Seit einiger Zeit versucht sich das Land Sachsen in einer Notmaßnahme im ehemaligen Bundeswehrkrankenhaus Leipzig-Wiederitzsch. Hier bei der Errichtung einer in Landesverantwortung stehenden Erstunterkunft als Vorläufer für die 2017 kommende Max-Liebermann-Straße in Gohlis-Nord. Auf Drängen der Wiederitzscher nach den vielen verschiedenen Informationen zu Planungen im ehemaligen Bundeswehrkrankenhaus in ihrem Ortsteil hatte das Sächsische Staatsministerium am Montag, 17. November ins Haus Auensee geladen. Eine ziemliche Überraschung gab es im vollen Saal gleich zum Start. Einen Staatssekretär des Inneministeriums, der wusste, dass er eigentlich noch nichts weiß.
Das Podium hatte sich aufgereiht und es trat langsam Ruhe ein im Saal als Staatssekretär Dr. Michel Wilhelm ans Rednerpult trat. Sein Problem, was durchaus auch im mit gut 500 Gästen gut gefüllten Haus Auensee für eine gewisse Einstiegserleichterung sorgte: Er hat nach wie vor keinen Vertrag mit der derzeitigen in finanziell schwerem Gewässer vermuteten Inhaber des ehemaligen Bundeswehrkrankenhauses “Golden Gate” abschließen können. Sein Eingangsstatement “Es ist noch kein Mietvertrag abgeschlossen.” wurde mit dem ersten stärkeren Szenenapplaus des Abends quittiert. Und eine Nachnutzungsvereinbarung mit der Stadt Leipzig habe er auch noch nicht.
Denn für fünf Jahre müsste das ehemalige Gelände wenigstens angemietet werden, doch für die jeweils 3-monatige Unterbringung von Flüchtlingen gebraucht würde es nur bis Mitte 2017. Danach – so später am Abend, könnten die Räume für eine Unterbringung zusätzlicher 300 bis 400 Bereitschaftspolizisten genutzt werden – eine Planung, welche noch ebenso vakant, wie der generelle Vertragsabschluss auf dem Wiederitzscher Gelände ist.
Denn der derzeitige Inhaber des ehemals mit 90 Millionen sanierten und nun leerstehenden Bundeswehrkrankenhaus namens “Golden Gate” wünschte sich von Beginn der Verhandlungen an, dass Land Sachsen möge das gesamte Geländes kaufen. Dies würde jedoch nicht stattfinden, so Staatssekretär Dr. Michael Wilhelm, maximal die Anmietung wäre möglich. Das Land Sachsen muss sich auch aus haushaltstechnischen Gründen an das “3 Standorte-Konzept” halten. Dies sieht die Einrichtung von Erstaufnahmeeinrichtungen in Leipzig-Gohlis und in Dresden mit jeweils 700 Plätzen neben der bestehenden in Chemnitz vor. Was im Umgang mit vorhandenen Steuergeldern keinen Platz für den Ankauf eines weiteren Geländes gestattet.
Wiederholt wies Wilhelm auf die begonnenen Bauarbeiten am Standort Max-Liebermann-Straße in Gohlis hin. Auch um den Eindruck gegenüber den Anwesenden auszuräumen, die Erstaufnahmeeinrichtung – so sie denn überhaupt kommen wird – in Leipzig-Wiederitzsch sei als heimliche Dauereinrichtung geplant. Grob geschätzt sind es also 2,5 bis maximal drei Jahre, in welchen erstmals in der Geschichte der Stadt Leipzig eine Erstaufnahme eingerichtet würde.
Und diese, so die zweite Überraschung am Abend im Haus Auensee, sei auch nicht mehr mit 500 Personen in der Unterbringung kalkuliert. Nach einer Begehung am Montag, 17. November gemeinsam mit der Polizei Leipzig und Landesdirektion Sachsen sei allen klar gewesen, dass es maximal 350 Plätze werden könnten. Einen kleinen Polizeiposten direkt im Haus mit 3 Beamten pro Schicht sagte anschließend Leipzigs Polizeipräsident Bernd Merbitz in seinem Eingangsstatement zu. Und auch hier wieder das berühmte “wenn”. Wenn denn die Einrichtung überhaupt stattfinden würde.
Weshalb der gesamte Abend zwar spekulativ, deswegen jedoch nicht minder lehrreich beim Thema Asyl in Leipzig wurde.
Fazit 1: Gelingt die Vereinbarung mit dem gerüchteweise schwer angeschlagenen Investor “Golden Gate” beim ehemaligen Bundeswehrkrankenhaus in Leipzig-Wiederitzsch nicht, könnten nach anderen Bundesländern auch in Sachsen sehr bald Zelte für Flüchtlinge an Orten und auf Flächen errichtet werden, die noch vollkommen unbekannt sind.
Fazit 2: Der Abend wurde zur Lehrstunde für die immer gleichen Ängste vor Gewalt, Wertverlust der Immobilien im Umfeld einerseits und dennoch auch ein Hinweis auf den Pragmatismus der Wiederitzscher auf der anderen Seite. Denn bis auf ein paar Misstöne geht es im Leipziger Norden dieses Mal weniger um eine aggressive Grundstimmung oder gar Hass, sondern eher um die Frage von Krieg und Frieden in der Welt, auf die nun auch in Leipzig Antworten gefunden werden müssen. Deshalb lauschte man auch aufmerksam Kai Jatzenko, welcher für den katholischen Malteser Hilfsdienst die Abläufe in einer Erstaufnahmeeinrichtung erklärte. Für die Organisation also, welche die Not-Ersteinrichtung in Wiederitzsch betreiben würden und für den Betrieb der Erstaufnahmeeinrichtung auf dem Bundeswehrgelände in der Max-Liebermannstraße vorgesehen ist.
Und vor den Antworten kommen meist Fragen. Im eher aus Eigenheimen bestehenden Stadtteil hat sich längst eine Bürgerinitiative gegründet, die sicher nur wegen der Möglichkeit einer Erstaufnahmeunterbringung entstand. Doch sie scheint längst begonnen zu haben, eher logisch an die Fragen heranzugehen, die diese vielleicht anstehende Herausforderung automatisch stellt. Wenn sie denn kommt.
Fazit 3: Es waren mehrere Momente an diesem Abend zu spüren, wo mehr Unterstützung für Flüchtlinge, wie auch Anwohner sehr gut tun würde. Und dass könnte wirklich mehr sein, als ein paar warme Worte eines teilweise nicht wirklich realitätsnahen Staatssekretärs, wenn es um eine integrative Leistung beider Seiten im Angesicht kriegsgebeutelter Menschen geht.
Die Debatte der anwesenden Bürger in Text und Audiomitschnitt
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