Ein Riss geht durch den Leipziger Stadtrat. Zumindest, wenn es um Verkehr geht und die zukunftsfähige Gestaltung der Stadt und ihrer Straßen. Das wurde im Herbst 2014 deutlich, als ein Streit um den "Modal Split" im Stadtentwicklungsplan Verkehr entbrannte. Das wird aber auch deutlich mit dem Antrag von acht Stadträten aus dem Wirtschaftsausschuss, die eine komplette Änderung der Pläne für die neue Haltestelle auf der Georg-Schumann-Straße wollen.

Der Antrag sorgt gerade in Möckern und Gohlis rund um die Georg-Schumann-Straße für Verwirrung, weil er die unübersehbar positive Entwicklung, die die alte Geschäftsstraße seit 2012 genommen hat, in Frage stellt. Damals wurde die Fahrbahnmarkierung aufgebracht, die aus der einstigen Bundesstraße ohne jegliche Aufenthaltsqualitäten eine Straße mit deutlich mehr Platz für parkende Autos, aber auch für geregelte Fahrradstreifen gemacht hat. Gerade diese Fahrradstreifen werden seither von der Bevölkerung sichtbar angenommen. Die Straße wirkt entschleunigter, neue Händler haben sich angesiedelt, das Quartiersmanagement geht gezielt auf Suche nach neuen Räumen für interesssierte Nutzer.

Noch wird die Straße trotzdem oft genug zum rasanten Fahren genutzt. Und die Kreuzungsregelungen in die benachbarten Wohngebiete sind teilweise grauenvoll. Das ist auch am Huygensplatz ein Thema, wo gerade die Einfahrt in die Huygensstraße ein verkehrsplanerischer Kinderstreich ist.

Aber auch mehrere Leserrückmeldungen betonten seit Veröffentlichung des Vorstoßes aus dem Wirtschaftsausschuss, dass es gerade im betroffenen Straßenabschnitt der Georg-Schumann-Straße keinen Dissens gibt über das neue Haltestellenprojekt, das aus der bislang provisorischen Haltestelle vor der Axispassage eine moderne, barrierefreie Haltestelle machen soll. So betont es auch Steffen Mildner als Sprecher des Magistralenrates der Georg-Schumann-Straße: “Im Stadtrat wird am 17. Juni sicher nicht nur die Planung für die Haltestelle am Arbeitsamt diskutiert, sondern auch das damit verbundene Gesamtkonzept der Revitalisierung der Georg-Schumann-Straße. Dies ist eine wichtige Thematik für die gesamte Stadt Leipzig, da die Georg-Schumann-Straße als frühere Wohn- und Geschäftsstraße für die drei Stadtteile Gohlis, Möckern und Wahren mit zusammen über 60.000 Einwohnern hoffentlich auch in Zukunft wieder diese Funktion übernehmen wird.”

Der Vorstoß, die Verkehrsraumaufteilung in der Georg-Schumann-Straße wieder auf den Prüfstand zu stellen, kommt von der CDU-Fraktion, die seit 2012 immer wieder ihren Unmut über die Radfahrstreifen äußert, die den Kfz-Verkehr teilweise auf die Gleise der Straßenbahn drängen. Doch zu einer einschneidenden Behinderung der Straßenbahn kommt es dabei nicht, hatte die Stadtverwaltung erst kürzlich in einer Stellungnahme festgestellt. Und wenn es durch Rückstau zu Behinderungen kommt, dann zumeist nur kurzfristig zu Stoßzeiten. Die Stellungnahme der Stadt machte auch deutlich, dass man keineswegs bereit sei, den gewonnenen Freiraum für den Radverkehr, der von den Anwohnern gern genutzt wird, jetzt wieder zu beseitigen.

Immerhin hat auch der Antrag aus dem Wirtschaftsausschuss das Thema Beschleunigung des motorisierten Verkehrs ins Zentrum gerückt. Doch wenn man – wie gewünscht – eine Fahrbahn rechts und links der dann notwendigen Haltestelleninsel frei hält für den Kfz-Verkehr, dann bleibt zwangsläufig kein Platz mehr für die Radfahrstreifen. Der Versuch, den Autoverkehr gegenüber der Straßenbahn wieder zu beschleunigen, führt dazu, dass für Radfahrer wieder ein neues Loch im Wegenetz entsteht.

Und auch zwischen S-Bahnhof und Huygensplatz gehe es jetzt nicht um Wieder-Beschleunigung des Kfz-Verkehrs, sondern um neue Aufenthaltsqualität, betont jetzt ein Offener Brief, den die Vertreter des Fördervereins Georg-Schumann-Straße, der Bürgervereine Gohlis und Möckern-Wahren, des Fahrgastverbands Pro Bahn und des Magistralenrats gemeinsam geschrieben haben.

Sie kritisieren, dass die acht Stadträte aus dem Wirtschaftsausschuss mit der notwendigen Beschleunigung des Durchgangsverkehrs argumentieren, obwohl der seit 2012 auf der extra dafür gebauten Nordroute der B6 über die Max-Liebermann-Straße fahren sollte. Der Abschnitt wurde extra gebaut, um die Georg-Schumann-Straße vom Durchgangsverkehr zu entlasten und dort eine lebendige Straßenentwicklung mit mehr Händlern und auch wieder mehr bewohnten Häusern zu eröffnen. Und auch die schon ansässigen Gewerbetreibenden wissen – so hat es ja auch das Magistralenmanagement abgefragt – die neuen Stellflächen vorm Laden, die neuen Bäume, den Platz für Auslagen und die bessere Erreichbarkeit durch ÖPNV, Fußgänger und Radfahrer zu würdigen. Denn im Gegensatz zu den großen Einkaufszentren und Discountern, die besonders für Autofahrer attraktiv sind, leben kleine Händler und Gewerbetreibende an so einer Straße vor allem von Laufkundschaft, auch von Straßenbahn-Fahrgästen. Der Ladenbesatz rund um die existierenden LVB-Haltestellen ist besonders dicht.

Dass der Antrag der acht Wirtschafts-Stadträte dazwischenfunkt, gefährdet natürlich die Fördergelder und den Baubeginn für 2016. Weshalb die Schreiber des Offenen Briefes im Stadtrat unbedingt den Beschluss der Vorlage der Stadtverwaltung fordern, die im November bei einer öffentlichen Veranstaltung in der Arbeitsagentur vorgestellt und diskutiert worden war. Die L-IZ hat den damaligen Termin zwar auch nicht geschafft, aber die Rückmeldung einiger Leser spricht von einer Zustimmung der direkt Betroffenen zum Bauprojekt.

Der Offene Brief an den Leipziger Stadtrat.

Der Mittelteil der Planungen für den neuen Straßenabschnitt.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar