Ein großes Projekt der Stadtgestaltung im Leipziger Westen nimmt so langsam Gestalt an: der Bürgerbahnhof Plagwitz. Wahrscheinlich würde ein Mann wie der berühmte Dr. Carl Heine nur kopfschüttelnd am Wegrand stehen und sich fragen: Was machen die nur? Hier habe ich vor 150 Jahren erst die ganze Leipziger Industrie ans Schienennetz gebracht, jetzt bauen die die Schienen ab und machen einen Park daraus?

Zeiten ändern sich. Industrie ändert sich auch. Und möglicherweise ärgern sich in ein paar Jahren ein paar Leute gewaltig, dass sie nicht wenigstens einige wichtige Gleistrassen im Leipziger Westen erhalten haben. Zwar ist die alte Industrie aus Heines Zeiten fast komplett abgebaut. Da und dort stehen noch schöne Ruinen, andernorts wurden die Klinkerbauten umgenutzt als Kunsträume oder schnieke Lofts. Aktuell ist es wirklich so, dass sich der alte industrielle Westen Leipzigs zu einem begehrten neuen Wohnstandort mausert (wo man auch sozialen Wohnungsbau vorantreiben könnte, wenn man sich endlich traut). Und das heißt: Grün ist hier Gold wert. Attraktive Freiflächen und neue Wegeverbindungen werten das Gebiet weiter auf.

Gestaltung für den Nordteil des Bürgerbahnhofs Plagwitz. Karte: Stadt Leipzig / Stadtplanungsamt
Gestaltung für den Nordteil des Bürgerbahnhofs Plagwitz. Karte: Stadt Leipzig / Stadtplanungsamt

Dazu gehört auch das Projekt Bürgerbahnhof Plagwitz, bei dem ein Teil der alten Gleise des Verladebahnhofs demontiert werden und Platz schaffen für eine neue Gestaltung als Park. Zwei wichtige Entscheidungen sind dazu gefallen. Die Investitionsvorlage für den Park ist durch die wesentlichen Entscheidungsgremien des Stadtrates gewandert. 868.640 Euro will die Stadt hier investieren, um aus der alten Gleislandschaft eine attraktive Parklandschaft zu machen, davon 775.876 Euro aus Fördermitteln, was eine echte Unterstützung dieses Projekts ist, das für den alten Industriestandort Plagwitz einen völlig neuen Grünschwerpunkt setzt.

Ziel ist es, eine neu zusammenhängende attraktive öffentliche Fläche, die die Stadtteile Plagwitz – Grünau – Kleinzschocher verbindet, zu schaffen. Neben zahlreichen Durchwegungen entstehen ein 6,5 Hektar großer urbaner Wald sowie Parkflächen, aber eben auch Freiflächen (8.000 m²) für Bürgerprojekte.

Und – nachdem Stadt und Deutsche Bahn bekundet hatten, dass sie über das Stück Bahngelände verhandeln wollen –  ist nun auch dazu die Entscheidung gefallen.

Seit Anfang 2009 wurde in einem intensiven Arbeitsprozess aus Verwaltung, Planern und Bürgern die alte Bahnbrache des im 19. Jahrhundert größten Güterbahnhofs Europas als öffentliche Fläche konzipiert. In einem städtebaulichen Vertrag hatten bereits 2013 Stadt und Bahn für nicht betriebsnotwendig Bahnflächen Interesse am Kaufen bzw. Verkaufen bekundet. Am Donnerstag, 5. März, ist es endlich zu einer Übereinkunft zwischen Bahn und Stadt gekommen.

Dem Kauf des 8,3 ha großen Grundstückes für rund 400.000 Euro hatte bereits im Februar der Grundstücksverkehrsausschuss in öffentlicher Sitzung mit großer Mehrheit zugestimmt.

Gestaltung für den Südteil des Bürgerbahnhofs Plagwitz. Karte: Stadt Leipzig / Stadtplanungsamt
Gestaltung für den Südteil des Bürgerbahnhofs Plagwitz. Karte: Stadt Leipzig / Stadtplanungsamt

Mathias Weber, SPD Stadtrat und Mitglied in der Initiative Bürgerbahnhof Plagwitz: „Ich bin überglücklich. Heute ist für viele, die das Projekt seit Jahren begleiten, ein denkwürdiger Tag.” Es war immer wieder unklar, ob die Stadt in den Besitz der Flächen kommt. Zwischenzeitlich wurden Gerüchte laut, dass Immobilienentwickler sich um die Flächen bemühten. Der Planungs- und Gremienstand ist jedoch soweit fortgeschritten, dass bereits im April angefangen werden kann zu bauen.

Der Nordkopfbereich direkt am Güterbahnhof Plagwitz wurde bereits 2013 realisiert. Mit dem Bau der Antonienbrücke werden auch die Parkteile im Brückenumfeld hergerichtet. Am südlichen Park und den Bürgerflächen wurde Ende 2014 begonnen zu arbeiten.

„Bereits der Arbeitsprozess ist eine Erfolgsgeschichte”, resümiert Matthias Weber. “Das Co-Working aus Stadt, Planern und Bürgern verhalf immer wieder dazu, kritische Momenten, wie zum Beispiel der Verlängerung der Ruststraße, Lösungen zu finden. Ich bin mir sicher, in wenigen Monaten schon wird der ‘BürgerBahnhofPlagwitz’ zu einem Anziehungspunkt. Dafür sorgen vor allem die unterschiedlichen Bürgerprojekte Bauspielplatz, Bürgergärten, Analinde und das geplante Cafe.”

Und Dr. Carl Heine? – Wollen wir wetten, dass der Mann heute längst ein Immobilienunternehmen gegründet hätte, das wieder bezahlbaren Wohnraum baut in Plagwitz, gleich in Verbindung mit Kitas, Schulen, Seniorenheimen? Alles aus einem Guss und für normale Leipziger bezahlbar?

Dumm nur, dass die Heines selten geworden sind in Leipzig.

Die Vorlage für die Ratsversammlung.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Nach der erlebten, offenkundig planmäßigen Entindustrialisierung Leipzigs, ist die allgemeine Vernachlässigung, bzw. das gezielte Verschwinden der Infrastruktur, nur der logisch nächst folgende Schritt.
Und mit etwas Wiese und parkähnlicher Baumbepflanzung kann so manch aufgewühltes Gemüht erfolgreich beschwichtigt werden – das war schon immer so und wird auch heute wieder funktionieren.

Schreiben Sie einen Kommentar