Im zweiten Teil der Aussprache in der Bürgerversammlung zur eventuell geplanten Flüchtlings-Erstunterbringung in Wiederitzsch entstand dann, nachdem es zwischendurch wieder ruhiger zur Sache gegangen war, nochmals ein gewisses Gewimmel im Haus Auensee. Nachdem am Montag, 17. November in Teil 1 der Aussprache deutlich geworden war, dass die ganze Frage der Errichtung noch unklar ist, ging es um die fehlenden Vertreter der Stadt Leipzig bei der Veranstaltung und Immobilienpreise in Wiederitzsch. Und um die grundlegenden Fragen, was denn nun Asyl, was Duldung und was subsidiärer Schutz sei.
Nach weiteren Befürchtungen zu Gewalt und Kriminalität entstand zudem eine spontane Saalwette. Zwei im Podium versprachen im Falle einer Erstaufnahme im ehemaligen Bundeswehrkrankenhaus zeitweise nach Wiederitzsch umzuziehen. Doch die Skepsis bei den vorrangig Wiederitzschern und Gohlisern blieb bis zum Schluss der Veranstaltung. Von schmalen Gehwegen, fallenden Immobilienpreisen wurde gesprochen – ein Mann fragte nach, ob ihm das Land Sachsen nun sein Haus abkaufen würde oder den Schaden ersetze, welcher ihm bereits jetzt entstanden sei.
Interessant der Verweis hier auch auf die Banken, welche offenbar bereits nach den Ausführungen eines weiteren Redners aus dem Publikum dabei seien, die Häuser im Wert neu zu berechnen.
Zum Teil 2 der Bürgerdebatte am 17. November 2014 auf L-IZ.de (Audios)
Zu den Einführungen von Seiten Polizei und Innenministerium auf L-IZ.de (Audios)
Erst fragte sich der Wiederitzscher Ortschaftsrat Friedrich (SPD) und alle anderen im Saal öffentlich, wieso kein Stadtvertreter Leipzigs anwesend sei und ob sich dass seine Parteigenossen Thomas Fabian und Burkhard Jung leisten könnten. Etwas was angesichts der Verzahnung von Stadt und Land auch bei Erstaufnahmeeinrichtungen vielleicht besser gewesen wäre. Enttäuscht sei er darüber und würde dies auch innerhalb seiner Partei noch weitergeben. Dass die Aufnahme von Flüchtlingen selbstverständlich sei, stehe für ihn außer Frage. Nur die Einbezugnahme der Bürger geschehe für ihn nach wie vor zu spät, auch bei der Suche nach Standorten seien die Bürger einzubeziehen.
Wie sein Nachfolgeredner fragte auch er sich und das Podium, warum man mit den Informationen nicht offener umgehe.
Ein weiterer, hörbar erboster Mann fragte dann nochmals energisch nach dem gesamten Sinn der Veranstaltung, da es nur ausweichende Antworten gäbe. Wieso zum Beispiel die vier anderen für eine übergangsweise geplante Erstaufnahmeeinrichtung in Sachsen nicht genannt werden könnten. Glauben wollte er dem Podium nicht allzu viel und er habe die Schnauze voll von dieser Art es Umgangs der Politiker mit den Bürgern.
Es antwortete Dr. Michael Wilhelm und Moderator Stawowy assistierte dabei. Nur 1,1 Prozent Gewährung von Asyl bei allen Anträgen der Flüchtlinge: Ist das ein “Pulverfass” auch bei den Flüchtlingen untereinander und stimmt die Prozentzahl derer, die in Deutschland bleiben dürfen damit überhaupt schon? Natürlich nicht, denn Duldungen werden auch aus gravierenden Gründen ebenso ausgesprochen, wie der sogenannte subsidiäre Schutz. Doch wann gilt was? Und wie viele Menschen, die fliehen mussten, dürfen wirklich bleiben?
Staatssekretär Michael Wilhelm stiftete hierbei etwas Durcheinander, was später von der Chefin des Leipziger Flüchtlingsrates bereinigt wurde, als es um die verschiedenen Prozente von Aufenthaltsberechtigten ging. Auch, wie hoch der Anteil aller Flüchtlinge aus Syrien ist und ob es unter den Flüchtlungen nicht Gewalt gäbe, wollte der Fragesteller zudem wissen. Das Fazit: Offenbar ist mittlerweile klar, dass viele Menschen unmöglich weiter in Syrien bleiben konnten. Über Eritrea und die Zustände an anderen Orten der Welt scheint noch einiges unbekannter zu sein. Es antwortete Dr. Michael Wilhelm und zu den Erfahrungen in den Erstunterkünften Kai Jatzenko. Ergänzungen von Moderator Peter Stawowy.
Gibt es einen Effekt bei solchen Veranstaltungen? Was nehmen Politiker und Bürger mit? Ein Wiederitzscher konstatierte für sich, dass er angesichts der Umstände darauf hoffe, ja sogar vertraue, dass die Politiker eine sachgerechte Entscheidung treffen würden. Und erinnerte an die Flüchtlinge, welche auch Sachsen bis 1989 waren. Unangenehm sei ihm eher aufgefallen, dass eine Handvoll der Gäste am 17. November mit Sprüchen aufgefallen waren, welche die Abschiebung von Menschen verlangten, die schlicht des Schutzes bedürften.
Anschließend ordnete Sonja Brogiato, Vorsitzende des Leipziger Flüchtlingsrates, nochmals die verschiedenen Kriterien des Schutzes, des Asyls und der Duldungen ein. Dabei griff sie auch Staatsminister Dr. Michael Wilhelm für die fehlerhafte Suggestion an, er würde hier den Anschein erwecken, dass alle Syrer und Flüchtlinge aus anderen Ländern rasch wieder abgeschoben würden. Nicht 1,1 Prozent sei die richtige Zahl sondern man nähere sich über die verschiedenen Arten der Schutzbedürftigkeiten (zum Beispiel politische Verfolgung, Bürgerkriege, religiöse Verfolgung) eher der 30 Prozentmarke. Ihr sei überdies kein Vorhaben der Stadt Leipzig bekannt, eine weitere Dauereinrichtung in Wiederitzsch zu schaffen.
Sie rief dazu auf, einen Unterstützerkreis, wie bei allen Leipziger Asylunterbringungen bereits bestehend, auch um die Erstaufnahmeeinrichtung zu bilden sei. Gegen Mitte von Teil 2 der Aussprachen gab es so etwas wie eine Saalwette. Ein älterer Herr, welcher direkt an der möglichen Erstaufnahmeunterkunft wohnt, bat nach seinen Ausführungen rings um seine Sorgen mit der Einrichtung darum, der Staatssekretär möge bitte eine Wohnung in der Nachbarschaft der Bahnhofstraße mieten. Am Kamillenweg würde gerade ein Haus in Fertigstellung sein, in welches man einziehen könnte. Überraschend sagte Dr. Michael Wilhelm zu. “Das verspreche ich Ihnen, dass mache ich”, so der Staatssekretär des Innenministeriums und gab dem Mann die Hand darauf. Bernd Merbitz schloss sich an.
Was also heißt: Für 2 Wochen bis einem Monat würden der Staatssekretär und der Leipziger Polizeipräsident zu Kurzzeitnachbarn der Wiederitzscher, sollte die Erstaufnahmeeinrichtung kommen. Moderator Peter Stawowy schilderte nochmals die Situation in Schneeberg im Vergleich, während man die Adressen austauschte. Kurz darauf (am Ende des Audios) meldete sich auch der Eigentümer des Hauses und freute sich, zwei solvente Mieter gefunden zu haben.
Was geschieht mit Immobilienpreisen in der Umgebung einer Erstunterbringung? Die durch Eigentumshäuser geprägte Siedlung Wiederitzsch bringt diese Frage mit sich. Ein Nachbar meldete sich zu Wort und schilderte, dass er sein Haus verkaufen müsse. Er habe bereits Absagen erhalten, nachdem die Medien über die mögliche Errichtung der Flüchtlingsaufnahme berichtet worden war.
Es antwortete Staatssekretär Dr. Michael Wilhelm und betonte, dass er da gern helfen würde, aber ein Abkauf des Grundstückes oder Schadenersatz seitens des Freistaates sei nicht möglich. Daraufhin meldete sich ein Mann, welcher leider nicht ins Mikrophon sprach (Wir bitten die Tonqualität zu entschuldigen, etwas lauter stellen) und titulierte den Vorgang als Enteignung der Wiederitzscher. Er verwies auf die Neubewertungen der Grundstücke durch Banken und den Wertverlust der Immobilien.
Eine Frau erkundigte sich kurz vor Schluss danach, was nun die Alternative sei, wenn die Erstaufnahmeeinrichtung in Wiederitzsch nicht klappen würde. Dr. Wilhelm nannte nochmals ausdrücklich die Aternative “Container” oder Zelte als Ersatz. Er habe keine Alternativen mehr und nach dem, was er in der Veranstaltung über “Golden Gate” gehört habe, sei es nun wohl für ihn an der Zeit “in Containern zu denken”.
Dieses Thema “Immobilienpreise” tauchte dann am Ende in einem Dialog zwischen dem Eigentümer des Hauses am Kamillenweg und Dr. Michael Wilhelm erneut auf. Der Mann fragte nochmals nach, wie er nun den Sinn der Veranstaltung zu verstehen habe. Er habe nicht das Gefühl, dass es auf Seiten des Innenministeriums noch ein Zurück gäbe bei der Erstaufnahmeeinrichtung.
Am Schluss der Veranstaltung war man sich dann irgendwie gemeinsam sicher, dass nichts sicher ist in Sachen ehemaliges Bundeswehrkrankenhaus. Die Argumente der Versammlung würde Dr. Wilhelm an Innenminister Markus Ulbig weitergeben, versprach er. Zudem wies er nochmals darauf hin, dass die Anmietung, wenn sie denn geschehen könne, auch mit sich bringe, dass die Stadt Leipzig ihm eine Zusage gebe, dass der Bau nach drei Jahren in eine Unterbringung für Polizeibeamte umgewandelt werden könne.
Am Ende wurde noch kurz geklärt, dass in Erstaufnahmeeinrichtungen untergebrachte Kinder nicht in die Schule gehen, so lange sie nicht in ihrer Dauerunterkunft und damit in ihre erste neue Schule in Sachsen geleitet worden sind. Die Erläuterungen, warum dies so ist und was diesbezüglich getan werden muss übernahmen Dr. Michael Wilhelm und Peter Stawowy.
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