Der Felsenkeller am Eingang des Karl-Heine-Boulevards ist spätestens seit den Streitigkeiten um seine Umnutzung über die Grenzen der Leipziger Weststadt hinaus bekannt. Das ehemalige Ballhaus sollte zuerst einer gewerblichen Nutzung zugeführt werden. Neben Läden für Waren des täglichen Bedarfs sollten eine gastronomische Einrichtung sowie kleinere Kinosäle entstehen. Nach anfänglichen Protesten stand die Frage zur Debatte, ob der Felsenkeller nicht die neue Heimat des geplanten Theaterzentrums für die Freie Szene werden sollte. Ausgang ungewiss.

Beschaut man sich den Namen der Immobilie genauer, dann fällt auf, dass das Erscheinungsbild des neobarocken Bauwerks seinem Titel gar nicht entspricht. Ein Felsenkeller ist seinem Namen nach erst mal ein Keller – befindet sich unter der Erde. Woher kommt also dieser Name?

Die Beantwortung der Frage ist mit dem Namen Carl Wilhelm Naumann (1792-1876) verbunden. Dieser gründete 1828 die Brauerei C. W. Naumann. Das ab 1832 in der alten Funkenburg (Ranstädter Steinweg 49, 2005 abgerissen) gebraute Bier musste irgendwo gelagert werden. Aus diesem Grund kaufte Naumann 1842 das Böhmische Gut in der Gemeinde Plagwitz und ließ dort eine künstliche Höhle ins Erdreich graben – den “alten” Felsenkeller, der heute immer noch, umgeben von der Stadtteilbibliothek, der angrenzenden Wohnbebauung und dem urbanen Garten Annalinde, sein verborgenes Dasein fristet. Einige Feierwütige werden das Gewölbe noch unter dem Namen Victor Jara in Erinnerung behalten haben.

Aber nochmal ein Blick zurück in die Geschichte: 1844 eröffnete Naumann auf dem Lagerkeller die Ausflugsrestauration Felsenkeller. Erst 1890, nach dem Ableben Naumanns, eröffnete die Brauerei den neuen Felsenkeller, der südlich an den Lagerkeller angrenzt. 1857 kaufte Naumann von Carl Heine das Grundstück Zschochersche Straße 79 (heute Lidl). Dort wurde zuerst ein weiterer Lagerkeller errichtet. Ab 1864 wurde dann in einer modernen Dampfbrauerei Bier gebraut. Die Reste des Brauereigebäudes stehen heute immer noch als Baudenkmal dort und modern vor sich hin.

Ab 1887 war die Brauerei C. W. Naumann mit einer Jahresproduktion von 38.000 Hektoliter die drittgrößte Brauerei Leipzigs. 1913 wurde die Gaststätte Naumannbräu im Dresdner Hof in der heutigen Kupfergasse eröffnet. Die Räumlichkeiten dienten später als FDJ-Klubhaus und als Mensa für die Universität (“Kalinin” Mensa). Auch das Kabarett academixer nutzte die Räumlichkeiten als Interimspielstätte. Heute befindet sich dort ein Schnäppchenmarkt. In Lindenau eröffnete die Brauerei auch das Varietee “Drei Linden” (heute Musikalische Komödie).

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Brauerei 1946 als VEB Westquell (siehe Foto…) in Volkseigentum überführt (seit 1959 VEB Sachsenbräu, ab 1968 VEB Getränkekombinat Leipzig). So endete die Erfolgsgeschichte der Naumannschen Brautradition. Die Geschichte des Kellers endete damit allerdings noch nicht.

Nach der Eröffnung des “neuen” Felsenkellers ist für den Zeitraum bis Anfang der siebziger Jahre keine Nutzung des Gewölbes bekannt. “Die Ruine des Kellers wurde Anfang der siebziger Jahre bis auf das Gewölbe abgetragen und dieses Gewölbe dann als FDJ-Jugendclub hergerichtet und betrieben. Für den Zeitraum nach 1990 bis zur Bewirtschaftung durch den Club Victor Jara ist keine vertragliche Nutzung bekannt. Der letzte Nutzungsvertrag für den Betreiber des Clubs Victor Jara lief vom 14.08.2007 bis 14.02.2012,” erklärt Robert Staacke, persönlicher Referent des Bürgermeisters für Wirtschaft und Arbeit.

2012 musste der Club Victor Jara schließen. Neben den Beschwerden der Anwohner über die Lautstärke habe der “Vertragspartner über längere Zeit seine Verpflichtungen aus den Verträgen nicht erfüllt, so dass die Nutzungsverhältnisse beendet werden mussten”, lässt das Liegenschaftsamt Leipzig verlautbaren.

Derzeitige Eigentümerin des Flurstücks mit dem Gewölbekeller (Zschochersche Straße 12) ist die Stadt Leipzig. Allerdings sei eine Ausschreibung des Alten Felsenkellers zum Verkauf in Vorbereitung. Momentan wird ein Wertgutachten erstellt.

Wenn man die leeren Räume des Gewölbes betritt, wird einem schnell klar, dass es hier mit ein paar Pinselstrichen und einem Kehraus nicht getan ist. Von der Decke tropft Wasser, Licht gibt es derzeit auch nicht. “Notwendige bauliche Maßnahmen sind von der zukünftigen Nutzung abhängig und vom zukünftigen Eigentümer zu übernehmen”, erklärt das Liegenschaftsamt weiter. Das wird die Ausschreibung nicht weniger kompliziert machen. Gleichwohl bei einer kulturellen Nutzung der notwendige Brandschutz wohl die entscheidendere und finanziell belastendere Hürde sein wird.

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