Es war der dritte Versuch der Leipziger Stadtverwaltung, für das Messegelände der Agra auf Leipziger Flur ein neues Nutzungskonzept vorzulegen, der da Anfang März publik wurde. Und wieder war es nur ein verkappter Versuch, an dieser Stelle perspektivisch ein Wohngebiet mit Einfamilienhäusern zu platzieren. Geht's noch?, fragte die Linksfraktion Anfang April. Und legt jetzt einen eigenen Antrag vor.

Ein Problem der nunmehr drei schwammigen Vorlagen der Stadtverwaltung zu diesem Gelände ist nicht nur das sture Festhalten an den Planungen für ein Wohngebiet, das der Stadtrat nun schon zwei Mal abgelehnt hat. Es ist auch der seltsame Eiertanz in den Begründungen: Man erkennt zwar vollmundig an, dass das Gebiet quasi der ideale Übergang ins Erholungsgebiet von Agra-Park und Mühlpleiße ist, dass hier touristische Nutzungen (wie zum Beispiel Campingplatz oder Caravan-Platz) ideal wären – und kommt dann doch wieder ruckzuck zu den Plänen eines Hotelneubaus, eines Supermarktes und eines Wohngebietes und sieht die Verdrängung des Wave Gotik Festivals, das hier jedes Frühjahr die Hauptattraktion ist, schon als gegeben an.

Die Fraktion Die Linke greift jetzt eine Initiative ihrer Stadträte aus dem Süden, Juliane Nagel, Adam Bednarski und Marco Götze, auf und bringt nun einen eigenen Antrag zur Erarbeitung eines Strategie- und Nutzungskonzeptes für das agra-Gelände in die nächste Ratsversammlung ein.

Da große Teile auch auf Markkleeberger Flur liegen und eine Vielzahl von Nutzungen zu berücksichtigen ist, soll ein solches Konzept nach Ansicht von Siegfried Schlegel, Sprecher für Stadtentwicklung der Linksfraktion, dezernatsübergreifend in enger Abstimmung mit der Stadt Markkleeberg sowie unter breiter Einbeziehung der Bürgerschaft, der Organisatoren des Wave-Gotik-Treffens, von Ausstellern und Messeveranstaltern, von Umweltverbänden sowie Stadtratsgremien erarbeitet und 2016 vorgelegt werden.

Darüber hinaus soll sich die Stadt zum langfristigen Erhalt des Wave-Gotik-Treffens in Leipzig und der Durchführung auf den etablierten Standorten bekennen. Dazu gehört auch die agra. Die Linke schlägt außerdem vor, die Beauftragung der Leipziger Entwicklungs- und Vermarktungsgesellschaft (LEVG) mit der Umsetzung dieses Konzeptes und künftigen Entwicklung des städtischen Areals zu prüfen.

Siegfried Schlegel erinnert daran, dass in den zurückliegenden Jahren wiederholt Anläufe zur Erarbeitung von Konzeptionen und zur Einleitung eines Bebauungsplanverfahrens mit dem Ziel der Umwidmung der agra zum Wohngebiet gestartet wurden. Zielführend und nachhaltig waren aber nur Planungen und Gestaltungs- und Erhaltungsmaßnahmen der Grünbereiche für Freizeit und Erholung, stellt er fest. Diese wurden in Zusammenarbeit mit der Stadt Markkleeberg erarbeitet und werden gemeinsam umgesetzt.

“Bisherige Strategien, wie die des schleichenden Umbaus des agra-Veranstaltungsgeländes zu einem Wohngebiet, bedeuten für das Wave-Gotik-Treffen und andere Veranstaltungen einen Tod auf Raten. Dem wird sich Die Linke entgegenstellen”, so Schlegel. “Wir wollen, dass das agra-Gelände als Veranstaltungs- und Campinggelände genutzt werden kann und deshalb im städtischen Eigentum bleibt.”

Schlegel erinnert auch daran, dass die Entscheidung zur Neuen Messe mit Schließung der Innenstadtmesse und des Messestandortes Alte Messe auch an die Bedingung geknüpft war, die agra als Ausstellungs- und Veranstaltungsgelände zu erhalten. “Da langfristig die verkehrs- und stadttechnische Infrastruktur baulich erneuert und entwickelt werden muss, sollte die stadteigene LEVG, die auch die Alte Messe entwickelt, mit der Umsetzung des Konzeptes beauftragt werden.”

Ganz genauso sieht es auch der Bürgerverein Dölitz, für den es mittlerweile besonders frustrierend ist, dass die Verwaltung die alten Pläne zur Eigenheimbebauung immer wieder aus der Tasche zieht, obwohl sie vor Ort abgelehnt werden und im Stadtrat ebenso abgelehnt wurden.

Der Bürgerverein hat jetzt einen eigenen Forderungskatalog verfasst, der alles bündelt, was sich in den Diskussionen der letzten Jahre an Erwartungen herausgeschält hat. Zum geplanten Edel-Wohngebiet ist die Haltung eindeutig: “In Leipzig gibt es zahlreiche Möglichkeiten, Stadtvillen und Eigenheime in bestehenden Wohngebieten zu etablieren, bevor weitere Flächen neu versiegelt und zugebaut werden. Hinsichtlich der dauernden Lärmbelastung durch die B 2 ist die Hochwertigkeit  der geplanten Einfamilienhäuser fraglich.”

Die jetzt vorgelegte Planung hält der Verein für unrealistisch und irrelevant. Und er fordert eine echte Bürgerbeteiligung. Es gab sogar mal eine. Aber in diesem Fall haben die federführenden Ämter augenscheinlich alles irgnoriert, was da zur Sprache kam. Der Bürgerverein dazu: “Im März 2012 gab es einen Workshop zur zukunftsfähigen Entwicklung der Agra mit Bürgerbeteiligung. Leider gehen keine der dort hervorgebrachten Vorschläge in die Planung ein.”

Und nicht nur das Wave Gotik Treffen, sondern auch die Antikmärkte und einige Verbrauchermessen bringen Leben in das Gelände.

Warum wird es also nicht als kleines Ausstellungs- und Veranstaltungsgelände erhalten und der Großteil des Geländes in die touristische Nutzung überführt? Ist das so unmöglich zu denken? “Die Absicht, den Campingplatz nur temporär einzurichten, wird die Suche nach einem Betreiber erschweren. Außerdem würden Touristen, die das Angebot einmal kennengelernt haben und die wiederkommen wollen, enttäuscht sein, wenn der Campingplatz dann wieder verschwunden ist”, kritisiert der Bürgerverein diese seltsame Vorstellung im Konzeptpapier der Stadt – während andernorts der Grüne Ring zäh darum ringt, irgendeine Art von touristischer Infrastruktur ins Neuseenland zu bringen.

Die gebündelten Forderungen des Bürgervereins Dölitz:

“Wir fordern eine entsprechende Prüfung und Überarbeitung der Planung, die aus unserer Sicht unrealistisch und derzeitig irrelevant ist. Wir fordern eine Bürgerbeteiligung von Anfang an, um Vorschläge und Wünsche der Anrainer mit einzubinden.

Wir fordern die Wahrnehmung und Ernstnehmung der derzeitigen Nutzer des Agra-Veranstaltungsgeländes und keine blinde Planungswut. Wir treten ein für den Erhalt der 65-jährigen Veranstaltungskultur und -tradition in Dölitz, die wieder Bedeutung erlangt hat, internationalen Zuspruch findet und Arbeitsplätze schafft. Die Leipziger Messe wird hier keinen Ersatz schaffen, da das Flair des Agra-Geländes dort für derartige Veranstaltungen nicht zum Tragen kommt.

Wir fordern eine Erweiterung der Grünflächen zur Naherholungsnutzung und lehnen eine großflächige Wohnbebauung ab. Bereits vorhandene Grünflächen dürfen nicht verloren gehen. Eine behutsame Planung des Geländes sollte die unterschiedlichen Ansprüche einbeziehen.

Wir fordern zukunftsfähige Konzepte für das Gelände, z.B durch die langfristige Etablierung geeigneter Veranstaltungen in den Messehallen, Angebote für Jugendliche, innovative moderne urbane Entwicklungen anknüpfend an die traditionellen Landwirtschaftsausstellungen, wie urban gardening, Vertical farms, zukunftsfähige Landschaftsgestaltung oder regionale Kreisläufe auf den Freiflächen.

Wir fordern von den beiden Kommunen Leipzig und Markkleeberg die Erarbeitung eines realistischen Gesamtkonzepts zur Gestaltung des Ausstellungsgeländes, die die Belange der Beteiligten berücksichtigt.

Nur so kann der drohende Verlust an Attraktivität und Lebendigkeit des Agra-Geländes aufgehalten werden.”

Der Standpunkt des Bürgervereins Dölitz.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar