Leipzig hat ein Loch. Eine riesige Brache, in der ein komplettes Stadtquartier verschwunden ist. Es ist so groß, dass selbst die Leute, die sich direkt damit beschäftigen, nicht wissen, wie sie es eigentlich nennen sollen: Leuschnerplatz? Platz des friedlich entschlafenen Denkmals? Markthallenviertel? - Selbst die Grünen sprechen vom Leuschnerplatz, wenn sie eigentlich das Markthallenviertel meinen.

Die wilden Pläne zum Freiheits- und Einheitsdenkmal haben ja mehr als deutlich gemacht, was passiert, wenn selbst eine planende Stadtverwaltung alle Raumkanten auflöst und den Apfelbaumgarten übers ganze Gelände fließen lassen möchte, als gelte es, hier eine beschämende Wunde zuzudecken.

Aber die riesige Brache zwischen Grünewaldstraße und Peterssteinweg ist keine beschämende Wunde, sondern ein Stadtquartier, das in den Bombennächten von 1943/1944 unterging. Die Straßen selbst sind im Gelände alle noch erkennbar: die Windmühlenstraße und die Brüderstraße existieren noch komplett in ihrem alten Verlauf. Die Markthallenstraße ist in großen Teilen erhalten, aber abgeschnitten und zugewachsen. Tatsächlich kann sich Leipzigs Stadtverwaltung sogar vorstellen, die Leplaystraße bis ins Gelände hinein zu verlängern und auf die Markthallenstraße treffen zu lassen.

Es ist ein wertvolles Stück Stadt, das hier seit 70 Jahren brach liegt. Und besonders die Grünen trommeln nun seit Jahren dafür, dass wieder eine Markthalle an den alten Standort kommt. Wobei der Versuch der Stadt, hier die Leplaystraße durchzuführen, dem natürlich entgegen läuft.

Und wo ist jetzt der Leuschnerplatz? Oder besser: Wilhelm-Leuschner-Platz?

Das ist im Grunde nur der Westteil des Geländes – alles, was westlich des südlichen Zugangs zur S-Bahn-Station “Wilhelm-Leuschner-Platz” liegt. Das ist das Gelände, das bis 1839 Esplanade hieß, dann zum Königsplatz wurde und seit dem 1. August 1945 Wilhelm-Leuschner-Platz heißt.

Aber um den geht es den Leipziger Grünen diesmal eigentlich nur beiläufig, wenn sie am heutigen Montag, 22. Juni, einladen zur Ideenwerkstadt auf den Leuschnerplatz.

Denn treffen will man sich mit allen interessierten Leipzigern auf der Nordseite in Nachbarschaft des Bowlingtreffs.

So seltsam das klingen mag: der Bowlingtreff steht aber auf dem Rossplatz. Das war bis 1945 ein beachtlicher Platz, einst dominiert vom Panorama-Rundbau. Er schuf nördlich des Markthallenviertels den Übergang zur Ringpromenade.

Das Gelände ist so groß wie unbekannt, wie es scheint. Für den Ostteil, das eigentliche Markthallenviertel, gab es auch schon eine Gestaltungswerkstatt der Stadt. Da wurde versucht, die künftigen Bebauungsstrukturen für das Viertel zu entwickeln, das mittlerweile sogar zum A-Zentrum Innenstadt gehört, obwohl hier nicht ein einziger Laden steht, in dem man was kaufen kann. Aber das soll ja noch kommen, findet die Stadt.

Die Grünen meinen eher, dass dieses noch fehlende Viertel eigentlich eine Menge guter Ideen braucht, damit es nicht so langweilig wird wie die jüngsten Groß-Zentren-Bebauungen in der Innenstadt. Um wieder lauter Einkaufstempel draufzustellen, ist es eigentlich zu schade.

Die Grünen wünschen sich eher ein urbanes und öffentliches Quartier. Und laden deshalb auch alle interessierten Leipziger zur Ideenwerkstatt ein.

Nach der Bestätigung der städtebaulichen Rahmenplanung durch den Stadtrat fordert die Partei außerdem bezüglich der Planungen für die drei großen Blockbebauungen im östlichen Teil der riesigen Brache eine Diskussion darüber, welche Nutzungen in dem Quartier konkret entstehen sollen.

„Wir wollen, dass mit der Bebauung des Quartiers nicht primär private Investoreninteressen bedient werden, sondern ein urbaner öffentlicher Raum für alle BürgerInnen entsteht“, erklärt dazu Vorstandssprecher Lorenz Bücklein. Lenkt den Blick aber auch gleich auf den westlichen Teil, den eigentlichen Wilhelm-Leuschner-Platz, der beinah von einem Denkmal verschlungen worden wäre, mit dem die Leipziger so überhaupt nichts anfangen konnten: “Sowohl mit einer großzügigen Esplanade als auch mit dem historischen Königsplatzoval kann ein Platz für größere Veranstaltungen und alltägliche Begegnung geschaffen werden”, finden die Grünen, wenn man denn schon mal über die künftige Gestaltung des Wilhelm-Leuscher-Platzes nachdenken will.

“Wir fordern zudem eine autofreie Gestaltung des Vorplatzes der Stadtbibliothek, um die Aufenthaltsqualität deutlich zu steigern“, betont Bücklein.  Das würde dann eine Kappung der Windmühlenstraße an dieser Stelle bedeuten.

Darüber hinaus sollen mit dem Bau öffentlicher Gebäude im Ostteil des Geländes weitere Räume für gesellschaftlichen Austausch realisiert werden. Die Planungen für eine Markthalle als Herzstück des Quartiers sollen zügig vorangetrieben werden, so die Grünen. Unabhängig von der städtebaulichen Rahmenplanung fordern die Grünen aber auch, wichtige strategische Ziele der wachsenden Stadt Leipzig in der Planung des Markthallenviertels zu berücksichtigen.

„Das dynamische Wachstum der Einwohnerzahlen übt einen erheblichen Druck auf den innenstadtnahen Wohnungsmarkt aus. Ohne geeignete Gegenmaßnahmen wird preiswerter Wohnraum für untere und mittlere Einkommensschichten in wenigen Jahren kaum noch verfügbar sein“, erklärt dazu Tobias Peter, Sprecher der AG Stadtentwicklung und Mobilität der Grünen. „Aus steigenden Geburtenzahlen und Einwohnerzuwachs resultiert ein erheblicher Bedarf an Schulen und Kindertageseinrichtungen gerade in der Innenstadt. Wir wollen eine Prüfung, ob die besonderen Anforderungen an Schul- und Kitabauten am Standort Leuschnerplatz zu erfüllen sind.”

Bei einer Ideenwerkstatt am heutigen Montag, 22. Juni, direkt auf dem Leuschnerplatz, will die AG Stadtentwicklung und Mobilität des Grünen-Kreisverbandes ab 19 Uhr zusammen mit Experten die Pläne für eine zukünftige Bebauung des Leuschnerplatzes diskutieren.

Zur Veranstaltung am Montag, 22. Juni, haben die Grünen auch den Sprecher für Stadtentwicklung und Bürgerbeteiligung der Grünen-Stadtratsfraktion, Tim Elschner, Wolfram Günther vom Stadtforum und Roman Grabolle von “Stadt für Alle” eingeladen.

Diskutiert wird ab 19 Uhr direkt auf der Nordseite des Leuschnerplatzes in sommerlicher Atmosphäre, in Nachbarschaft zum ehemaligen Bowling-Treff. Bei schlechtem Wetter findet die Veranstaltung in der Kleinen Träumerei in der Münzgasse 7 statt.

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Keine Kommentare bisher

So eine Markthalle wäre wirklich für eine blühende Großstadt würdig. Ich trage nur Sorge, dass wieder die falschen Investoren am Zuge sind und da irgendwelche Filialgeschäfte reinhauen. Den früheren Kommentaren von Leipziger Lesern in der alten L-IZ und in der LVZ nach schließe ich noch, dass man den Leipzigern mal erklären sollte, was genau eine Markthalle im Sinne moderner Urbanität ist. Das ist weder eine technische Großmarkthalle, wo die Kartons morgens um 2 Uhr aufgestapelt werden, noch die höchste Etage im KaDeWe.

Wenn man schon kostenlose Busfahrten zu einer Berliner Moschee angeboten hatte, dann läge es sehr nahe, mal eine Busfahrt zur Kleinmarkthalle (Frankfurt am Main) oder zur Schrannenhalle (München) anzubieten.

Im übrigen noch ein kleiner Treppenwitz:

>“Wir fordern zudem eine autofreie Gestaltung des Vorplatzes der Stadtbibliothek, um die Aufenthaltsqualität deutlich zu steigern“,

Ich erinnere unser allgeliebtes Verkehrsamt daran, dass genau diese Idee beim Bürgerwettbewerb Stadtverkehr prämiiert wurde. Herr Alexander John vom ADFC Leipzig bekam ihn überreicht, gab ihn aber gleich wieder an Herrn Heinemann zurück mit der Bemerkung, dass es im 21. Jahrhundert ein Armutszeugnis sei, ausgerechnet für diese kleinste und nahezu lächerliche Idee einen Preis zu verleihen, während das gute Dutzend (oder noch mehr) anderer, größerer Ideen des ADFC völlig leer ausgegangen ist…
(Bei der Preisverleihung in der Handelsbörse auf dem Naschmarkt waren übrigens weder LVZ noch Lizzy zugegen. Erstaunlich, war aber so.)

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