Irgendwie geht es nicht. Zumindest nicht beim agra-Gelände der Stadt Leipzig. Drei Mal hat die Verwaltung nun schon versucht, für das Gelände ein Entwicklungskonzept vorzulegen. Drei Mal fiel den beteiligten Dezernaten immer nur das selbe ein. Zwei Mal hat der Stadtrat schon abgelehnt. Nun haben zwei Stadtratsfraktionen selbst was vorgelegt. Und mussten sich nicht mal was ausdenken.
Denn auch zum agra-Gelände gab es schon einen Bürger-Workshop. Das ist in Leipzig nichts Neues. Nur gibt es Workshops, die funktionieren, weil die Verwaltung zuhört. Und es gibt welche, die gehen in die Hose. Weil ein paar Leute in der Verwaltung mit dem Kopf durch die Wand wollen.
Der Workshop fand 2010 statt. Und er hat fast alles korrigiert, was damals in der ersten Vorlage der Verwaltung zu lesen stand. Von der noblen Eigenheimsiedlung im Überschwemmungsgebiet der Mühlpleiße bis hin zum Hotel. Weg damit. Den Dölitzern war der Spuk nicht vermittelbar.
Aber in der zweiten Vorlage kam das alles trotzdem nicht vor. Und in der dritten nun auch nicht. Darüber haben sich SPD-, Linke- und Grünen-Fraktion schon öffentlich beschwert. Die Linken haben am 13. April einen eigenen Antrag formuliert, in dem ein mit den Akteuren vor Ort gemeinsam erstelltes Entwicklungskonzept gefordert wird.
Die Grünen haben sich in die Straßenbahn gesetzt und sind zum Bürgerverein Dölitz gefahren. Wenn schon, denn schon richtig.
Bei einem Vor-Ort-Treffen mit den beiden für die agra aktiven Bürgervereinen BV Dölitz e.V. und Pro-agra e.V. am 20. April haben die Grünen dann einen Änderungsantrag zum Linke-Antrag fertiggestellt, der am Donnerstag, 30. April, in das Verfahren gegeben wurde.
Die Grünen-Stadträte haben bei der Besichtigung des Geländes, beim Studium der Workshop-Unterlagen von 2010 und mit Hilfe der Informationen der Beteiligten aus den Bürgervereinen ihre Positionen zum agra-Messepark entwickelt. Im Ergebnis der Überlegungen stellen sie dann recht einmütig fest, dass dieses Gelände heute Zusagen braucht. Der Wackelkurs der Verwaltung dauert schon zu lange. Den Veranstaltern, die über Jahre ohne Aussagen oder Festlegungen zur Zukunft und ohne größere Investitionen in die Infrastruktur weitergemacht haben, ist es zu verdanken, dass die agra und ihre Veranstaltungen trotz der Schwierigkeiten bekannt, beliebt und teilweise weltberühmt sind.
Norman Volger, Fraktionsvorsitzender und Stadtrat aus dem Leipziger Süden erklärt dazu: „Wir bekräftigen mit unserem Änderungsantrag, dass der agra-Messepark als Veranstaltungs- und Ausstellungsgelände Bestand haben muss. Deshalb sind kurzfristig notwendige Investitionen in die vorhandene Substanz, vor allem in den Brand- und Lärmschutz, vorzunehmen. Den Veranstaltern ist so die nötige Sicherheit zu geben, die sie für ihre Planungen und ihre Akquise weiterer geeigneter Veranstaltungen dringend brauchen. Wir zählen auf ein weiterhin erfolgreiches Wave-Gothic-Treffen, auf den monatlichen Antik- und Trödelmarkt, das Lanz-Bulldog-Treffen oder die agra- Landwirtschaftsmesse. Daneben sind aber noch viele weitere neue Nutzungen denkbar.“
Und sein Fraktions-Kollege Tim Elschner, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der Fraktion, ergänzt: „Das agra-Messegelände braucht ein Strategie- und Nutzungskonzept. Eine erste Bürgerbeteiligung zur Konzeptentwicklung hat bereits 2010 stattgefunden. Die damals besprochenen, für die am Workshop Beteiligten denkbaren Nutzungen sind heute noch weitgehendst aktuell. Dazu zählen neben Veranstaltungen auch die Einrichtung eines modernen Campingplatzes, eines Hotels, die Öffnung der Wegebeziehungen in Richtung Neuseenland und der Erhalt des Baumbestandes und der natürlichen Freiräume. Wir wollen erreichen, dass sich die Städte Markkleeberg und Leipzig in der Sache abstimmen und idealerweise den jeweiligen Stadträten das gemeinsam erarbeitete Strategie- und Nutzungskonzept zur Entscheidung vorlegen. Selbstverständlich ist für uns vorab die Beteiligung der Bürger in geeigneter Form zur Rückkopplung in puncto Konzeptentwurf.“
Der Antragstext der Grünen liest sich jetzt so:
1. Die Stadt Leipzig als Eigentümerin bekennt sich zum Erhalt des Messegeländes als Veranstaltungs- und Ausstellungsgelände.
2. Zur Sicherung der laufenden Nutzung sind die großen Ausstellungshallen kurzfristig entsprechend den Lärm- und Brandschutzerfordernissen zu ertüchtigen.
3. Dezernatsübergreifend und in enger Abstimmung mit der Stadt Markkleeberg ist auf Grundlage der Ergebnisse der 2010 durchgeführten Bürgerbeteiligung (Workshop) ein Strategie- und Nutzungskonzept im Entwurf zu erstellen, welches auf die vorgeschlagenen Nutzungen wie Hotel, Campingplatz, multifunktionale Hallen, Bandräume, Bürgergarten, etc. Bezug nimmt. Es enthält Aussagen über Flächeninanspruchnahmen, kurz-, mittel- und langfristige Investitions- und Kostenerfordernisse und einzelne Umsetzungsschritte.
4. Der Konzeptentwurf ist dem Stadtrat bis spätestens zum Ende des II. Quartals 2016 vorzulegen. Eine Bürgerbeteiligung, die der Rückkopplung dient, ist in geeigneter Form durchzuführen, bevor der Stadtrat das Konzept bis spätestens zum Ende des III. Quartals 2016 endgültig beschließt.
Und die Begründung:
2010 hat die Stadt Leipzig für das agra-Messegelände zur Konzeptfindung einen Workshop mit verschiedensten Akteuren zur künftigen Nutzung durchgeführt.
Die übereinstimmende Aussage war damals, dass das agra-Messegelände mit den Veranstaltungen, mit dem großzügigen, naturnahen Gelände, mit den Ausstellungshallen und ehemaligen Betriebsgebäuden sowie der Lage zwischen der Stadt Leipzig und dem Neuseenland für die Öffentlichkeit und Veranstaltungen unentbehrlich ist und demnach auch für die Allgemeinheit und für Messen und Veranstaltungen erhalten werden soll. Des Weiteren sollen insbesondere das jährliche Wave-Gothic-Teffen aber auch die anderen Veranstaltungen dauerhaft an diesem Standort verbleiben.
Der Bürgerverein Dölitz e. V. und auch der Verein Pro agra e. V. waren ebenso an diesem Beteiligungsprozess beteiligt. Sie haben aktuell in ihrer Stellungnahme nochmals ihre damaligen Empfehlungen erneuert. Beide Vereine machen auch auf den unüberwindlichen Widerspruch zwischen einer Option auf Wohnbebauung und dem Erhalt der Veranstaltungen aufmerksam, dem sich die Stadtratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen anschließt.
Die bis heute von großem und überregionalen sowie internationalen Interesse begleiteten Messen und Veranstaltungen, wie auch das Wave-Gothic-Treffen, brauchen eine verbindliche Aussage der Stadt Leipzig über die künftige Entwicklung des agra-Messegeländes, damit sie auch mittel- und langfristig ihre Veranstaltungen am Standort planen und bewerben können.
Auf Grundlage der Workshop-Ergebnisse ist ein Strategie- und Nutzungskonzept im Entwurf zu erarbeiten, das Aussagen über kurz-, mittel- und langfristige Investitions- und Kostenerfordernisse und einzelne Umsetzungsschritte (z. B. auch bezüglich Campingplatz und Bau eines Hotels und Proberäume für Bands) enthält.
Neben der Vorstellung des Konzeptentwurfes dem Stadtrat gegenüber, ist auch eine Bürgerbeteiligung in geeigneter Form durchzuführen, bevor der Stadtrat das Konzept bis spätestens zum Ende des III. Quartals beschließt.
Aus Sicht der Stadtratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen ist der über Jahre andauernde Dornröschenschlaf – von einigen Unterbrechungen abzusehen – zu beenden. Mit einer Ertüchtigung der großen Hallen und der Wiederbelebung der Nebengebäude sehen wir eine Vielzahl von interessanten, zusätzlichen Nutzungsmöglichkeiten durch verschiedenste Nutzergruppen, die nach einer Anschubinvestition durch die Stadt Leipzig Refinanzierbarkeit absehen lassen könnten.
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