Am Mittwoch, 25. März, ging's geradezu dramatisch zu im Leipziger Stadtrat. Da stand der Verkauf des Grundstücks Zschochersche Straße 12 auf der Tagesordnung. Eigentlich mit einer simplen Vorlage des Wirtschaftsdezernats. Der OBM sollte beauftragt werden, die Verhandlungen mit dem Meistbietenden aufzunehmen. Aber dann rasselten gleich mal drei Änderungsanträge ins Verfahren.
Und es sah zumindest in den Wochen davor, seit die Vorlage des Wirtschaftsdezernats durch Ausschüsse und Stadtbezirksbeirat tingelte, nicht gut aus für dieses städtische Grundstück. Schon im letzten Sommer hing das Damoklesschwert über der Fläche, die nun seit einigen Jahren vom engagierten Freiraumprojekt Annalinde genutzt wird. Schon die Absicht des Leipziger Liegenschaftsamtes, das Grundstück zu verkaufen, ließ die Wogen hoch schlagen. Fiel der Stadtverwaltung jetzt wirklich nichts Besseres ein?
Aber nicht nur die Verwaltung sieht nach wie vor im Verkauf solcher Flächen die Chance, die Kassen zu füllen – obwohl selbst das am Ende höchste Gebot von 142.000 Euro tatsächlich nur Kleingeld ist. Das verschwindet im großen Magen des Leipziger Investitionsgeschehens. Die kleinste Bauverzögerung an irgendeinem beliebigen Projekt sorgt dafür, dass so eine Summe sich in Luft auflöst. So verfrühstückt eine Stadt ihren Besitz und stellt nicht mal Weichen damit.
Aber nicht nur die Vorlage des Wirtschaftsdezernats sah anfangs den Verkauf an den Meistbietenden vor. Die beiden FDP-Stadträte René Hobusch und Sven Morlok stellten einen Antrag im gleichen Sinn. Sie stellten zu Recht fest, dass die Gebote für dieses Grundstück in einem wachsenden Stadtteil eindeutig zu niedrig waren. Hätte die Stadt das höchste Gebot akzeptiert, hätte sie das Gelände geradezu verschenkt.
Man denke nur an den aktuellen Streit um ein ähnliches Grundstück an der Leopoldstraße in Connewitz, das in Privatbesitz ist, seit Jahren als kleiner Park genutzt wird und für 2 Millionen Euro zum Kauf angeboten wird. Zwischen den 142.000 Euro in Plagwitz und diesen 2 Millionen liegen Welten. Und das hat nicht nur mit den verschiedenen Stadtteilen zu tun. Den städtischen Ämtern ist oft gar nicht mehr bewusst, welches Potenzial in vielen ihrer Grundstücke steckt.
Aus dem Antrag der FDP-Stadträte: “Durch das unerwartet große Kaufinteresse, bedingt durch die aktuelle Veränderung des Konsumentenverhaltens am Immobilienmarkt, sowie die sehr gute Lage und Infrastruktur des Grundstücks ist davon auszugehen, dass ein höherer Kaufpreis gegenüber den abgegebenen Geboten erzielbar ist.”
Dass man zu diesem Preis nicht verkaufen darf, war auch der SPD-Fraktion klar, die in einem eigenen Antrag die sofortige Beendigung des Kaufverfahrens forderte und das Thema Erbbaurecht zur Sprache brachte.
Da war man eigentlich mit der Grünen-Fraktion fast einer Meinung. Aber die Grünen wollten sich auf ein Pokerspiel im Stadtrat gar nicht erst einlassen, sondern klingelten gleich direkt beim Wirtschaftsdezernat und formulierten ihren eigenen Antrag dann mit diesem gemeinsam.
“Das öffentliche Ausschreibungsverfahren zum Verkauf wird beendet”, hieß es darin am Schluss. “Das Grundstück wird zur Vergabe von Erbbaurecht neu ausgeschrieben, mit dem Ziel, den denkmalgeschützten Gewölbekeller zu sanieren und diesen dauerhaft als gastronomische und kulturelle Einrichtung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.”
Das Ergebnis am 25. März: Mit großer Mehrheit hat der Stadtrat entschieden, dass das öffentliche Ausschreibungsverfahren zum Verkauf der Liegenschaft Zschochersche Straße 12 in Leipzig-Plagwitz beendet wird. Das Grundstück wird nun tatsächlich zur Vergabe von Erbbaurecht erneut ausgeschrieben.
Der Stadtrat stimmte mit 42 Ja-Stimmen, 23 Nein-Stimmen und einer Enthaltung dem Änderungsantrag der Stadtratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen zu. Das Vorhaben soll nun von Interessenten mit einem Nutzungskonzept untersetzt werden. Es soll außerdem Angaben hinsichtlich eines kostendeckenden Betriebes bei Gewährleistung eines möglichst hohen öffentlichen Nutzens enthalten sowie den denkmalpflegerisch wertvollen Bau und den Garten respektieren.
Die Annalinde soll also erhalten bleiben. Grünen-Stadtrat Tim Elschner, Mitglied des Grundstückverkehrsausschusses, ist nun zuversichtlich: „Eine neue, andere Liegenschaftspolitik ist möglich!“
Vor dem Hintergrund des auf dem Grundstück befindlichen denkmalgeschützten und geschichtsträchtigen Gewölbekellers und der Nutzung einer überwiegend unbebauten Teilfläche von rund 840 Quadratmetern als sogenannter „Nachbarschaftsgarten“ hatte Elschner in seiner Stadtratsrede eindringlich dafür geworben, dass die Liegenschaft im kommunalen Eigentum verbleiben solle: „Lassen Sie uns einen Paradigmenwechsel einleiten, damit nicht weiterhin allein des schnellen Geldes wegen nach und nach ein gutes Stück Zukunftssicherung aufgegeben wird!“
Elschner kritisierte in diesem Fall, dass das Liegenschaftsamt trotz guter Erfahrungen das Erbbaurecht ausgerechnet in diesem Fall schlecht rede. Er verwies in seiner Rede deshalb auf weitere Vorzüge einer Vergabe nach Erbbaurecht: „Mit dem Erbbaurecht lässt sich nicht nur eine nachhaltige Stadtentwicklung praktizieren. Auch lässt sich auf die Gestaltungsqualität verbessert Einfluss nehmen.“
Was trotzdem nicht ausschließt, dass sich kein Pächter findet. Dann geht das Grundstück doch wieder in den Verkauf. Der Passus im Beschluss lautet: “Zeigt sich, dass sich aus der öffentlichen Ausschreibung kein Interessent findet und/oder sich kein Konzept für einen selbsttragenden Betrieb mit möglichst hohem öffentlichem Nutzen ergibt, strebt die Stadt eine erneute öffentliche Ausschreibung zum Verkauf mit entsprechend weitgehend kultureller Nutzung an.”
Nur muss eine Stadt wie Leipzig ihre Chancen eben auch nutzen. Und der Streit im letzten Jahr um den Weiterbestand von Annalinde hatte ja gezeigt, dass die Leipziger Liegenschaftspolitik nicht mit solchen Prüfungen alternativer Wege untersetzt ist. Jetzt gibt es für das Gelände und den Gewölbekeller noch einmal eine Chance. Auch die, hier ein neues, dauerhaftes Kleinod in dichter Nachbarschaft zum Felsenkeller und zur Stadtteilbibliothek “Georg Maurer” zu schaffen. Ein grünes Herz für Plagwitz und Lindenau, die auch deshalb zu den derzeit beliebten Stadtteilen gehören, weil sie solche grünen Inseln noch besitzen.
Die ursprüngliche Vorlage des Wirtschaftsdezernats.
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Elschner kritisierte in diesem Fall, dass das Liegenschaftsamt trotz guter Erfahrungen das Erbbaurecht ausgerechnet in diesem Fall schlecht rede. Er verwies in seiner Rede deshalb auf weitere Vorzüge einer Vergabe nach Erbbaurecht: „Mit dem Erbbaurecht lässt sich nicht nur eine nachhaltige Stadtentwicklung praktizieren. Auch lässt sich auf die Gestaltungsqualität verbessert Einfluss nehmen.“
Klingt ja nicht schlecht. In der Zwischenzeit ist die Verwaltung bezüglich ihrer Liegenschaftspolitik ein gebranntes Kind und hat sich im Schneckenhaus verkrochen.
Ich habe aber gewisse Zweifel, ob sich Herr Elschner tatsächlich über die Vor- und Nachteile bezüglich des Erbbaurechts für dieses Objekt im Klaren ist.
Dabei darf etwas nicht unbeachtet bleiben, was in Leipzig zwar (u.a. von der Politik, den Medien) unter der Decke gehalten wird, aber ein offenes Geheimnis ist. Es dürfen mit solchen Objekten nicht neue “Brennpunkte” in Leipzig geschaffen werden, wie sie in Connewitz zur Genüge existieren. Wer das ignoriert, weis nicht was er sagt und tut! Auch deshalb habe ich erhebliche Zweifel, dass hier ein Erbbaurecht der vernünftigste Weg ist.
Diese niedrigen Preise (ist ja nicht das erste Mal, dass so etwas passiert) deuten für mich auf korruptive Strukturen. Aber man soll ja keine Verschwörungstheorien aufstellen…