Was geht da eigentlich im Norden vor? Scheinbar Rätselhaftes, wenn man den Vorstoß von acht Stadträten aus dem Wirtschaftsausschuss des Leipziger Stadtrates sieht: Die LVB wollen eine neue barrierefreie Haltestelle bauen und der Verkehr wird ausgebremst. Oder doch nicht? Während zwei Linke-Stadträte den Antrag mit unterschrieben haben, sagt die Linke-Fraktion selbst: Wir unterstützen den Umbau.

“Die Linke wird mehrheitlich dem Vorschlag der Verwaltung zur Umgestaltung der Georg-Schumann-Straße zustimmen”, betont Franziska Riekewald, die verkehrspolitische Sprecherin der Linksfraktion. “Sie wurde von der Verwaltung jahrelang als Schmuddelkind behandelt und der Umbau zu einer attraktiven Straße immer wieder verschoben. Nun endlich geht es Stück für Stück mit der Straße voran. Sollte der Änderungsantrag aus dem Wirtschaftsausschuss eine Mehrheit finden, würde dieser Prozess erneut gestoppt. Dies ist nicht in unserem Sinn, denn die Umgestaltung zu einer attraktiven Geschäftsstraße muss endlich zügig vorankommen.”

Sie lässt ihr Unverständnis über die Beteiligung zweier Linke-Stadträte an dem Vorstoß, das Projekt jetzt zu stoppen, weil dadurch der motorisierte Verkehr gebremst werden könnte, durchblicken, wenn sie sagt: “Der jetzt von der Verwaltung vorgelegte Kompromiss wurde im Vorfeld mit vielen Akteuren vor Ort in mehreren Workshops und Bürgerveranstaltungen intensiv besprochen und stößt nun auf breite Zustimmung. Die Einwohner, die Gewerbetreibenden und auch die Hauseigentümer an und um die Georg-Schumann-Straße wünschen sich eine möglichst zeitnahe Aufwertung ‘ihrer Schumi’. Die Linke hält es für geboten, eine solch umfangreiche Bürgerbeteiligung zu würdigen und zu respektieren.”

Denn oft genug wird vergessen, dass die Georg-Schumann-Straße 20 Jahre lang das Stiefkind der Leipziger Stadtentwicklung war. Sie war im Lauf der Zeit zur teilweise vierspurigen Durchgangsstraße geworden. Selbst der Umbau im östlichen Teil der Straße mit separatem Gleisbett und Haltestelleninseln konnte den Verfall der Straße nicht aufhalten. Eine Straße, die vor allem als schnelle Verbindung in die City begriffen wird, aber selbst keine Aufenthaltsqualitäten bietet, wird auch für Hausbesitzer und Ladenbetreiber zum Desaster. Jahrelang wurde in Leipzig heftig darüber diskutiert, wie man die großen Magistralen wieder mit Leben erfüllen kann.

Erst seit 2012 zeigen sich an der Georg-Schumann-Straße die Tendenzen, dass wieder Leben in die Bude kommt. Gerade die von der CDU so heftig kritisierte Straßenraumaufteilung hat die Situation verbessert. Denn nicht die durchrasenden Autofahrer bringen Leben in eine Straße, sondern die Autofahrer, die auch mal ranfahren und parken können, die Radfahrer, Fußgänger und die Fahrgäste der Straßenbahn, die problemlos ein- und aussteigen können. Das sind die Kunden für kleine Läden, Bars, Bistros, selbst Döner-, Eis- und Pizzabuden. Sie bringen Leben in die Straße.

Und die Haltestelle nach dem seit 2008 in der Rödelstraße erprobten Muster bringt auch vor der Axis-Passage viel mehr Leben in den Straßenraum, findet Riekewald: “Der jetzt vorgelegte Vorschlag ist sinnvoll, da er die Aufenthaltsqualität der Georg-Schumann-Straße deutlich erhöht. Durch die B6(neu) gibt es eine gute Ausweichroute für den Durchgangsverkehr. Gerade deshalb sollte bei der Straßengestaltung die Entwicklung des Stadtgebietes, hin zu einer attraktiven Straße, im Vordergrund stehen und nicht der durchrollende Verkehr. Die Linke wird alles tun, um diesen Prozess zu unterstützen.”

Und auch der Bürgerverein Gohlis. e.V. fordert die Stadträtinnen und Stadträte auf, der Vorlage der Verwaltung zum Ausbau der Haltestelle S-Bahnhof Möckern zur Ratsversammlung am 17. Juni zuzustimmen.

Dazu der Vorsitzende des Bürgervereins, Peter Niemann: „Leipzig ist eine wachsende Stadt. Diese Tendenz macht sich auch auf der Georg-Schumann-Straße bemerkt. Schließlich haben die Vereine und Gewerbetreibenden sowie auch die Bürgerinnen und Bürger der Stadtbezirke Nord und Nordwest in einem jahrelangen Prozess gemeinsam darauf hingearbeitet, dass Konsens bezüglich des Ausbaus herrscht und so mit dazu beigetragen, dass ihre Magistrale aufgewertet wird. Diese positive Entwicklung würde mit einer Befürwortung des eingereichten Änderungsantrages durch den Stadtrat um Jahre zurückgeworfen.“

Auch der Bürgerverein Gohlis e.V. befindet sich in einem intensiven Austausch mit eben den Gremien, welche sich seit jeher intensiv um gute Strategien zur Aufwertung der Georg-Schumann-Straße bemühen, betont er.

“Gemeinsam mit dem Magistralenmanagement haben wir beispielsweise in der Vergangenheit mit allen Gewerbetreibenden auf der Georg-Schumann-Straße das Gespräch gesucht und diese nach deren Wünschen für die Ausgestaltung der Straße befragt. Deren Anliegen wurde in großen Teilen von der Verwaltung aufgenommen. Somit spiegelt das vorliegende Konzept zum sequentiellen Ausbau der Georg-Schumann-Straße auch genau das wieder, was die Wirtschaft vor Ort möchte”, betont Niemann. “Es ist für uns schlicht nicht nachvollziehbar, dass eine kleine Gruppe von Stadträt_Innen, die überwiegend keinen Bezug zu den betroffenen Stadtteilen haben, nun versucht, die positiven Entwicklungen unserer Magistrale infrage zu stellen. Zumal sich keiner dieser Stadträt_Innen im Vorfeld mit den Akteur_Innen vor Ort ins Vernehmen gesetzt hat. Funktionierende Bürgerbeteiligung wird hier ad absurdum geführt.“

Und auch die SPD-Fraktion wird den beiden Vorlagen des Verkehrs- und Tiefbauamtes zur Georg-Schumann-Straße und zur zeitgleich vorgestellten Georg-Schwarz-Straße in der Ratsversammlung am Mittwoch, 17. Juni, mehrheitlich zustimmen, teilte sie am Freitagnachmittag mit.

„Sowohl die zukünftige Haltestelle in der Georg-Schumann-Straße als auch die hintere Georg-Schwarz-Straße werden moderne und zeitgemäße Verkehrsanlagen bekommen, die allen Verkehrsteilnehmern Rechnung tragen wird“, erklärt Mathias Weber, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. “Die Herausforderung der Verkehrsplanung besteht darin, den beschränkten Platz zwischen den Häuserwänden so zu nutzen, dass Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV), Fuß-, Rad- und Kfz-Verkehr, sowie Aufenthaltsqualität gleichermaßen berücksichtigt werden. Das verlangt von den Planern einiges an Kreativität, zumal wir als SPD-Fraktion auf allen Hauptverkehrsstraßen ein sicheres Vorankommen der Fahrradfahrer, wie es die Richtlinien fordern, unterstützen.”

In der SPD-Fraktion sieht man mittlerweile die Vorgänge um die Georg-Schumann-Straße und die Georg-Schwarz-Straße in ähnlichem Seitenlicht. In beiden Fällen kommen Straßenplanungen unter Beschuss, die auch alternativen Verkehrsarten endlich ein bisschen Platz einräumen und die Aufenthaltsqualität verbessern.

“In der Georg-Schwarz-Straße sehen wir im Kurvenbereich zwischen William-Zipperer- (Leutzsch Arkaden) und Hans-Driesch-Straße (Leutzscher Rathaus) noch Nachbesserungsbedarf. Hier wurde zugunsten des Kfz-Verkehrs und des ÖPNV auf die Radfahrstreifen verzichtet. Deshalb beantragen wir Radfahr-Piktogramme zwischen den Gleisen aufzutragen und am Anfang und am Ende dieses Abschnittes soll der Einsatz von Gummis in die Straßenbahnschienen, um die Gefahr von Stürzen bei einem Spurwechsel der Fahrradfahrer zu minimieren, geprüft werden“, kommentiert Weber den Korrekturbedarf am Projekt Georg-Schwarz-Straße.

„Das dichte Nebenstraßennetz mit freien Parkplätzen in der hinteren Georg-Schwarz-Straße lässt es zu, landwärtig auf Kfz-Parkflächen verzichten zu können“, ergänzt der örtliche Stadtrat aus Altwest, Christian Schulze.

In der Georg-Schumann-Straße entstehen neben dem behindertengerechten Ausbau der LVB-Haltestelle vor Arbeitsagentur und Rentenversicherungsanstalt, für die sich die SPD-Fraktion bereits seit Jahren stark macht, vor der Axis-Passage Andienungsflächen für örtliche Händler und geordnetes Parken in baulich vorgesehenen Stellflächen. Damit wird auch eine berechtigte Forderung des Magistralenrates aufgegriffen. Und auch in der SPD-Fraktion stehen die beiden Stadträte allein da, die sich in einem fraktionsübergreifenden Antrag gegen das Projekt positioniert hatten.

Die SPD-Fraktion begrüßt ausdrücklich, dass es in den kommenden Monaten einen Runden Tisch geben soll, der sich in Umsetzung des STEP Verkehr mit den speziellen Belangen des Wirtschaftsverkehrs intensiv auseinandersetzt, heißt es weiter aus der Fraktion. Und an die Kammern appellieren die Sozialdemokraten, eine konstruktive Erörterung der komplexen Verkehrsthematik zu gewährleisten.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar