Auf allgemeine Unterstützung stößt der Antrag der acht Mitglieder des Wirtschaftsausschusses des Leipziger Stadtrats, das Umbauprojekt Georg-Schumann-Straße zu stoppen, nicht. Schon gar nicht beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club (ADFC). Denn wenn sich der Antrag durchsetzen würde, wäre es das gewesen mit Radwegen zwischen Huygensplatz und S-Bahnhof-Möckern. Es geht immer nur um Platz.
Um alle Nutzungsarten parallel nebeneinander unterbringen zu können, braucht man einen 25 Meter breiten Straßenraum. Da wären dann freilich Baumscheiben und Parkflächen noch nicht berücksichtigt. Wenn die auch noch Platz finden sollen, wäre man schnell bei 30 Metern. Die Georg-Schumann-Straße zwischen Axis-Passage und Arbeitsagentur ist aber nur 20,50 bis 20,90 Meter breit. Sie hat dasselbe Problem wie fast alle Straßen in der Stadt – auch Hauptstraßen: Um alle Verkehrsarten darin sinnvoll unterbringen zu können, müssen sich einige Verkehrsarten denselben Raum teilen.
Es geht nicht ohne Kompromisse. Aber der Kompromiss an der Georg-Schumann-Straße ist nicht neu. Er hat sich schon mehrfach in Leipzig bewährt.
“Die geplante Verkehrsaufteilung und Straßenraumgestaltung beim Ausbau der Georg-Schumann-Straße stellen einen gelungenen Ausgleich zwischen den vielen Ansprüchen an sowohl die Gestaltung des öffentlichen Raumes als auch die Leistungsfähigkeit für alle Verkehrsträger dar”, kommentiert Daniel von der Heide, verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Projekt. “Die Stadträte, die eine Separierung von Straßenbahn und Autoverkehr fordern, sollen doch gefälligst auch sagen, was dafür weichen soll. Die Nutzungsansprüche an den öffentlichen Raum sind vielfältig, da müssen die Kollegen schon Farbe bekennen, welcher Anspruch ihnen weniger oder gar nichts wert ist. – Es reicht aus meiner Sicht jedenfalls nicht, dass man wie die CDU der Auffassung ist, dass eine Separierung möglich sei, ohne zu untersetzen, wie dies möglich sein sollte. Zumindest die Kollegen von SPD und Linke sollten da ihren eigenen Fachpolitikern vertrauen, statt auf die Ressentiments der CDU aufzuspringen, die ja derzeit jede Verkehrsplanung der Stadtverwaltung ablehnen.“
Die Insel-Lösung
Der ADFC, inzwischen erfahren in vielen Diskussionen um Straßenraumaufteilungen in Leipzig, betont auch die Tatsache, dass die Verwaltungsvorlage zum Umbau des Haltestellenbereichs zwischen S-Bahnhof Möckern und Huygensplatz als sogenannte Kaphaltestelle aus einem breiten Bürgerbeteiligungsprozess hervorgegangen ist. Immerhin zeigt die seit 2012 aufs Pflaster gemalte Straßenraumaufteilung in der Georg-Schumann-Straße Wirkung: Sie ist wesentlich attraktiver fürs Radfahren geworden. Würde man das Straßenstück zwischen Huygensplatz und S-Bahnhof anders umbauen, wäre es hier mit freier Fahrt für Radfahrer vorbei. Sie müssten sich wieder in den fließenden Kfz-Verkehr einordnen.
„Die von Mitgliedern des Wirtschaftsausschusses geforderte Variante mit Mittelinsel ist für die Belebung des Straßenzugs kontraproduktiv“, stellt Dr. Christoph Waack, Vorsitzender des ADFC Leipzig, fest.
Abzüglich Gleise, Mittelinsel und Kfz-Spuren würden 1,50 Meter schmale Gehwege übrig bleiben. Kommentar des ADFC: “Das ist weder zulässig noch behindertengerecht und würde der aufblühenden Geschäftsstraße einen Bärendienst erweisen: Kaum Platz für Fußgänger, wartende Fahrgäste drängen sich auf der Haltestelleninsel abseits der Geschäfte und Autos müssten sich mit Radfahrern eine enge Spur teilen.”
Die lakonische Einschätzung des ADFC zur Haltestelleninsel als Vorschlag der Vertreter des Wirtschaftsausschusseses: “Selbst bei untermaßiger Fahrbahn und Haltestelleninsel, wäre auf Grund der beengten Verhältnisse der Gehweg beidseitig deutlich zu schmal.”
Die Kap-Lösung
In der aus dem Bürgerbeteiligungsprozess hervorgegangenen Variante werden Bus, Straßenbahn und Kfz-Verkehr gemeinsam zwischen den angehobenen Seitenbereichen (Kap) geführt. Radfahrer nutzen den vorderen Teil der Kaps, fahren also quasi “durch” die Haltestelle. Das Modell haben die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) erstmals 2008 an der Haltestelle Rödelstraße an der Könneritzstraße ausprobiert. Damals durchaus noch mit Befürchtungen, Radfahrer und wartende Straßenbahnnutzer würden sich ins Gehege kommen. Aber das ist nicht der Fall: Radfahrer halten freiwillig an, wenn die Straßenbahn einfährt und die Fahrgäste ein- und aussteigen wollen. Seither wurde dieses Modell an mehreren Straßen so umgesetzt – an der Bornaischen, der Wurzner und demnächst auch am Peterssteinweg.
Geschont wird dadurch vor allem der Fußweg: Fahrgäste und Passanten haben breite Aufenthaltsbereiche. Auf der Südseite der Georg-Schumann-Straße vor den Ladengeschäften ist zudem Platz für Bäume. Die Aufenthaltsqualität, die für Händler und Gewerbetreibende wichtig ist, steigt.
Und wie ist das mit dem gestauten Verkehr? – Viel ändert sich eigentlich nicht. Denn auch jetzt müssen sämtliche Kfz halten, wenn eine Straßenbahn in die provisorische Haltestelle vor der Axis-Passage fährt – die Ampel springt nämlich auf Rot und weiterfahren können auch die Autofahrer erst, wenn die Bahn wieder anfährt.
Was übrigens auch an den im östlichen Teil der Georg-Schumann-Straße gebauten Haltestelleninseln so ist. Um zu gewährleisten, dass die Straßenbahn die Kreuzungen an der Lützowstraße und an der Lindenthaler Straße als erste überqueren kann (bevor diese von Linksabbiegern zugefahren wird), bekommt die Straßenbahn zuerst ihr Fahrtsignal, erst danach schaltet die Ampel auch den Kfz-Verkehr frei. Und stoppen muss der Verkehr an der Axis-Passage oft auch, wenn keine Bahn einfährt. Denn die Ampel wird ja von den für Jobcenter, BfW und Arbeitsagentur sehr zahlreichen Fußgängern auch manuell betätigt.
Die 2012 aufgemalten Radfahrstreifen waren für die Georg-Schumann-Straße ein Gewinn. Das jetzt mit einer Haltestelleninsel-Lösung wieder rückgängig zu machen, wäre nicht nur aus Sicht des ADFC ein wahrnehmbarer Rückschritt.
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