Auf dieses Projekt ist Zoodirektor Jörg Junhold stolz: die neue alte Kongresshalle am Zoo, die am 29. Mai nach fünfjähriger Bauzeit feierlich eröffnet wird. Ein Dauerprojekt der besonderen Art, wenn man bedenkt, dass die Zoo-Aktiengesellschaft 1899/1900 nicht einmal zwei Jahre brauchte vom Baubeschluss bis zum Festessen im Großen Saal.
Andere Zeiten, andere Geschwindigkeiten? Wahrscheinlich nicht nur das. Denn das Bauensemble, mit dem schon in den 1990-er Jahren die Stiefelbrigaden des bfb kämpften, war ja schon längst nicht mehr das alte. Über die Jahre war neu an- und umgebaut worden, hatten besonders die Bombentreffer im 2. Weltkrieg für Grundschäden in der Bausubstanz gesorgt, die in den 40 folgenden Mangeljahren nie wirklich behoben wurden. Und der Zahn der Zeit hatte sowieso genagt, so dass das Schicksal des ehemaligen Gesellschaftshauses des Zoos 2008 völlig auf der Kippe stand. Kein Förderprogramm war in Sicht, keine sinnvolle Nutzungskonzeption, um den gewaltigen Bau wieder zum Leben zu erwecken. Säckeweise wurden Tränen vergossen in Erinnerung an Bälle, Abschlussfeiern und Gewandhauskonzerte in den maladen Hallen (und die Akustik im Großen Saal wird in der Regel als schrecklich erinnert).
Aber dann kam die Finanzkrise mit ihren erstaunlichen Konjunkturprogrammen. Und Leipzig steckte damals gleich drei große Prestigeprojekte in die Beantragungsliste fürs Konjunkturpaket, alle drei auf der Kippe, was die Substanz betraf: die Tribüne im Scheibenholz, das Stadtbad und die Kongresshalle.
Die Tribüne an der Pferderennbahn wurde komplett saniert, beim Stadtbad zumindest das Dach gesichert. Bei der Konkresshalle reichte die gewährte Fördersumme erst mal zu einer ersten Baustufe im Nordflügel der Anlage. Der wurde nach dem Stadtratsbeschluss 2009 in den Jahren 2010 und 2011 für 12,8 Millionen Euro hergerichtet. Händel- und Telemannsaal entstanden neu. Und für anderthalb Jahre hatten Zoo und Messe Leipzig schon mal ein paar Säle zur Extra-Vermarktung. Bis dann 2013 der zweite Bauabschnitt gestartet wurde, mit dem der Hauptteil des Ensembles in Angriff genommen wurde.
Am Mittwoch, 6. Mai, durften die Leipziger Journalisten schon einmal mit Dr. Jörg Junhold über die Baustelle spazieren. Es wird nach wie vor mit Hochdruck gearbeitet. “Wir werden die verbleibenden drei Wochen unbedingt noch brauchen”, sagt Junhold. Am 29. Mai sollte das Wichtigste geschafft sein. Denn dann findet um 11 Uhr im Großen Saal die feierliche Eröffnung der Kongresshalle im Rahmen des Leipziger Stadtjubiläums statt. Und ab 14 Uhr dürfen auch die Bürger gucken kommen, dann beginnt das große Bürgerfest, zu dem auch ein Teil der Pfaffendorfer Straße gesperrt werden soll. Selbst dort waren am Mittwoch noch die Pflasterklopfer bei der Arbeit.
Dasselbe hinter der Kongresshalle im künftigen Freisitz. Selbst die Terrasse war noch in Arbeit, an den Treppen wurde noch gebaut, Kabel verlegt. In den ebenerdigen Sälen waren vor allem die Parkettleger bei der Arbeit. Der alte Weiße Saal, in dem einst das Theater der Jungen Welt spielte und der noch im Sommer 1989 Opfer eines Brandes wurde, strahlt fast schon wieder in alter Schönheit. Einer Schönheit, die er die ganzen vergangen sieben Jahrzehnte nicht hatte. Die Stuckarbeiten sind schon fast alle wieder hergestellt, die Bühne nimmt wieder Konturen an. Und an den Pfeilern wird die Anbringung der alten/neuen Spiegel geprobt.
Überall kleben Schilder, das Parkett ja nicht zu betreten. Wo es schon verlegt ist, ist es zum Teil noch nicht gewachst. Aber am 29. Mai soll das komplette, nunmehr auf ein Niveau gebrachte Erdgeschoss, fertig sein. Ausnahme: das neue Zoorestaurant auf der Westseite des Ensembles. Das wird erst im Juni feierlich in Betrieb genommen. Der Zoo selbst will ja auch noch ein paar Höhepunkte haben in diesem Jahr.
Die Kongresshalle wird künftig nicht nur heißen, sondern auch sein, was sie so in ihrer Geschichte eigentlich noch nie war: ein richtiges Kongresszentrum. Der Zoo hat zwar die Bauleitung (“Weil es der Herr Junhold so gut kann wie kein anderer”, hat OBM Burkhard Jung 2009 mal gesagt), aber Pächter wird die Leipziger Messe, die künftig die 14 Säle bespielt und vermietet. Ein variables Angebot, das die Möglichkeiten des CCL am Standort Neue Messe flexibel ergänzt. Und das auch noch in Innenstadtnähe mit Blick auf wilde Tiere. Den haben zumindest künftige Mieter des Wagnersaals, in dem die Parkettpfleger am Mittwoch besonders eifrig am Putzen und Polieren waren. Hier gehen die Türen gleich hinaus auf die Freifläche, an der seit März ja bekanntlich die Affen zu Hause sind.
Der Große Saal hat von der Anmutung her die Pracht des Jahres 1900 wieder. Die Empore werden viele ältere Leipziger nicht wiedererkennen, denn es wurde nicht die strenge Empore aus der DDR-Zeit rekonstruiert, sondern man hat – nach alten Fotografien – die geschwungenen Formen des ursprünglichen Jugendstils wieder aufgebaut. “Wenn schon, dann sollte es werden wie 1900”, sagt Junhold. Schränkt dann aber ein: Gerade an der Decke und den Fenstern hat man dann doch lieber auf jede Menge Stuck verzichtet, um doch wieder Licht und Leichtigkeit in den Großen Saal zu bekommen. Auch auf die einstigen mächtigen Kronleuchter hat man verzichtet und stattdessen eine moderne LED-Anlage eingebaut. “Damit können wir den Saal taghell ausleuchten”, so Junhold. “Das ist für die künftige Nutzung des Saales einfach unverzichtbar.”
Und auch in den Keller dürfen die Journalisten gucken. Denn der Tiefbereich unter dem Großen Saal, den Junhold noch als Restaurantbar erlebt hat, wurde noch zwei Meter tiefer gelegt. “Eine gar nicht so einfache Angelegenheit”, so Junhold. “Denn da mussten wir in die Fundamente eingreifen.” Aber Ziel war es, unter dem 600 Quadratmeter großen Saal auch noch eine gleichgroße Ausstellungsfläche zu gewinnen, die vom Saal aus direkt über zwei Treppen und einen Fahrstuhl erreichbar ist und wo die Begleitausstellungen zu den jeweiligen Kongressen stattfinden sollen.
Überall waren noch die Maler am Werk. Und auch die Parkettleger kennen das wohl schon, dass alleweile ein paar neugierige Leute durchlaufen. Auch im Foyer des Saals war noch einer am Werk. Aber das frei gelegte kunstgeschmiedete Geländer aus der Eröffnungszeit musste Junhold noch zeigen. Es war eigentlich nie weg, in DDR-Zeiten aber einfach mit Holz ummantelt worden. Als man die Verschalung abnahm, war das Staunen entsprechend groß. Die wiedergefundene Jugendstiltreppe wird wohl bei vielen Besuchern noch für Staunen sorgen.
Blieb eigentlich nur das Obergeschoss. Aber das war am Mittwoch auch noch für die Journalisten tabu.
24 Millionen Euro kostet der 2013 gestartete zweite Bauabschnitt. Insgesamt wird das Wagnis Kongresshalle also 37 Millionen Euro kosten, aber mit der Kongress-Bespielung durch die Messe ist auch eine Nutzung gefunden, die die Investition möglicherweise am Ende lohnenswert macht. Das ist noch Zukunftsmusik, auch wenn nach der feierlichen Eröffnung am 29. Mai schon die ersten Veranstaltungen gebucht sind. Ob’s alles funktioniert und in sich greift, wird wohl auch die Messe erst wissen, wenn sich das ganze eingespielt hat.
Aber eine eigene Website hat die Kongresshalle schon. Wer mag und “das nötige Kleingeld hat” (Junhold), kann dort den Saal seiner Wahl buchen.
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