Es ist schon manchmal erstaunlich, wie schnell Dinge in Bewegung kommen, wenn sich Leipzigs Stadtverwaltung von einigen ihrer (Schnaps)ideen schweren Herzens trennen muss. Zwei von diesen hatten ja in den letzten Jahren rund um den Wilhelm-Leuschner-Platz jede Entwicklung blockiert. Das war zum einen die blasse Idee, unbedingt ein Freiheits- und Einheitsdenkmal dorthin setzen zu müssen, zum anderen der Glaube, das Naturkundemuseum unbedingt in den alten Bowlingtreff stecken zu müssen.

Warnungen von Fachleuten zu beiden Themen wurden überhört, man wurschtelte weiter, bis der FuED-Wettbewerb vor Gericht landete und bis ein Gutachten zeigte, dass der Umbau des Bowlingtreffs zum Naturkundemuseum überhaupt nicht so billig wäre, wie es das zuständige Dezernat glaubte. Nun konzentrieren sich die Anträge zur Zukunft des Naturkundemuseums folgerichtig auf den angestammten alten Platz an der Lortzingstraße. Und am Wilhelm-Leuschner-Platz könnte man jetzt endlich wieder Leben in die Bude bringen.

Das findet zumindest die CDU-Fraktion und beantragt ganz offiziell: “Der Bowlingtreff wird baldmöglichst zur Vermarktung ausgeschrieben, um ihn, auch zur Belebung des Wilhelm-Leuschner-Platzes, wieder nutzbar zu machen.”

Denn wenn die Stadt schon bei der Platzneugestaltung nicht weiter kommt, dann könnte wenigstens auf der Nordseite schon mal was passieren.

In der Begründung der CDU-Fraktion liest es sich so: “Die Revitalisierung des Wilhelm-Leuschner-Platzes als lebendiges, urbanes Stadtquartier ist mittelfristig die wichtigste städtebauliche Herausforderung im Bereich der Innenstadt. Mit dem Ende des Wettbewerbsverfahrens zum Freiheits- und Einheitsdenkmal sind die Planungsprämissen für den westlichen Teil neu zu überdenken, während für den Ostteil die Markthalle als Kern und Initialzündung der baulichen Entwicklung weiterhin im Gespräch ist. Derzeit ist die gesamte Fläche ein Unort, der nicht zum Verweilen einlädt, sondern vielmehr zum zügigen Durcheilen. Sie entfaltet eine erhebliche Barrierewirkung zwischen der Innenstadt und dem pulsierenden Leben in der inneren Südvorstadt.”

Aber muss alles die Stadt alleine tun? – An dieser Stelle jedenfalls nicht, findet die CDU: “Viel wird derzeit über temporäre Zwischennutzungen diskutiert. Die entscheidende Frage ist aber: Wie können mit dem bereits Vorhandenen Impulse gesetzt werden, damit die Leipziger diesen Platz eben nicht mehr nur als Unort erleben, sondern im Vorgriff auf die künftige Nutzungsvielfalt sein urbanes Potenzial erkennen können? Vom Zweckbauwerk Südausgang S-Bahn-Haltestelle abgesehen, ist das einzig dort Vorhandene der ehemalige Bowlingtreff. Der Bowlingtreff stellt sich dar als vergessenes Objekt an einem vergessenen Ort, der 1997 aufgehört hat zu existieren. Dennoch erinnern sich viele alteingesessene Leipziger an den Bowlingtreff als eine sehr beliebte und begehrte Freizeitstätte, deren Möglichkeiten weit über das namensgebende Bowling hinaus gingen. Auf Touristen und viele jüngere Leipziger ohne diesen Erfahrungshorizont wirkt hingegen der Bowlingtreff eher wie ein verwahrloster Hochbunker am Rande einer zugigen Stadtbrache.”

Das mit dem Hochbunker hat jetzt tatsächlich die CDU-Fraktion so formuliert. Bestimmt gibt es da jetzt mediale Schelte von Verfechtern der sozialistischen Postmoderne in der Architektur. Postmoderne deshalb: Das Ding erklärt sich nicht von selbst. Das findet selbst die CDU-Fraktion.

“Der Bowlingtreff ist somit ein erklärungsbedürftiges Bauwerk. Das jetzige Erscheinungsbild dieses unzugänglichen Bauwerks kann diese Erklärungen nicht liefern.”

Und dann werden die Stadträte der CDU-Fraktion noch deutlicher: “Wie auch immer man persönlich zum Bauwerk steht, zwei Tatsachen sind unumstößlich: Der Bowlingtreff steht in Gänze unter Denkmalschutz. Ein Abriss steht nicht zur Debatte. Es gilt vielmehr, aus diesem Baudenkmal das Beste für die Stadt zu machen.” Und: “Wesentlicher Grund für diesen Schutzstatus ist die Tatsache, dass es sich um ein bemerkenswertes und einzigartiges Zeugnis der sozialistischen Postmoderne handelt, das gleichzeitig die gedankliche Enge sozialistischen Bauens mutig durchstieß und dem europäischen Anspruch an Baukultur durchaus gerecht wurde. Gerade die innere Gestaltung des Eingangsbauwerkes durch den Architekten Winfried Sziegoleit zeigt dies.”

Die Stadt sitzt nun auf diesem Denkmalsgut. Was tun? – “Der Bowlingtreff ist städtisches Eigentum, wurde 1997 außer Betrieb genommen und ist seitdem quasi eingemottet. Das heißt: städtisches Immobilieneigentum in bester Innenstadtlage liegt im Dornröschenschlaf. Es erbringt Null Euro Einnahmen für den Stadthaushalt, erfordert aber Ausgaben für die bauliche Sicherung und den Schutz vor Vandalismus. – Klar ist: jegliche Wiedernutzung dieses Gebäudes ist mit einem Mindestmaß an Investitionen verbunden, um eine sichere Bespielbarkeit im Sinne heutiger Vorschriften zu gewährleisten. Es gilt also, Partner zu suchen, mit denen diese Aufgabe gemeinsam geschultert werden kann.”Die CDU-Fraktion sieht Chancen und Potenziale im Bowlingtreff und seiner exponierten Lage:

– Es gibt hier keine Konflikte, insbesondere lärmtechnischer Art, mit angrenzender Wohnbebauung, eben weil das Gebäude an eine Brache und an den ohnehin verlärmten Promenadenring grenzt und zudem der größte Teil der Nutzfläche in mehreren Kellerebenen liegt.

– Die Verkehrserschließung kann besser nicht sein: Haltestellen sowohl der Straßenbahn als auch der S-Bahn liegen in unmittelbarer Nachbarschaft. Ebenso optimal ist die Erreichbarkeit per MIV.

“Was liegt also näher als die Reaktivierung des Bowlingtreffs als Veranstaltungsstätte mit zumindest gesamtstädtischem, noch besser aber regionalem Einzugsbereich”, fragt die Fraktion deshalb. Und stellt dann selbst fest: “Genau diese Reaktivierung als Veranstaltungsstätte, als die der Bowlingtreff ja auch gebaut wurde, kann die entscheidende Initialzündung für eine Revitalisierung des Wilhelm-Leuschner-Platzes sein. Im übrigen ist auf den Ratsbeschluss IV-1374/08 vom 20.11.2008 hinzuweisen. Dieser forderte die Stadtverwaltung auf, kurzfristig Maßnahmen zur Gebäudesicherung in die Wege zu leiten und parallel dazu ‘konzeptionelle Überlegungen zur zukünftigen Nutzung, ggf. auch Zwischennutzung, zu entwickeln’.”

Der Verwaltung fiel dazu ja bekanntlich einige Jahre später nur das Naturkundemuseum ein. Vielleicht sollte sich Leipzig gerade deshalb von der Immobilie am Wilhelm-Leuschner-Platz trennen. Eine Schule oder eine Kindertagesstätte kann man ja daraus nicht machen.

Die CDU-Fraktion: “Die Nutzung des Bowlingtreffs im Rahmen der Designers Open hat gezeigt, dass schon mit wenig Aufwand eine erste Bespielung des Bowlingtreffs möglich ist. So mancher Ort, nicht zuletzt die Baumwollspinnerei, wurden schrittweise mit privatwirtschaftlichem Engagement entwickelt und gleichzeitig wurden neue Räume für die Allgemeinheit zugängig gemacht. Die Diskussion um das Naturkundemuseum hat gezeigt, dass eine schlüsselfertige Wiederherstellung für die Stadt selbst nicht finanzierbar ist. Darum bleibt nur die Öffnung für private Nutzer und Investoren. Erste Interessenten für eine ‘Baustellenbespielung’ gibt es. Um aber nicht nach dem erstbesten Vorschlag greifen zu müssen, sollte man mit Erfahrungsträgern der Event- und Kulturwirtschaft die Potenziale gemeinsam erarbeiten und abwägen.”

Und so sollte die Stadt aus CDU-Sicht jetzt auch alle Optionen öffnen: “Die Ausschreibung zur Vermarktung sollte alle Optionen offen lassen, von Verkauf und Erbpacht bis Vermietung/Verpachtung.”

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