Da haben sich gleich drei Dezernate der Stadt Leipzig so richtig in die Nesseln gesetzt, als sie Anfang März ihren neuen - nun gemeinsamen - Vorschlag zur Zukunft des agra-Messegeländes vorlegten. Nicht nur die Linksfraktion entdeckte darin die alten, neu aufgegossenen Ideen für ein Wohngebiet, das in Dölitz so unbeliebt ist wie ein ausgelatschter Schuh. Jetzt gibt's auch noch deftige Kritik von der SPD-Fraktion.

Da betrachtet man den Umgang der Verwaltung mit dem Thema als eine Art historischen Sport, denn in größeren Abständen befassen sich die Dezernate für Wirtschaft und Arbeit sowie Stadtentwicklung und Bau mit dem agra-Park und den möglichen Nutzungsvarianten des Areals. Zuletzt ist das im Rahmen der Anfang März vorgelegten Informationsvorlage geschehen, die in verschiedenen Ausschüssen und im Stadtbezirksbeirat Süd behandelt wurde, aber eben nicht in den Rat gehen soll.

„Die Ideen, die in der Informationsvorlage zusammengefasst werden, sind eigentlich nur der Neuaufguss alter Ideen, die schon beim ersten Anlauf auf sehr wenig Gegenliebe im Stadtrat getroffen sind. Ein echtes Konzept, mit dessen Erarbeitung der Rat die Verwaltung bereits im Dezember 2009 beauftragt hatte, ist das keineswegs“, erklärt dazu Christopher Zenker, SPD-Stadtrat aus dem Leipziger Süden.

Seit 2012 gab es mehrere Ratsanfragen unterschiedlicher Fraktionen zum Entwicklungskonzept für das Agra-Gelände, aber bislang gibt es nichts Greifbares. Und das neue Papier ist weit davon entfernt, überhaupt so etwas wie eine ausgewogene Vision zu entwickeln. Aus Sicht der SPD-Fraktion besteht trotzdem Handlungsbedarf für die Verwaltung, sich wirklich einmal intensiv mit der Zukunft des agra-Geländes auseinanderzusetzen, denn das Areal bietet zahlreiche Möglichkeiten. Um dieses Potenzial auch ausschöpfen zu können, sei aber eine intensive Bürgerbeteiligung bei der Erarbeitung eines echten Nutzungskonzepts notwendig.

Ein Knackpunkt, um den sich Leipzigs Verwaltung immer wieder gern herummogeln möchte, ist das jährlich zu Pfingsten stattfindende Wave Gotik Treffen, das auf dem agra-Gelände traditionell einen seiner Schwerpunkte hat. Auch weil sich das Gelände geradezu ideal eignet für dieses Treiben. Einen alternativen Standort gleicher Qualität hat bisher noch niemand gefunden. Und der Versuch der Verwaltung, so einen Umzug zu erzwingen, könnte durchaus nach hinten losgehen.

„Ich halte es für wichtig, dass sich die Stadt eindeutig zum agra-Gelände als Veranstaltungsort für das Wave-Gotik-Treffen bekennt, denn diese Veranstaltung zieht jährlich tausende Besucher nach Leipzig”, sagt Zenker. “Der Fokus eines Entwicklungskonzepts sollte deshalb vor allem auf dem Erhalt der agra als Veranstaltungsgelände liegen, das kulturelle und gewerbliche Nutzungen, wie beispielsweise für Proberäume, kleinere Messen und Trödelmärkte, auch weiterhin ermöglicht.”

Und zumindest in Ansätzen enthält die Informationsvorlage auch die Entwicklung touristischer Infrastrukturen, die den Leipziger Teil des Geländes auch endlich in den Markkleeberger Parkteil wieder einbinden und vor allem zu einem Startpunkt fürs Neuseenland machen könnten. Doch genau an der Stelle steht wieder nur ein vages Bekenntnis zu einer Übergangsvariante und keine mit Markkleeberg abgeklärte Konzeption. Irgendjemand schreibt da also nach wie vor gern Konzepte, die das Notwendige und Mögliche ausblenden und dafür olle Kamellen als Innovation verkaufen.

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