Es war fast ein Wind im Auwald zu spĆ¼ren, kommend vom Neuen Rathaus. Das Ausatmen einer sichtlich erleichterten Stadtpolitik und Wirtschaft, allen voran OberbĆ¼rgermeister Burkhard Jung, fegte durch Leipzig nachdem gegen 11 Uhr das KWL-Urteil des High Court of Justice die Runde machte. Ein wenig Regen gabs auch, es herrschte Statement-Niederschlag. Axel Dyck sah eine neue Zeitrechnung in Leipzig angebrochen. Daniela Kolbe (SPD) und die Linke einen Erfolg gegen den Finanzmarkt. RenĆ© Hobusch (FDP) brachte das Salz fĆ¼r die letzte offene Wunde mit. Denn eine Passage im Urteil vom 4. November wirft einen kleinen Schatten auf die Party.

Vielleicht baut man dem Londoner Richter Males ja eine kleine Statuette an einer lauschigen Stelle in den ausgedehnten Parks von Leipzig. Denn der “ehrenwerte Mr. Males”, Richter am High Court hat in seiner Entscheidung durchaus ein Herz fĆ¼r die Leipziger und eben nicht fĆ¼r Finanzindustrie gezeigt. Unter Punkt 438 im Urteil zur Sache Kommunale Wasserwerke Leipzig (KWL) gegen die Schweizer Bank UBS und weitere formulierte der englische Jurist zwei Punkte zu einem der wirklichen Knackpunkte in der Entscheidung, ob Leipzig 500 Millionen Euro tiefer in die Schulen rutscht oder nicht.

Die ZwischenĆ¼berschrift “KWL’s Supervisory Board meeting of 7 September 2006” beschreibt einen interessanten Termin im Jahre 2006, auf welchen die Schweizer Bank einen Teil ihrer Resthoffnungen auf eine Revision aufbaut. Da er selbst die EinsprĆ¼che der UBS zu prĆ¼fen haben wird, wohl eher mit geringer Aussicht auf Erfolg, denn der gesamte Rest des Urteils stellt den gemeinschaftlichen Betrug der KWL-Beraterfirma “Value Partners” mit Heininger und der UBS in den Vordergrund.

Doch was Richter Males in diesem Teil des salomonischen Urteils beschreibt, ist die Sitzung des Aufsichtsrates der KWL am 7. September 2006 unter Vorsitz Andreas MĆ¼ller, welcher kurz darauf, am 8. Februar 2007 Erster BĆ¼rgermeister der Stadt Leipzig wurde und bis heute ist. In dieser gibt das Urteil vom 4. November wieder, wie Klaus Heininger als GeschƤftsfĆ¼hrer der KWL nicht die zugearbeiteten Folien seitens der UBS, sondern eigene, teils von Wikipedia Ć¼bernommene, Darstellungen benutzt. Es geht um 4,5 Millionen, Heininger hebt nur die Vorteile hervor und kurz darauf werden in der Presse die ersten seiner Luxusreisen und andere Ungereimtheiten bekannt.

Fast in einem amĆ¼sierten Tonfall kommt die Reaktionsbeschreibung der versammelten Aufsichtsratsmitglieder und Finanzaufseher seitens Richter Males daher. Denn Ć¼berraschenderweise habe niemand eine Frage zu diesen PrƤsentationen rings um das Risikosplitting durch FinanzgeschƤfte gestellt, noch nicht einmal warum man die Folien Ć¼berhaupt gezeigt bekomme. Der KWL-Aufsichtsratsvorsitzende Andreas MĆ¼ller wird hierbei namentlich genannt. Auch, dass bei den GeschƤften bereits Kosten entstanden waren, sei niemandem aufgefallen.

Was eine Frage an die Arbeit des gesamten Aufsichtsrates darstellt. Mit dabei im Aufsichtsgremium und damit zur Kontrolle Heiningers Wirken zum Zeitpunkt der Sitzung unter anderem Bettina Kudla (MdB, CDU), Wolf-Dietrich Rost (MdL, CDU) Katrin Radon (Ex-BĆ¼rgermeisterin MarkranstƤdt, CDU), Ansbert Maciejewski (FraktionsfĆ¼hrer CDU im Stadtrat Leipzig), Dr. Hans-Joachim Klein (damals GeschƤftsfĆ¼hrer der LVV) und Dr. Bernd Klose (Ex-BĆ¼rgermeister Markkleeberg).

Der KWL-Rechenschaftsbericht 2006 weist fĆ¼r Ihre Arbeit 44.000 Euro EntschƤdigungen auf. Nicht viel bei der groƟen Anzahl von Aufsichtsratsmitgliedern, aber immerhin.

Zur ganzen Wahrheit scheint also im Falle der Entscheidung vom 4. November zu zƤhlen: Die ersten Warnsignale wurden Ć¼bersehen, ganz so, als wĆ¼rde Dummheit vor Strafe schĆ¼tzen. So richtig verstanden hat es niemand, was da vor den Augen des Aufsichtsrates begann. Und zu fragen wagte sich damals offenbar auch keiner, entweder aus Vertrauen heraus oder weil der Erste der des Kaiser Kleider nicht mehr sehen kann, noch immer ein Kind sein muss.

Dass in der AbwƤgung aller VorgƤnge das Gericht zu der richtigen Einsicht kam, dass hier ein gehƶriges MaƟ krimineller Energie und Korruption seitens des auch strafrechtlich verurteilten GeschƤftsfĆ¼hrers Klaus Heininger und diverser Berater am Werke war, darf als weiser Schluss stehenbleiben. Der Satz des Richters, hier ein “Paradebeispiel” dafĆ¼r zu haben, “wie ehrliches und faires Investmentbanking nicht betrieben werden sollte”, klingt wie ein zu statuierendes Exempel gegen das Treiben der Finanzbranche der vergangenen Jahre. Gut auch, dass es mal die Anderen und nicht den Steuerzahler trifft.

Doch RenĆ© Hobusch (FDP) formuliert wohl zu recht neben der allgegenwƤrtigen Erleichterung: “SinngemƤƟ soll es im Urteil heiƟen, die ehemaligen AufsichtsrƤte wƤren blind, mit einem Sack auf dem Kopf, Heininger gefolgt. Daher mĆ¼ssen wir in Zukunft genau schauen, wer die AufsichtsrƤte der kommunalen Unternehmen besetzt. In AufsichtsrƤten als Kontrollgremium gegenĆ¼ber der GeschƤftsfĆ¼hrung sind FachkrƤfte gefragt. FachkrƤfte wie sie im Ɯbrigen auch die SƤchsische Gemeindeordnung und der von uns StadtrƤten verabschiedete Corporate Governance Kodex fordern.”.

Denn nicht immer landet solch eine knifflige Entscheidung unter den Augen eines durchaus gerechten Richters.

Anmerkung der Redaktion/Ƅnderung im Artikel: In der Erstverƶffentlichung des Artikels wurde neben den genannten Aufsichtsratsmitgliedern zum Zeitpunkt des 7. September 2006 auch der Namen Heiko Rosenthal aufgefĆ¼hrt. Herr Rosenthal war jedoch erst seit 19. September 2006 im Amt des BĆ¼rgermeisters fĆ¼r Ordnung, Sicherheit, Sport und erst seit 13. Dezember 2006 Aufsichtsratsmitglied der KWL. Weshalb sein Name aus der Auflistung (Auswahl) zu entfernen war. Wir bitten unsere Leser darum, den Fehler zu entschuldigen.

Die genannte Passage behauptet im Ɯbrigen nicht, dass die aufgefĆ¼hrten Personen des damaligen Aufsichtsrates alle am genannten Termin den AusfĆ¼hrungen Klaus Heiningers beigewohnt haben. Frau Bettina Kudla (MdB / CDU / damalige Leipziger BĆ¼rgermeisterin fĆ¼r Finanzen) war am genannten Tag nicht anwesend.

Zum Urteil des High Court of Justice
KWL-Urteil vom 4. November 2014

Zu Paragraf 438 des Urteils direkt
“KWL’s Supervisory Board meeting of 7 September 2006”

Der KWL-Jahresabschluss 2006 als PDF zum download.

Der High Court of Justice in London hat in seinem heutigen Urteil den Kommunalen Wasserwerken Leipzig (KWL) im Streit mit den GroƟbanken UBS, LBBW und Depfa Recht gegeben. Letztere kƶnnen damit ihre AnsprĆ¼che aus den CDO-VertrƤgen in Hƶhe von 350 Mio. Euro nicht geltend machen. Die Stadt Leipzig muss nicht durch die kriminellen Machenschaften ehemaliger KWL-Manager haften.

“Der positive Ausgang des KWL-Prozesses lƤsst mich und viele andere Leipziger/-innen aufatmen. Das finanzielle Damoklesschwert, das lange Zeit Ć¼ber Leipzig schwebte, konnte damit endlich entfernt werden. Allen Beteiligten, die zu diesem denkwĆ¼rdigen Erfolg beigetragen haben, mƶchte ich meinen herzlichen Dank aussprechen”, so SPD-Bundestagsabgeordnete Daniela Kolbe.

“Ich bin optimistisch, dass diese Entscheidung auch in einem gegebenenfalls anstehenden Berufungsverfahren gehalten werden kann. Mit Blick in die Zukunft ist klar, dass das Verhalten der Banken ein gutes Argument fĆ¼r eine stƤrkere Regulierung der FinanzmƤrkte ist. Nur wenn wir es schaffen, alle MƤrkte, alle Akteure und alle Finanzprodukte, wie die CDOs, zu regulieren, kƶnnen wir SchattenfinanzmƤrkte und Millionenverluste verhindern”, so Kolbe abschlieƟend.

“Ab heute beginnt fĆ¼r unsere Stadt eine neue Zeitrechnung, denn wir sind durch das Urteil des Gerichts in London von einer drĆ¼ckenden Last befreit worden. Ich bin deshalb sehr froh Ć¼ber diesen klaren Sieg der KWL gegen die GroƟbank UBS sowie die Depfa und die Landesbank Baden-WĆ¼rttemberg.

FĆ¼r die Stadt Leipzig ist das ein wirklich sehr guter Tag, denn mit diesem Urteil sind mƶgliche finanzielle Belastungen des kommunalen Haushalts vom Tisch, die die Stadt Ć¼ber jedes bekannte MaƟ hinaus strapaziert und womƶglich sogar Ć¼berfordert hƤtten. Ich kann nur allen Beteiligten auf Seiten der Stadt und der KWL fĆ¼r Ihren Einsatz danken. DarĆ¼ber hinaus bin ich fest davon Ć¼berzeugt, dass ein solcher Erfolg nicht mƶglich gewesen wƤre, wenn nicht alle politischen EntscheidungstrƤger unserer Stadt an einem Strang gezogen hƤtten.”

Mit groƟer Erleichterung haben die StadtrƤtinnen und StadtrƤte der Fraktion DIE LINKE das heute verƶffentlichte Urteil des High Court of Justice in London im Rechtsstreit der KWL gegen die UBS, Depfa Bank Pic (“Depfa”) und Landesbank Baden-WĆ¼rttemberg (“LBBW”) aufgenommen. Alle ZahlungsansprĆ¼che gegen die KWL wurden umfassend begrĆ¼ndet abgewiesen. Damit sind neben den in Rede stehenden Forderungen der Banken von insgesamt 350 Mio. Euro weitere Zins- und Prozesskosten in Hƶhe von ca. 150 Mio. Euro als potenzieller Schaden durch das verantwortungsbewusste und hochprofessionelle Agieren aller Beteiligten von der Stadt abgewiesen worden. Die Stadt kann sich nun wieder voll und ganz ihren originƤren Aufgaben im Interesse ihrer BĆ¼rgerinnen und BĆ¼rger widmen.

Der Londoner Prozess hat darĆ¼ber hinaus gezeigt, mit welcher krimineller Energie im Finanz- und Bankensektor in den vergangener Jahren agiert wurde. Richter Males kam zu der EinschƤtzung, der Fall sei geradezu eine “Paradebeispiel” dafĆ¼r, “wie ehrliches und faires Investmentbanking nicht betrieben werden sollte”. Mit krimineller Energie hatte die Schweizer GroƟbank versucht, sich die ƶffentliche Daseinsvorsorge zur Beute zu machen. Indem dies nicht gelungen ist, hat Leipzig auch ein StĆ¼ck Geschichte in der Auseinandersetzung bundesdeutscher Kommunen mit den schier grenzenlosen Begehrlichkeiten des globalen Finanzsektors mitgeschrieben.

Sƶren Pellmann (Fraktionsvorsitzender): “Wir sind erleichtert, dass die Forderungen der UBS nicht zulasten der Stadt Leipzig gehen. Aber das ist kein Grund zum Triumphieren, eher fĆ¼r Erleichterung und Demut. Ich hƤtte vom OBM ein bisschen mehr FeingefĆ¼hl erwartet. Leipzig ist nur knapp an rund einer halben Milliarde Euro zusƤtzlicher Schulden vorbeigeschrammt. FĆ¼r die gesamtstƤdtische Infrastruktur, fĆ¼r Schulen, Kitas, Verkehrswege und dringend notwendige Investitionen in Wasser- und Abwassernetze sowie den ƖPNV ist kein einziger Euro gewonnen. Anlass, Sektkorken knallen zu lassen, ist daher nicht gegeben. Erst Recht nicht vor dem Hintergrund der Kritik des Richters an der Wahrnehmung der Aufgaben des damaligen Aufsichtsrats.”, so Hobusch weiter in Bezug auf die Einladung zur Sektsause Jungs gegenĆ¼ber den StadtrƤten.

“SinngemƤƟ soll es im Urteil heiƟen, die ehemaligen AufsichtsrƤte wƤren blind, mit einem Sack auf dem Kopf, Heininger gefolgt. Daher mĆ¼ssen wir in Zukunft genau schauen, wer die AufsichtsrƤte der kommunalen Unternehmen besetzt. In AufsichtsrƤten als Kontrollgremium gegenĆ¼ber der GeschƤftsfĆ¼hrung sind FachkrƤfte gefragt. FachkrƤfte wie sie im Ɯbrigen auch die SƤchsische Gemeindeordnung und der von uns StadtrƤten verabschiedete Corporate Governance Kodex fordern.”, mahnt Hobusch abschlieƟend.
Die Leipziger Kommunalpolitische Vereinigung der CDU/CSU unter Vorsitz des Bundestagsabgeordneten Dr. Thomas Feist zeigt sich erleichtert Ć¼ber den Sieg der Stadt Leipzig im Prozess gegen den GlƤubiger der Kommunalen Wasserwerke, die Schweizer GroƟbank UBS.

“Trotzdem”, so Feist, “kann das nun kein ungetrĆ¼bter Grund zum Jubeln sein. Das grundlegende Problem von Korruptionsanreizen und die Sensibilisierung der zustƤndigen Aufsichtsgremien kommunaler Unternehmen bleiben gerade in einer groƟen Stadt wie Leipzig prƤsent.

Mit der Festlegung von Kompetenzvoraussetzungen fĆ¼r Mitglieder in AufsichtsrƤten konnte die KPV hier in der Vergangenheit PrƤvention rechtlich verankern. Um bei rund 170 Eigenbetrieben der Stadt auch kĆ¼nftig auf Nummer sicher zu gehen, werden wir weiterhin ein Auge auf das Beteiligungsnetzwerk haben. Besonders die Mitglieder des neuen Leipziger Stadtrates werden hier gefordert sein. Nach diesem Gerichts-Krimi darf es kein nƤchstes Mal geben, dafĆ¼r ist das Geld der BĆ¼rgerinnen und BĆ¼rger nicht da, sondern es muss fĆ¼r alltagsnahe stƤdtische Infrastruktur und Dienstleistungen zur VerfĆ¼gung stehen, von denen die Leipziger profitieren.”

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