Seit März spaziert die Vorlage des Planungsdezernats zum Umbau der Georg-Schumann-Straße durch die Gremien. Vom 29. Februar bis 16. Dezember 2016 soll die Straße auf 310 Meter Länge zwischen der Huygensstraße und der S-Bahn-Station Möckern umgebaut werden. Jetzt beantragen acht Stadträte fraktionsübergreifend, das Vorhaben gründlich zu ändern. Man könne auf einer Hauptstraße nicht schon wieder einfach so den Verkehr ausbremsen.

Der kurze und bündige Antrag: “Der Stadtrat verweist die Vorlage an die Verwaltung zurück, mit der Maßgabe, die Planung so zu verändern, dass in beiden Fahrrichtungen jeweils eine separate Spur für den motorisierten Individualverkehr vorgesehen wird.”

Denn genau das ist nicht geplant. Derzeit regelt eine provisorische Ampel an der Haltestelle Huygensstraße, dass Fußgänger hier die Straße überqueren können.

Künftig soll es an der Stelle beidseitige Haltestellencups geben, die die Fahrbahn auf 7,40 Meter Breite zusammendrücken, so dass Kraftfahrzeuge die Straßenbahn nicht mehr überholen können. Sie müssen sich einspurig hinter der Straßenbahn einfädeln. Die Radfahrstreifen werden über die Haltestellencups geführt. Dass die Planer von Stadt und LVB die Querungsmöglichkeiten für den Radverkehr überhaupt nicht bedacht haben, hat die L-IZ schon im April kritisiert.

Um so verblüffender ist das Tempo, mit dem die Verwaltung jetzt die Zustimmung des Stadtrates für das 1,6-Millionen-Euro-Projekt haben möchte.

Die neun Stadträte aus der SPD-, der CDU- und der Linksfraktion gehen zwar nicht auf die Nicht-Integration des Projekts in die Querverbindungen der Georg-Schumann-Straße in die angrenzenden Wohngebiete ein, sie benennen nur das Thema Durchlässigkeit für den Kfz-Verkehr. Aber damit äußern sie auch die Tatsache, dass hier wieder einmal nur am Reißbrett geplant wurde.

Auch wenn die Planer aus dem Verkehrs- und Tiefbauamt sicher sind, dass sie etwas Gutes entwickelt haben: “Mit der Baumaßnahme sollen diese Mängel beseitigt und folgende Ziele erreicht werden: Beschleunigung des ÖPNV sowie sicherer und behindertengerechter Fahrgastwechsel – leistungsfähige und störungsarme Abwicklung von Kfz-Verkehr und ÖPNV – Gewährung der notwendigen Leistungsfähigkeiten für den motorisierten Individualverkehr – Ablösung des Provisoriums durch eine stationäre Fußgängerlichtsignalanlage – endgültige Herstellung von Radverkehrsanlagen und Stellplätzen – stadtgestalterische Aufwertung des Straßenraumes.”

Warum ausgerechnet vor der Axis-Passage wieder Stellplätze eingerichtet werden sollen, erschließt sich wahrscheinlich nur im Kosmos der Planer – die Passage hat eine eigene große Tiefgarage. Hier könnte für die Anlage einer Haltestelleninsel und freie Fahrspuren rechts und links durchaus auf Parkplätze verzichtet werden. Stattdessen will man aus dem verengten Straßenraum heraus eine Zufahrt in die Axis-Passage legen. Die Stadt erklärt zwar immer wieder vollmundig, sie sei nicht dafür verantwortlich, Stellplätze im öffentlichen Raum herzustellen – doch mit jeder Planung zeigt sie, wie sehr sie die “Reichsgaragenordnung” verinnerlicht hat. Die auf der Südseite der Straße vorgesehenen Stellflächen fressen allein 2,50 Meter des insgesamt 20,5 Meter breiten Straßenraumes.

Dass das Projekt in dieser Form gleich Stadträten aus drei großen Fraktionen sauer aufstößt, das sollte den Planern zu denken geben, die sogar im Text der Vorlage schon Druck machen, weil sie es auf einmal ganz eilig haben: “Mit dem Ausschreibungsverfahren muss im Oktober 2015 begonnen werden, um im Februar 2016 mit dem Bau beginnen zu können. Damit sind trotz ggf. vorläufiger Haushaltsführung die Mittel bis spätestens nach Ausreichung des Zuwendungsbescheides freizugeben.”

Für die SPD-Fraktion bekunden nun Heiko Bär, Nicole Wohlfahrt und Andreas Geisler, dass es so nicht geht, für die CDU-Fraktion sind es Frank Tornau, Gerd Heinrich und Stefan Georgi und für die Linksfraktion William Grosser und Alexej Danckwardt.

Und dabei berufen sie sich – wohl auch zu Recht – auf den 2014 so heftig diskutierten Stadtentwicklungsplan (STEP) Verkehr: “Die Georg-Schumann-Straße ist eine Hauptverkehrsstraße mit innerörtlicher und überörtlicher Verbindungsfunktion. Hierbei ist in besonderem Maße eine Abwägung zwischen Anliegerinteressen und Interessen des Durchgangsverkehrs geboten. Die Vorlage stellt jedoch einseitig die Aufenthaltsqualität vor die Verbindungsfunktion. Dies ist gerade im Hauptstraßenbereich unangemessen und unausgewogen.

Auch der beschlossene STEP Verkehr legt fest, dass die Leistungsfähigkeit des Hauptstraßennetzes zu sichern ist, um die Wohngebiete vom motorisierten Individualverkehr (MIV) zu entlasten. Diese Leistungsfähigkeit wird durch die Einspurigkeit für jede Fahrtrichtung bei gleichzeitiger Mischnutzung von MIV und ÖPNV vermindert. Die Vorlage widerspricht damit den Forderungen des STEPs Verkehr.

Darüber hinaus stellt die Vorlage keine Verbesserung der ÖPNV-Verbindung dar. Im Gegenteil: Unter den von der Verwaltung eingeräumten Fahrzeugstaus in den Stoßzeiten wird auch die Attraktivität des ÖPNVs leiden. Auch dies widerspricht den Forderungen des STEPS Verkehr.”

Die Vorlage der Stadt.

Der fraktionsübergreifende Antrag, die Vorlage zurückzuweisen.

Korrekturhinweis, 2. Juni: In einer vorherigen Variante des Text es haben wir die fehlende Bürgerbeteiligung kritisiert.  Dabei haben wir die Informationsveranstaltung am 26. November unterschlagen. Nach einem Leserhinweis haben wir das jetzt korrigiert. Es gibt auch eine Seite im Webauftritt der Stadt, die über das Bauprojekt informiert (siehe unten).

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