In der Georg-Schumann-Straße baut die RTLL-Gruppe aus Zwickau seit dem Frühjahr einen neuen Supermarkt - in grimmigem Stahlgrau auf einer jahrzehntealten Brache gleich neben der Turnhalle der Geschwister-Scholl-Grundschule. Noch einer, sagt sich der Passant, der eben schon an einem Konsum und einem Penny-Markt vorbeigekommen ist. Ist das nun Wildwuchs oder greift die Stadt steuernd ein? - Die L-IZ hat mal nachgefragt, das Dezernat Bau und Stadtentwicklung hat die Antworten formuliert. Hier sind sie.
Gab es zum neu entstehenden REWE-MARKT Sasstraße/Georg-Schumann-Straße überhaupt Abstimmungsgespräche mit der Stadt? Oder brauchten die Investoren das gar nicht?
Es gab seit Beginn der Projektentwicklung im II. Quartal 2012 ca. 10 Beratungen und Abstimmungsgespräche zwischen dem Investor/Projektentwickler und der Stadtverwaltung (u.a. Stadtplanungsamt; Amt für Stadtsanierung und Wohnungsbauförderung; Amt für Jugend, Familie und Bildung).
In der Georg-Schumann-Straße/Ecke Sasstraße ist jetzt schon absehbar, dass es zu Verkehrsproblemen mit dem motorisierten Kundenverkehr kommen wird. Wie will die Stadt die absehbaren Probleme lösen? Oder wartet man einfach ab, bis es so weit ist?
Als Nahversorger in integrierter Lage kann – vergleichbar mit anderen Märkten in Leipzig in solcher Lage – von einem hohen Anteil Kunden ausgegangen werden, die zu Fuß, mit dem Rad oder ÖPNV kommen. Für den motorisierten Individualverkehr wird in der Maximalvariante mit einem Kundenverkehr von ca. 300 PKW pro Tag (An- und Abfahrten) gerechnet. Das bedeutet bei einer Ladenöffnungszeit von ca. 8.00 – 21.00 Uhr ein Verkehrsaufkommen von gut 24 An- und Abfahrten in der Stunde. Auch bei erwartungsgemäß nicht gleichmäßiger Verteilung auf die Öffnungsstunden, ist bei einer gegebenen durchschnittlichen Verkehrsbelastung der Georg-Schumann-Straße von stündlich 700 Pkw nicht mit einem relevanten Verkehrsproblem zu rechnen.
Mit diesem dritten Markt in unmittelbarer Nachbarschaft – und weiteren zwei großen Märkten in der Nähe – ist der Druck auf die Einzelhändler auf der Georg-Schumann-Straße weiter gewachsen. Glaubt die Stadt wirklich, dass es hier zu positiven Auswirkungen zur Belebung der Magistrale kommt? Droht nicht eher eine Kannibalisierung der existierenden Märkte und Ladengeschäfte?
Mit Hilfe des Stadtentwicklungsplanes (STEP) Zentren soll der Einzelhandel gezielt auf integrierte und zentrale Standorte – die zentralen Versorgungsbereiche – gelenkt werden. Die Qualität der Zentren wird dabei wesentlich durch ihre Multifunktionalität und Nutzungsdichte geprägt. Aus diesem Grund stellen die Zentren die Entwicklungsbereiche gerade auch für den nahversorgungsrelevanten Einzelhandel dar. Größere Lebensmitteleinzelhändler sind die wichtigsten Frequenzbringer in den Zentren und für viele kleine Einzelhändler der Grund, sich in deren direkten Umfeld anzusiedeln.
Als Einzelhandelskonzept greift der STEP nicht direkt in den Wettbewerb unterschiedlicher Unternehmen und Betreiber ein. Er definiert vielmehr mit den Zentren städtebaulich sinnvolle und gewollte Standortbereiche, in denen der Wettbewerb stattfinden soll. Dabei verfolgt der STEP den Anspruch, städtischem Handeln (aktive Standortentwicklung, Beurteilung von Vorhaben u. a.) im Sinne einer stadtverträglichen Steuerung der Einzelhandelsentwicklung eine tragfähige fachliche Grundlage zu bieten. Damit ergibt sich für Stadt und Einzelhandel ein verbindlicher und verlässlicher Entwicklungsrahmen, bei dessen Umsetzung es möglich ist, negative Auswirkungen des Strukturwandels im Einzelhandel auf die Versorgungsstruktur und die zentralen Versorgungsbereiche in Leipzig zu begrenzen.
Im Rahmen der Ausübung ihrer kommunalen Planungshoheit geht es bei der Steuerung der Lebensmittelmärkte also vorrangig um den räumlichen Aspekt, da nur dieser in der sozialen Marktwirtschaft tatsächlich konkret beeinflusst werden kann. Ansonsten gelten sowohl für den Eigentümer als auch das Einzelhandelsunternehmen die Rechte aus dem Grundgesetz, in die die Stadt nicht eingreifen kann.Ist der Rewe-Neubau in den Magistralen-Planungen zur Georg-Schumann-Straße abgestimmt? Oder rechnet man das unter “erwünschten Folgeansiedlungen” ab, auch wenn es den Angebotsmix in der Straße um kein neues Sortiment erweitert?
Ja, der STEP Zentren und die an der Georg-Schumann-Straße ausgewiesenen Zentren bilden eine Grundlage für die Magistralen-Planungen. Bewusst machen sollte man sich auch noch einmal, dass die Stadtverwaltung nicht der Eigentümer einer privaten Mall ist, der einen Angebotsmix in seiner Mall über Abschluss und Kündigung von Gewerbemietverträgen gestalten und steuern kann. Das öffentliche Planungsrecht ist vom Gesetzgeber nicht dafür vorgesehen und entsprechend nicht dafür ausgestattet, in vergleichbarer Weise marktbeeinflussend und -steuernd zu wirken.
Wie gedenkt die Stadt weiter mit dem Monitoring zum Einzelhandel und dem “STEP Zentren” umzugehen? Denn da, wo Märkte gebraucht werden (wie in Knauthain) schließen sie – in den begehrten Zentren ballen sie sich und ziehen die begehrte Kaufkraft auch aus den Umgebungsstraßen ab. Ist das für die Stadt immer noch ein sinnvoller Weg oder muss man sich nicht endlich Gedanken über ein anderes Steuerinstrument machen?
Grundsätzlich ist noch einmal voranzustellen, dass die Veränderungen der letzten Jahrzehnte in den Einzelhandelsstrukturen der Bundesrepublik weder von den Kommunen getrieben, noch durch sie grundlegend (anders) zu steuern waren und sind. Die “Erfindung” und Durchsetzung von Supermärkten, Discountern und Fachmärkten ist ebensowenig dem lokalen Planungsgeschehen entsprungen oder durch dieses substantiell zu beeinflussen gewesen, wie es gegenwärtig die Krise der Kaufhäuser und die Entwicklung des Internethandels und dessen Auswirkungen auf die Einzelhandelsstrukturen sind.
Das den Kommunen zur Verfügung stehende öffentliche Planungsrecht ist nicht darauf ausgelegt, einen wie auch immer gearteten Augenblickszustand des örtlichen Einzelhandels zu “konservieren” oder einen gewünschten Zustand “herbei zu planen”. So wäre z.B. der generelle Ausschluss der Genehmigung von Supermärkten und Discountern im Stadtgebiet – in der Annahme, damit die vorhandenen kleinflächigeren Einzelhändler schützen zu können – planungsrechtlich nicht zulässig.
Es ist im Gegenteil nur über den Ausweis von gut begründeten zentralen Bereichen für die Einzelhandelsentwicklung und eine begleitende Sortimentsdefinition möglich, dann die anderen, nicht zentralen, nicht integrierten Lagen von der Entwicklung großflächigen Einzelhandels auszuschließen. Was hier möglich und rechtskonform ist, wird auch in einem ständigen Prozess der Rechtsprechung auf Grund von Klagen von Grundstückseigentümern oder Investoren gegen Regelungen der Kommunen entwickelt und fließt in das planerische Repertoire der Stadt Leipzig ein.
Ein Stadtentwicklungsplan, wie der Stadtentwicklungsplan Zentren, ist ein langfristiges informelles Entwicklungskonzept einer Kommune, das dementsprechend als Steuerungsinstrument Entwicklungsschwerpunkte und Leitlinien für die mittel- bis langfristige informelle Planung einer Stadt formuliert. Wobei beim Stadtentwicklungsplan Zentren das eindeutige Ziel darauf liegt, die Nahversorgung der Einwohner in der Stadt zu ermöglichen. Er hat jedoch keine direkte Bindungswirkung für Grundstückseigentümer, sondern muss über die formelle Planung (Bauleitplanung) umgesetzt werden.Das heißt einerseits, dass bei der absehbaren oder eingereichten Beantragung großflächigen Einzelhandels außerhalb der definierten Zentrenbereiche dann sogenannte einfache B-Pläne aufgestellt werden, deren einziges Ziel regelmäßig der Ausschluss zentrenrelevanten Einzelhandels im B-Plangebiet ist. Diese sogenannte “negative” Bauleitplanung ist im Übrigen den Kommunen auch erst mit einer Novellierung des Baugesetzbuches vor einigen Jahren eröffnet worden.
Andererseits steckt die Bauleitplanung in den ausgewiesenen Zentren den planerischen Rahmen für die Realisierung von Einzelhandelseinrichtungen. Aber auch dabei hat die planerische Einflussnahme ihre Grenzen. Ob sich ein Unternehmen am Standort ansiedelt, wann es schließt oder wirtschaftlich tragfähig agiert, liegt in der Eigenverantwortung der Unternehmen und ist Teil der freien Marktwirtschaft. So hat die Stadtveranstaltung zwar Kontakte zu (nahezu) allen expansionsleitenden Personen der ansässigen Unternehmen und führt regelmäßige Abstimmungsgespräche mit diesen durch. Das bedeutet aber nicht, dass uns alle Unternehmen Einblicke in ihre Unternehmensstrategien geben und sie uns über jede beabsichtigte Marktschließung vorab in Kenntnis setzen, wie es beispielsweise in Knauthain geschehen ist. Dort hat auch der Gebäudeeigentümer erst kurzfristig von der Schließung des LIDL-Marktes erfahren, der noch vor dem Ende des laufenden Mietvertrages erfolgte.
Die Stadt ist hier wiederum beratend und unterstützend aktiv, um eine Neuansiedlung/-vermietung an diesem Standort zu befördern. Letztendlich sind es aber die privatwirtschaftlichen Akteure Immobilieneigentümer, Einzelhandelsunternehmen und Kreditinstitut, die miteinander im Sinne ihrer jeweiligen wirtschaftlichen Perspektive und Beurteilung übereinkommen und entscheiden müssen.
Was auch auf den neuen Rewe-Markt zutrifft: In unmittelbarer Nähe befinden sich zwei Schulen. Wäre das nicht bei einer solchen Situation ein eindeutiges Ausschlusskriterium für noch einen Supermarkt, der eindeutig auch mehr motorisierten Verkehr bis in die Blumenstraße induzieren wird?
Schulen und soziale Einrichtungen sind planungsrechtlich kein Ausschlusskriterium für die Ansiedlung von Märkten. Trotzdem gab es natürlich seit dem III. Quartal 2013 Abstimmungen mit der Schulleitung und Elternvertretung der direkt nördlich am Baugrundstück gelegenen Geschwister-Scholl-Schule an der Elsbethstraße. So wurde das Projekt u.a. mit der Elternvertretung, dem Investor und Ämtern der Stadtverwaltung (Amt für Stadtsanierung und Wohnungsbauförderung und Stadtplanungsamt) im Büro des Magistralenmanagements für die Georg-Schumann-Straße am 9.4.2014 einvernehmlich diskutiert.
Dabei wurden auch Fragen der Schulwegsicherheit für die Kinder erörtert. Die Aspekte der Schulwegsicherheit wurden, was die Regel ist, bereits vorher in einer Arbeitsgruppe der Stadtverwaltung im Rahmen des Genehmigungsverfahrens für die Erschließungsplanung (Teilumbau der Sasstraße) diskutiert und aus funktionalen und verkehrsorganisatorischen Fragen heraus geprüft.
Wie auch bereits zu Frage 2 ausgeführt, sind die durch den Markt stündlich zu erwartenden PKW-Zahlen sehr überschaubar. Die Hauptzeiten, wann die Schüler zur und von der Schule kommen, liegen zudem auch nicht in den Hauptzeiten des motorisierten Einkaufsverkehrs.
Wer bezahlt die Umbauarbeiten in der Sasstraße? Die Stadt oder der Investor? Und wenn es die Stadt bezahlt: Welche Kosten sind dadurch entstanden?
Der Investor trägt alle mit dem Umbau der Sasstraße verbundenen Kosten. Grundlage dafür ist der zwischen dem Investor und der Stadt Leipzig auf der Grundlage der durch das Verkehrs- und Tiefbauamt genehmigten Erschließungsplanung abgeschlossene städtebauliche Vertrag.
Allgemeine Fragen: Wieviele Anfragen zum Bau neuer Supermärkte und Discounter gab es 2013/2014? Wieviele davon wurden positiv beschieden? Wieviele wurden nach Änderungswünschen der Stadt umgesetzt?
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Es ist grundsätzlich zwischen Anfragen und Anträgen zu unterscheiden. Dabei ist es zahlenmäßig nicht erfasst, wieviele Standortanfragen allein durch Beratungen in der Stadt gar nicht erst als Bauantrag eingereicht werden, da sie sich entweder an unerwünschten Standorten befinden oder planungsrechtlich nicht genehmigungsfähig sein würden.
Wesentliches Instrument bei der schon im Gespräch avisierten Ablehnung von Standorten ist der STEP Zentren – seine bisher konsequente Anwendung ist die Grundlage, bei auch durch Investoren angestrebten Gerichtsverfahren um Standorte sehr gute Aussichten auf richterliche Bestätigung der städtischen Position zu haben. Dies hat sich zunehmend auch bei den einschlägigen Einzelhandelsketten herumgesprochen, so dass der STEP Zentren bereits auf dieser Ebene seine erwünschte Lenkungswirkung erzielt.
In den letzten 2 Jahren gab es 4 Neuansiedlungen und 13 Ersatzneubauten (z.B. Rewe Tarostraße, Aldi Nonnenstraße) bzw. Erweiterungen.
Darüber hinaus sind ca. 15 Anträge zur Erweiterung (Anbau Pfandlager etc.) positiv beschieden worden, die sich alle in Zentrenbereichen oder integrierten Lagen befinden. Darüber hinaus fanden mit nahezu allen Ketten Gespräche zur Qualifizierung bzw. Erweiterung einzelner Standorte statt, die z.T. kritisch gesehen und auch abgelehnt wurden.
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