in der Ratsversammlung am 17. Juni keine Mehrheit findet. Obwohl auch Stadträte von SPD und Linkspartei ihn unterschrieben haben. Zu deutlich torpediert er das, was die Anwohner der Georg-Schumann-Straße seit drei Jahren als eine Wiederauferstehung der Straße erleben.
Aber da gleich Stadträte aus drei Fraktionen den Gegenantrag unterschrieben haben, waren auch die Akteure in der Georg-Schumann-Straße aufs höchste alarmiert. Am Freitag, 12. Juni, luden sie deshalb – nachdem sie schon einen Offenen Brief geschrieben hatten – auch zu einem Pressetermin in das Infozentrum Georg-Schumann-Straße 126. Da sitzt das Magistralenmanagement, das auch die Bürgerbeteiligungen rund um die Georg-Schumann-Straße organisiert. Hier sind auch die Planungen für den Umbau des Abschnitts zwischen S-Bahnhof Möckern und Huygensplatz ausgestellt. Samt der barrierefreien Haltestelle, die vor der Axis-Passage entstehen soll und die bisherige provisorische Haltestelle ablösen soll.
Und besonders verblüfft über den Vorstoß der acht Stadträte aus dem Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit ist Steffen Mildner, Sprecher des Magistralenrates der Georg-Schumann-Straße. Im Magistralenrat sind vor allem die direkt Betroffenen versammelt – Anwohner, Vereine, Einzelhändler und Hauseigentümer. Alle, die sich das Elend der Straße, die durch Gohlis, Möckern und Wahren führt, seit Jahren angeschaut haben. Hoffend und bangend. Denn hier war in den 1990er Jahren wie in der Delitzscher und der Prager Straße der Komplettumbau der Straße mit separierten Gleisen und Inselhaltestellen geplant. Stichwort: Stadtbahnausbau. Der sollte mal bis 2006 durchgezogen werden. Doch für die Georg-Schumann-Straße ist das Projekt schon lange vom Tisch.
Beschleunigung macht eine Straße nicht attraktiv
Auch weil man gerade bei den Leipziger Verkehrsbetrieben (LVB) gelernt hat, dass die reine Beschleunigung, die im Stadtbahn-Ausbau steckt, eine Geschäftsstraße kaputt macht. Sie frisst jede Menge Platz, denn wenn die Straßenbahn separate Gleise hat, dann ordnen sich Fahrspuren und Radstreifen logischerweise daneben ein. Für Parkstreifen oder breite Fußwege bleibt kein Platz. Aufenthaltsqualität Null. Das Wort fällt mehrmals bei diesem Gespräch. Es spielt eine wichtige Rolle in allen Umbauplänen der letzten Jahre. Erst recht seit 2012, als das Baudezernat erstmals testweise eine neue Straßenraumaufteilung auf den Asphalt malen ließ.
2012 war der neu gebaute nördliche Abschnitt der B6 (Neue Hallesche Straße, Travniker Straße / Max-Liebermann-Straße) in Betrieb gegangen. Die Georg-Schumann-Straße konnte ihre Rolle als Schnellstraße und Bundesstraße abgeben. Und es war tatsächlich die CDU-Fraktion, die damals eine zeitnahe Umsetzung für den neuen Straßenraum beantragt hatte. Die Stadt gehorchte. Und eine Revolution geschah, eine kleine. Die Straße blühte auf. Neue Händler siedelten sich an, einige Haussanierungen kamen in Gang.
Der Abschnitt zwischen S-Bahnhof und Huygensplatz wäre der erste, in dem die neue Struktur der Straße auch baulich umgesetzt wird. In mehreren Varianten diskutiert, wie Jochen Gauly vom Magistralenmanagement betont – mit Haltestelleninsel, mit Haltestellenkap. “Am Ende haben sich alle auf das Haltestellenkap geeinigt”, sagt Gauly. “Das ist eindeutig die beste Lösung an dieser Stelle.” Die Haltestellen liegen direkt am Fußweg an. Der Fußweg muss nicht beschnitten werden. “Was für die Händler an der Stelle einfach wichtig war”, so Gauly. Breite Fußwege animieren nicht nur zum Zufußgehen und Schaufensterangucken – Händler können hier auch ihre Waren nach draußen stellen, Imbissbetreiber einen kleinen Freisitz schaffen. “Basargefühl”, nennt es Carsten Schulze vom Pro Bahn e. V., der die Akteure bei der Diskussion der Varianten unterstützt. Dieses Basargefühl verändert das Flair einer Straße.
Über die “immer wieder angeführte” Karl-Liebknecht-Straße wollte man an diesem Tag eigentlich nicht reden. Aber sie drängte sich immer wieder von selbst ins Gespräch, denn bevor die “Karli” ab 1992 umgebaut wurde, war sie genauso trist wie die Georg-Schumann-Straße.
Steht aber die 2012 aufs Pflaster der “Schumi” gemalte Straßenraumaufteilung zur Disposition? Sind die Händler und Gewerbetreibenden damit unzufrieden?
“Wir haben damals intensive Gespräche mit den Gewerbetreibenden gesucht”, sagt Gauly. “Vor und nach der Umgestaltung. Natürlich gab es bei einigen Kritik, weil nun auf einmal ihr vorher illegaler Parkplatz auf dem Fußweg weg war. An ungefähr 20 Stellen haben wir in intensiven Gesprächen Nachbesserungen erreicht.” Die Gewerbetreibenden an der Straße sind zufrieden.
“Wirtschaftsverkehr” gegen Gewerbetreibende vor Ort?
Eigentlich doch ein Pluspunkt für den Wirtschaftsausschuss? – Dort war auch Steffen Mildner am 9. Juni eingeladen, erinnert sich aber an eine sehr aggressive Befragung. “Da ging es nur um Durchgangsverkehr, um nichts anderes”, sagt er. “Welche wirtschaftliche Entwicklung die Straße selbst genommen hat, hat dort augenscheinlich niemanden interessiert.”
Das Phantom “schneller Wirtschaftsverkehr” wird also gegen die tatsächlichen wirtschaftlichen Interessen in der Straße ausgespielt. Nicht nur gegen die von Gastronomen, Gemüsehändlern, Pizza-Diensten und Döner-Läden. Auch die der Hausbesitzer, von denen viele zögern, ihr Haus zu sanieren. Nicht nur sie sind verunsichert. “Auch die Banken fragen sich, warum sie an der Georg-Schumann-Straße Geld riskieren sollen, wenn die Zukunft derart unsicher ist”, sagt Mildner. Denn wenn die “Schumi” doch wieder zur Schnellstraße werden soll, ist Wohnen hier denkbar unattraktiv. Bestes Beispiel: Just der Abschnitt zwischen S-Bahnhof und Wiederitzscher Straße, wo das Infobüro des Magistralenmanagements liegt. Hier ist die Straße noch vierspurig wie 1990, als die Georg-Schumann-Straße schon ein Musterbeispiel der Schnellstraßentristesse war.
Nicht der einzige Abschnitt, wo Händler sich lieber nicht trauen, die alten Ladengeschäfte zu bespielen. “Es geht um das Wiederauferstehen des kleinen Handels”, sagt Karl-Heinz Gröger vom Bürgerverein Möckern-Wahren. Und der abschnittsweise Umbau der Straße dient genau diesem Ziel.
“Aber auch das findet die Zustimmung der Akteure vor Ort”, sagt Gauly.
Aber bremst das nicht doch den Verkehr aus? Manche Leute haben es doch einfach eilig?
Wer bremst eigentlich wen aus?
An der neuen Haltestelle müssen sich Kraftfahrzeuge, wenn die Straßenbahn in die Haltestelle einfährt, hinter der Tram einordnen und warten. “Es gibt keinen Stau auf der Georg-Schumann-Straße”, sagt Schulze. “Das ist ein Trugschluss.” Auch jetzt müssen Autofahrer halten und warten, wenn die Straßenbahn an der Haltestelle Huygensstraße einfährt. 30 Sekunden, manchmal noch länger. Binnen kurzer Zeit sammelt sich eine Autoschlange an der Ampel. Und fließt wieder ab, wenn die Ampel auf Grün springt. Selbst bei einer Beibehaltung eigener Fahrspuren wäre es nicht anders, sagt Schulze. “Es ist nur ein gefühltes Fließen des Verkehrs. An der nächsten Ampel trifft man sich wieder.”
Dafür bremsen die Haltestelleninseln, die der Antrag der acht Stadträte so favorisiert, die anderen Verkehrsarten aus. Vor allem den Fußgängerverkehr, denn jetzt brauchen die Fußgänger mehrere Ampelschaltungen, um die Kreuzung an der Haltestelle zu überqueren. “Ergebnis”, so Schulze, “diese Haltestellen werden nicht angenommen.” Schlecht für die Händler an der Straße. Dafür hätten sich die Haltestellenkaps bewährt. Und zwar auch an Straßen, auf denen es flott zugeht. Jüngste Beispiele kann man in der Bornaischen Straße besichtigen. Von Stau ist dort seit vollendetem Umbau keine Rede.
Die Diskussion, so die einmütige Einschätzung der Akteure an der Georg-Schumann-Straße, ist eher eine Scheindiskussion. Die vor allem die Entwicklung der Straße blockiert, wenn der Umbau des Abschnitts Huygensplatz / S-Bahnhof nun doch noch ausgebremst wird. Jochen Gauly: “Ein Zickzackkurs wäre für die Entwicklung der Straße eine Katastrophe.”
Keine Kommentare bisher