"Schock!!!!", meldete die IG Karli im Dezember. Da hatte die Interessengemeinschaft der Gewerbetreibenden auf der Karl-Liebknecht-Straße mal wieder einen neuen Gestaltungsentwurf für die künftigen Gehwege auf der KarLi zu Gesicht bekommen - und sah die schönen breiten Freisitzflächen radikal verkleinert. Was war da los? Noch im Dezember trommelte man Stadtplaner und Stadträte zusammen, sich das Malheur zu betrachten.

Man konnte es zwar im Dezember noch nicht lösen. Bauleiter und Verantwortliche der Stadt Leipzig sagten aber zu, für das Problem eine Lösung zu finden. Die hat das Verkehrs- und Tiefbauamt der Stadt am Donnerstag, 19. März, vorgelegt. Zumindest zum Teil. Und auch begründet, warum die alten Freisitzdimensionen in der neu gestalteten KarLi so nicht mehr möglich sind.

“Die Stadt Leipzig möchte auch weiterhin den Umbau der Karl-Liebknecht-Straße gemeinsam mit den Gastwirten, Einzelhändlern und Anliegern entlang der Straße begleiten und umsetzen”, betont das Amt, das für den städtischen Teil der Baumaßnahmen die Federführung hat. “Der Bauablauf ist im Zeitrahmen, und die Bauherren gehen davon aus, den Umbau der Straße wie geplant zum Ende dieses Jahres abzuschließen. Auch in der Diskussion um Größe und Lage der Freisitze vor Kneipen und Restaurants haben Betreiber und Stadt grundsätzlich Lösungsmöglichkeiten finden können.”

Ein Beispiel für mühevolles gemeinsames Ringen um Kompromisse, das die Stadt ganz bestimmt braucht – auch um bei den nächsten Magistralen-Projekten schon mal zu wissen, wo die Bauchschmerzen der Gewerbetreibenden auftauchen können. Auf der KarLi sind die Gemengelangen natürlich ganz besondere, weil sich Besucher wie Betreiber in den letzten Jahren auf eine richtig üppige Freisitzlandschaft eingestellt haben. Nirgendwo sonst in Leipzig sitzt man so direkt mitten im Hauptstraßengewühl. Das genießen eine Menge Leute. Aber das ist künftig nicht mehr überall so möglich.

Offen ist jetzt noch die stadteinwärtige Seite zwischen Körner- und Shakespearestraße.

“Hier geht es zwar eng zu, jedoch wurde zum Erhalt des lebenswerten Straßenraums frühzeitig in der Planung auf einen besonderen Bahnkörper verzichtet, um auch den vielfältigen Nutzungsansprüchen in den Gehwegbereichen Rechnung zu tragen, die in der vorhandenen Breite erhalten werden”, betont das Verkehrs- und Tiefbauamt die Ausgangslage. Immerhin hätte Leipzig ein paar 100.000 Euro mehr Förderung bekommen können, hätten die Leipziger Verkehrsbetriebe der Straßenbahn auch zwischen Körner- und Shakespearestraße ein eigenes Gleisbett verpasst. Darauf hat man aber verzichtet, um die Freisitze in diesem Straßenabschnitt nicht gänzlich zu gefährden.

“Grundsätzlich gilt jedoch auch hier, wie in den anderen Bauabschnitten: Fußwege sind öffentliche Flächen und als solche grundsätzlich zunächst auch Fußgängern vorbehalten”, betont das Verkehrs- und Tiefbauamt jetzt das eigentliche Problem, das eine Beschneidung der Freisitze trotzdem notwendig macht.

Die Stadt strebt in diesem Straßenabschnitt für die Fußgänger eine frei begehbare Mindestbreite von 3,10 Meter an, wie sie einer Hauptgeschäftsstraße angemessen ist. Auch künftig sollen sich entlang der Karl-Liebknecht-Straße beispielsweise Senioren, Mütter und Väter mit Kinderwagen und Menschen mit Behinderungen ungehindert bewegen können, betont das VTA. Obwohl es sich dazu auf die geltenden Bauvorschriften berufen kann, die solche Gehwegbreiten für Hauptverkehrsstraßen als Norm betrachten. Je höher die Fußgängerfrequenz, umso breiter müssen auch die frei gehaltenen Gehwege sein.

Eine Gehwegbreite von unter 3,10 Meter wäre hier nicht ausreichend.

“Die sich als Ober- und Unterstreifen anschließenden anderen Flächen des Gehweges stehen den weiteren Funktionen wie Geschäftsauslagen, Freisitzen, Baumpflanzungen, Anlieferzonen etc. zur Verfügung”, betont das VTA.

Ferner gelte auch in diesem Abschnitt der in Leipzig mit Erfolg praktizierte Grundsatz, dass unterschiedliche Nutzungen durch unterschiedliche Bodenbeläge kenntlich gemacht werden. Dies erleichtere allen Nutzern die Orientierung. Daher sei das sogenannte Fußgänger-Granitband grundsätzlich auch Fußgängern vorbehalten.

Die Beauftragte der Stadt für Menschen mit Behinderungen, Carola Hiersemann, erklärt dazu: “Gehwege, die aus einem Band breiter Granitplatten bestehen und gesäumt werden von Mosaikpflaster – so wie in Leipzig oftmals die Regel und wie sie jetzt auch an der Karl-Liebknecht-Straße entstehen sollen – bilden z. B. für blinde Menschen ein natürliches Leitsystem. Mit dem Langstock kann man sehr gut den Unterschied zwischen dem rauen Mosaik und den glatten Platten spüren. Daran entlang können sich blinde Menschen gut orientieren. Schlimm für sie ist es, wenn immer wieder Hindernisse in diesen Weg gestellt werden, dann ist die Orientierung weg.”

Was dann für den Straßenabschnitt nach Beendigung der Bauarbeiten bedeuten wird: Die Breite der bis jetzt direkt im Anschluss an die Gebäude genehmigten fünf Freisitzflächen wird sich verringern.

Den betroffenen Wirten ist daher angeboten worden, ihre Freisitze bei Bedarf zusätzlich auf den Unterstreifen zwischen Granitband und Straße auszuweiten, benennt das Verkehrs- und Tiefbauamt das Ausweichangebot. “Die dabei auftretende Querung des Fußweges durch das Gaststättenpersonal erscheint hinnehmbar und auch praktikabel, wie die Praxis anderer Freisitze entlang der Karl-Liebknecht-Straße zeigt.”

Doch dieses Angebot lehnen die ansässigen Gastronomen bislang ab. “Leider”, heißt es aus dem Rathaus.

Aber wer auf diesem Teil der KarLi zu Fuß oder gar mit Kinderwagen oder Rollator unterwegs ist, weiß, wie wichtig ein notwendig breiter Gehweg hier ist. Und zwar gerade dann, wenn die Freisitze voll besetzt sind.

Man wolle offen bleiben für das Gespräch mit den Wirten, betont das Verkehrs- und Tiefbauamt: “Die Stadt steht weiterhin zu ihrem Angebot an die Gastronomen, wie auch zu ihrer Aufgabe, den öffentlichen Raum für alle Nutzungsansprüche angemessen zu gestalten. So, wie es auch dem Ergebnis der großen Bürgerbeteiligung, des Karli-Beirates und des Stadtratsbeschlusses entspricht.”

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