Meldungen aus der Dienstberatung des Oberbürgermeisters klingen meist sehr trocken: "Fahrradfachmarkt auf der Alten Messe: Bebauungsplan geht in die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung" hieß es zum Beispiel am 19. Mai. Dabei geht es um durchaus brisante Entscheidungen. Verträgt Leipzig so einen Markt eigentlich?
Der knappe und wenig sagende Text vom 19. Mai: “Der Vorentwurf des Bebauungsplans Nr. 421 ‘Fahrradfachmarkt auf der Alten Messe’ ist von der Verwaltungsspitze zur frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung freigegeben worden. Ort und Zeit der Auslegung werden zu einem späteren Zeitpunkt im Amtsblatt bekannt gegeben. – Mit dem Bebauungsplan soll die Ansiedlung eines großflächigen Fahrradfachmarktes in der denkmalgeschützten ehemaligen Messehalle 15 planungsrechtlich ermöglicht werden. Der Plan soll vor allem die maximale Verkaufsfläche und die Zusammensetzung des Sortiments regeln. Darüber hinaus stellt der Vorentwurf Nutzungsvarianten für den Bereich vor der Halle zur Diskussion. Mit der neuen Nutzung kann die Messehalle 15 denkmalgerecht saniert und erhalten werden.”
Das Projekt hat sowohl positive als auch negative Auswirkungen. Zu den positiven gehört natürlich, dass ein großer Einzelhändler aus dem Einkaufs-Center Nova Eventis in die Stadt zieht. Das schwächt die “grüne Wiese”, die in Leipzigs Verwaltung schon lange nicht mehr wohlgelitten ist. Und es stärkt das Einkaufsangebot in der Stadt. Die Effekte sind nach Einschätzung der Gutachter, die für die Erstellung der Beteiligungsvorlage zu Rate gezogen wurden, beträchtlich.
In der Vorlage heißt es dazu: “Durch die Verlagerung des derzeit außerhalb von Leipzig bei Nova Eventis angesiedelten Fahrradhändlers kann der Kaufkraftabfluss aus der Stadt in das Umland reduziert werden. Liegt der Kaufkraftabfluss aus Leipzig Richtung Stadler Nova Eventis gegenwärtig bei 2,7 Millionen Euro (31 % des Gesamtumsatzes) wird geschätzt, dass am Standort Alte Messe infolge der veränderten Einzugsbereiche aus dem Leipziger Stadtgebiet ein Umsatz von 3,8 bis 4,5 Millionen Euro erreicht werden könnte (rund 45 bis 47 % des Gesamtumsatzes des Vorhabens im Sortiment Fahrräder). Abzüglich der aktuell durch den Altstandort gebundenen Kaufkraft aus Leipzig, ergibt sich nach Aussage des Gutachtens für Leipzig im Sortiment Fahrräder eine zusätzlich gebundene Kaufkraft in Höhe von rund 1,1 – 1,8 Millionen Euro. Dies entspricht einem Anteil von 7 bis 12 % am gegenwärtig erwirtschafteten Gesamtumsatz im Sortiment Fahrräder in Leipzig.”
Mit der Verlagerung des großen Fahrradmarktes wird also nicht nur Nova Eventis ein großes Sortiment und der damit verbundene Umsatz entzogen – auch die jetzt schon in Leipzig ansässigen Fahrradhändler müssen mit Einbußen rechnen – je näher sie der Alten Messe liegen, umso stärker.
“Infolge der angestrebten zentralen Lage in Leipzig wird deutlich mehr Umsatz als bisher vom örtlichen Fahrradeinzelhandel abgezogen, was rechnerisch dazu führen könnte, dass bis zu 30 % der Einzelhändler oder in etwa 17 Händler aufgrund der Umsatzumverteilung in dieser Branche potenziell gefährdet sind. Die geringsten Effekte sind dabei in den Stadtbezirken West und Altwest, erhöhte Effekte in den sonstigen Stadtbezirken zu erwarten”, heißt es in der Vorlage. “Weiter ist mit einer zusätzlichen Überlagerung von Umsatzumverteilungen durch distanzempfindliche Angebote, wie beispielsweise Werkstattleistungen in den angrenzenden Ortsteilen zu rechnen. Die größten monetären Effekte haben mit großer Wahrscheinlichkeit bestehende Fachmärkte als systemähnliche Anbieter zu erwarten.”
Ein durchaus zu bedenkender Punkt. Das wird auch in der Vorlage betont.
Dem gegenüber steht die erwünschte Belebung der Messehalle 15, die in wesentlichen Teilen noch aus dem Jahr 1928 stammt und bei der Implementierung des Fahrradmarktes auch wieder die ursprüngliche architektonische Wirkung entfalten soll.
In der Vorlage heißt es dazu: “Durch den geplanten Umbau wird der ursprüngliche Innenraum von 1928 wieder sichtbar und deutlich ablesbar. Die niedrigeren seitlichen Anbauten werden zum Innenraum geöffnet und die nachträglich hinzugefügten Pendelstützen entfernt. Gleichzeitig sollen die ca. 1950 hinzugefügten Kopfbauten an der Nordfassade bis auf die Höhe der umlaufenden Anbauten abgetragen und die Fassade durch zwei kleine Neubauten im Sinne der ursprünglichen Halle, wieder geschlossen werden. Einzig die großzügige Glasfassade, die den Haupteingang erdgeschossig kennzeichnet, soll als zeitgenössische Schicht hinzugefügt werden.”
Hingegen ist völlig offen, was mit den beiden in DDR-Zeiten an der Straße des 18. Oktober errichteten Pavillons geschehen soll. Sollen beide neue Nutzungen finden? Oder soll man sie lieber abreißen und Platz schaffen für neue Institutsgebäude, die das ebenfalls auf der Alten Messe angesiedelte Cluster der Bio-Wissenschaften stärken? Das soll jetzt im Bebauungs-Planverfahren geklärt werden.
Keinen Spielraum gibt es, die Größe des geplanten Fahrradmarktes zu verringern, das habe der Investor schon deutlich gemacht. Um die breite Palette der heute verfügbaren Fahrräder bis hin zum wachsenden Angebot der E-Bikes präsentieren zu können, sei die geplante Fläche notwendig.
Insgesamt soll die Halle künftig über eine Verkaufsfläche von 5.645 m² verfügen. Dazu kommt ein 2.700 m² großer Lagerbereich mit den innenliegenden Flächen für Sozial- und Büroräume.
Außerdem soll sich in der Halle künftig eine Teststrecke von etwa 300 m² befinden, die sich bei anderen Marktteilnehmern oft außerhalb des Gebäudes im öffentlichen Raum befindet. Auch sie wird nicht zur Verkaufsfläche gezählt. Außerdem soll es eine Werkstatt mit rund 250 m² geben, die für Kunden nicht zugänglich ist.
Und es soll ein Café mit separatem Eingangsbereich als gastronomische Einrichtung mit etwa 100 m² Fläche entstehen.
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