Es wird sich ja recht emsig gestritten in den Kommentaren zu L-IZ-Artikeln: Wieviel Leerstand hat Leipzig denn eigentlich noch? 10 Prozent? 7 Prozent? Sind's gar nur noch 5 Prozent? - Die Wahrheit ist: Niemand weiß es. Die letzten (mehr oder weniger) belastbaren Zahlen stammen aus dem Jahr 2011. Nur eines steht fest: Das Bevölkerungswachstum hat mittlerweile fast alle Ortsteile erfasst. Auch Grünau.

Das war schon seit einer geraumen Weile wichtige Argumentation der dort tätigen Wohnungsgenossenschaften, die aus gutem Grund so langsam die Nase voll hatten, dass die Plattenbausiedlung in einigen Medien immer noch als höchstproblematisch und vom Wegzug geprägt dargestellt wurde. Doch je mehr sich das Wohnungsangebot in Leipzig verdichtet, umso mehr rücken die kleinen, oft schon energetisch sanierten Wohnungen im Stadtteil im Westen Leipzigs in den Fokus der Mieter, die nach bezahlbarem und infrastrukturell gut vernetztem Wohnraum suchen.

Oder soll man es sogar so formulieren?: Seit die S-Bahn S1 wieder nach Grünau fährt, ist die Attraktivität des Wohnens in den sanierten Wohnblöcken deutlich gestiegen.

Die Wohnungsgenossenschaft „Lipsia“ eG und die PISA Immobilienmanagement GmbH & CO. KG, die beide in Grünau tätig sind, wollten es jetzt genauer wissen, wie es um den Leerstand in Grünau steht. Und sie stellen dabei fest, was eigentlich so fern nicht liegt: Die sanierten Wohnungen sind gefragt. Hier hat man eigentlich längst keine Probleme mehr, interessierte Mieter zu finden. Höher sind die Leerstandsquoten nur im nichtsanierten Bereich.

Während der Gesamtleerstand im sanierten Bereich bei  3,6 Prozent (2013: 5,1 Prozent) liegt und dabei stetig zurückgeht, befindet er sich im unsanierten Bestand bei 15,0 Prozent (2013: 14,3 Prozent).

„In Grünau sind unsere Bestände zu 83 Prozent saniert oder teilsaniert. Unsanierte Wohnungen werden immer weniger nachgefragt. Deshalb investierten wir vergangenes Jahr 9,8 Millionen Euro in unseren Bestand“, erklärt dazu Wilhelm Grewatsch, Vorstand der Lipsia. Sein erfolgreichstes Wohnquartier liegt deshalb auch in den sanierten Gebäuden des WK 8 unweit des Kulkwitzer Sees, neben der S-Bahnlinie 1.

„Aktuell liegt der Leerstand hier bei knapp über einem Prozent. Übrigens investieren wir im WK 8 auch in Neubau. Für die neuen Objekte der Kulkwitzer See-Terrassen haben wir schon jetzt vier Anmeldungen pro Wohnung – von Leerstand ist keine Rede“, erzählt Wilhelm Grewatsch.

Ähnlich positiv entwickelt sich bei der Wohnungsgenossenschaft auch das WK 1 mit einem Leerstand von gerade mal 3,4 Prozent (2013: 4,6 Prozent), dicht gefolgt vom WK 4 mit 4,8 Prozent Leerstand (2013: 7,3 Prozent).

Dabei ist die Entwicklung in den Quartieren nicht überall gleich – wie die WG „Lipsia“ eG betont. Zur Wohnungsgenossenschaft gehören in Grünau über 3.100 Wohnungen.

Und auch in den Außenbereichen Grünaus tut sich was. Die PISA Immobilienmanagement GmbH & Co. KG, die in Grünau rund 1.000 Wohnungen vorrangig in Lausen-Grünau in der Vermietung betreut, konnte beispielsweise ihre Leerstandsquote in dem teil- und sanierten Bestand innerhalb von zehn Jahren um zwei Drittel auf mittlerweile unter 10 Prozent reduzieren.

„Wir haben den größten Leerstandsrückgang seit der Wende. Generell zeichnet sich ab, dass nach und nach Mieter aufgrund der aktuellen Mietpreisentwicklung aus zentraleren B- und C-Lagen abwandern und gezielt in Randlagen suchen. Grünau wächst aufgrund von Zuzügen aus anderen Stadtgebieten und weil die Abwanderung sinkt. Es gründen nach wie vor viele in Grünau geborene Mieter auch dort ihre eigenen Familien“, erklärt dazu Vermieterin Nicole Brumme.

Wer sich die Stadtteile, direkt im Umfeld der Leipziger City gelegen, nicht mehr leisten kann, zieht also öfter nach Grünau. Das Schmuddelimage ist der Stadtteil längst los. Und auch ein anderer Aspekt, der jahrelang kennzeichnend für Grünau war, ändert sich jetzt: Aktuell hat der Stadtteil rund ein Drittel Rentner. Doch der demografische Wandel führt zu einer vielleicht gar nicht so überraschenden Neuerung.

„Wir beobachten neuerdings vermehrt Zuzüge von jungen, berufstätigen Familien aus anderen Vierteln. Für die Zukunft ist zu erwarten, dass der jetzt noch hohe Anteil von Menschen der Generation 60plus sich weiter verringert“, erklärt Geschäftsführer Timo Pinder von PISA Immobilienmanagement GmbH & Co. KG. Parallel dazu sinke auch der Anteil der Menschen, die staatliche Unterstützung beziehen. So nahm der Anteil von Transferleistungsempfängern bei Neuvermietung von 50 Prozent im Jahr 2012 auf 35 Prozent im vergangenen Jahr ab.

Drei Aspekte benennen die Vermieter derzeit als wesentliche Gründe für den neuen Zuzug nach Grünau: die verkehrsgünstige Lage (die sich durch die S1 deutlich normalisiert hat), die mittlerweile gut sanierten Bestände und – für viele Leipziger mittlerweile ein wichtiges Entscheidungskriterium – stabile und im Stadtvergleich zum Teil günstigere Mieten.

Eine sanierte Plattenbauwohnung kostet beispielsweise bei der WG Lipsia je nach Lage 4,92 Euro/m² (2013: 4,93 Euro/m²). Im teilsanierten Bereich zahlen Genossenschaftsmitglieder häufig nur 3,96 Euro (2013: 3,93 Euro).

Und der Blick ins Ortsteilregister zeigt, wie Grünau sich aus dem Nach-Wende-Tal herausarbeitet. Seit der Wende sank die Zahl der Grünauer von 84.800 auf 40.312 (2013). Die Prognose der Stadt Leipzig bis 2015 geht von einem eindeutigen Wachstum aus. Im besten Fall könnte Grünau auf 49.920 Menschen wachsen, realistisch sind voraussichtlich 44.200 Grünauer. Aber man weiß ja, wie das mit Prognosen ist: Meistens kommt es anders … Dann wird Neubau ein Dauerthema, auch in Grünau.

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