Seit gestern morgen rasselt die gesamtdeutsche Medienmaschine. Zu Recht - in Nordrhein-Westfalen, genauer in Burbach ist es in einer Unterbringung zu Übergriffen von Securitymitarbeitern auf Flüchtlinge gekommen. Warum das mediale Interesse bis Leipzig reicht, ist leicht erklärt: Der Essener Betreiber der Flüchtlingsunterkunft ist in der Messestadt kein Unbekannter. Seit 2013 bemüht sich die "European Homecare GmbH" auch in Leipzig um Aufträge, zwei haben sie bereits erhalten. Im Winter 2013/14 betrieb die Firma für fünf Monate die Notunterkunft in der Löbauer Straße und seit 2013 auch die kleinere Unterbringung in der Pittlerstraße 5/7 in Wahren.

In der Tagesschau war der Vorfall bereits, ein weiterer Übergriff neben dem in Burbach – auch unter der Betreiberschaft der “European Homecare” – soll es in Essen gegeben haben. In Burbach hätten vier Sicherheitsleute der von European Homecare beauftragten Firma “Wach- und Sicherheitsgesellschaft SKI” die Heimbewohner mehrfach drangsaliert, ein Video soll im Netz davon kursieren. Laut Berichten des Portals “Der Westen” seien ” … die Verdächtigen (… ) polizeibekannt, unter anderem wegen Körperverletzung sowie Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz”, man vermute eine hohe Dunkelziffer bei Übergriffen.

Der Vorwurf seitens des ebenfalls recherchierenden WDR ist gegenüber “European Homecare” dabei: nicht nur beim Sicherheitspersonal würden die üblichen Standards zu unterlaufen. Längst sei die Frage, ob das in der sozialen Betreuung eingestellte Personal ebenfalls den staatlichen Vorgaben in ihrer Qualifikation entspricht. So sind für die Betreuung von Flüchtlingen neben sozialtherapeutischen Erfahrungen auch psychologische Kenntnisse durchaus erforderlich – auch ein gewisses Maß an Sprachkenntnissen wäre durchaus förderlich im Umgang mit geflohenen Menschen aus mehreren Ländern.

Dennoch hat der deutschlandweit größte Betreiber von Flüchtlingsunterbringungen gegenüber dem WDR eingeräumt, dass die derzeit ansteigende Zahl der Flüchtlinge ein Problem sei. Die vorgeschrieben Standards und den Personalschlüssel könne man “in dieser Notsituation” derzeit nicht einhalten, zitiert der WDR eine Aussage der Pressesprecherin des Unternehmens. Ein klassischer Fall von überdehnten Geschäften offenbar, denn vergütet werden die Betreiberfirmen für ihre Personalstellung und die Betreuung und den Schutz der Flüchtlinge von den Kommunen und den Ländern. Ob dies in einem auskömmlichen Maß geschieht und ob firmeninterne Gehaltszahlungen und Zahlungen bei Auftragsvergaben in ausreichender Höhe kalkuliert werden, um auch die Qualität sicherzustellen, ist wie bei allen privaten Betreibermodellen offen.

Bei der derzeit wachsenden Anzahl Flüchtlinge in Deutschland auch ein Markt, welcher nun durch den Fall in Burbach unter die Lupe gerät.
Was das Augenmerk auch auf Leipzig und die Versuche einer Schadensbegrenzung seitens “European Homecare” lenkt. Seit heute morgen verbreitet das Unternehmen eine Pressemitteilung, eine ausführliche Anfrage der L-IZ vom gestrigen Tage blieb bislang unbeantwortet. In der Erklärung heißt es unter Anderem: “European Homecare betreibt deutschlandweit rund 40 Einrichtungen für Asylbewerber und Flüchtlinge. Vor Ort sind vor allem qualifizierte Sozialbetreuer und teilweise auch medizinisches Personal im Einsatz sowie Hausmeister für den technischen Betrieb der Einrichtungen und Küchenpersonal. Die Sicherheitsdienstleistungen werden grundsätzlich nicht von EHC-Mitarbeitern erbracht, sondern entweder von den behördlichen Auftraggebern direkt oder von EHC an regionale Unternehmen vergeben.”

Man sei nun dabei, eine Qualitätsüberprüfung an allen Standorten einzuleiten, gegebenenfalls auch selbst Strafanzeige gegen die Sicherheitsleute von Burbach zu stellen und arbeite ansonsten eng mit Behörden und staatlichen Stellen zusammen.

Nach Informationen der L-IZ sind dabei noch keine Probleme in den beiden bislang bekannten Unterbringungen von “European Homecare” in Leipzig aufgetreten. In der Pittlerstraße ist eine Personalstelle für maximal 40 zu betreuende Flüchtlinge eingerichtet – der staatlich geforderte Betreuungsschlüssel liegt bei 1:50. In der Notunterkunft in der Löbauer Straße 46 arbeiteten in den fünf Monaten von November 2013 bis März 2014 zwei Betreuer bei einer Belegung von rund 100 Personen in der Notunterkunft. Was im Nachgang gesehen, die Betreuung in der damaligen Notunterkunft am äußersten Rand des gesetzlich Möglichen beschreibt. Vorfälle sind dabei in Leipzig jedoch nicht bekannt geworden, die Bewachung hatte eine renommierte Leipziger Securityfirma übernommen. Zeugen beschrieben den Umgang vor Ort als freundlich und angenehm – im Dezember hatten Leipziger Bürger zudem eine Weihnachtsfeier organisiert und durch die breite Unterstützung der Bürger war ein reger Besucherverkehr die Regel.

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Weitere Aufträge hat die “European Homecare” derzeit in Leipzig nicht erhalten, wie die Stadtverwaltung auf Nachfrage der L-IZ heute mitteilte. So habe zum Beispiel den Zuschlag bei der im August 2014 abgelaufenen Neuausschreibung “für die Betreibung und soziale Betreuung der Einrichtung in der Torgauer Straße 290 ab 01.12.2014 (…) die Firma Human Care GmbH in Bietergemeinschaft mit der Firma GSE Protect, Gesellschaft für Sicherheit und Eigentumsschutz mbH, erhalten”, so Sozialamtsleiterin Martina Kador-Probst gegenüber L-IZ.de. In dieser derzeit mit 299 Einwohnern größten Einrichtung Leipzigs war es unter dem vorhergehenden Betreiber zu einem sechs Wochen lang unentdeckten Todesfall gekommen.

Die Firma hat keinen neuen Auftrag erhalten. “Die Firma A & S LAVAL ist bis zum 30.11.2014 Vertragspartner hinsichtlich der Betreibung der Gemeinschaftsunterkunft Torgauer Straße 290”, so Kador-Probst weiter.

Zur Betreuungsquote in den Einrichtungen teilt die Sozialamtsleiterin mit: “In den Gemeinschaftsunterkünften Liliensteinstraße 15a, Torgauer Straße 290 und Riebeckstraße 63 erfolgt die Betreuung nach einem Schlüssel von 1:50, in den Häusern für gemeinschaftliches Wohnen in der Georg-Schumann-Straße 121, Georg-Schwarz-Straße 31, Pittlerstraße 5/7 und Markranstädter Straße 16/18 beträgt der Schlüssel 1:40. Für bereits dezentral untergebrachte Flüchtlinge wird eine Betreuung in einem Verhältnis von 1:100 angeboten. Die genannten Betreuungsschlüssel entsprechen dem Beschluss der Ratsversammlung vom 21.11.2013.”

Die Qualität des Sicherheitspersonals sei in Leipzig schon länger überdurchschnittlich stark im Fokus bei Auftragsvergaben. Dazu teilte die Stadt heute mit: “Anforderungen an Wachpersonal finden sich in § 34a Gewerbeordnung (GewO) sowie in der Verordnung über das Bewachungsgewerbe (BewachungsVO). Die dort genannten Zuverlässigkeitskriterien gelten für alle im Bewachungsgewerbe Tätigen. Die Stadt Leipzig hat bei Ausschreibungen die Garantie der Zuverlässigkeit als zwingende Voraussetzung in die Leistungsbeschreibung aufgenommen. Darüber hinaus verlangt sie für alle in der Bewachung Tätigen das Vorliegen eines erweiterten Führungszeugnisses. Selbiges geht über die Grenzen der Zuverlässigkeit im Bewachungsgewerbe hinaus.”

Zum Bericht von WDR “Westpol” über die Vorkommnisse in NRW vom 28.09. 2014

Misshandlungen und zu wenig Personal – Schwere Vorwürfe gegen privaten Flüchtlingsheimbetreiber

“Der Westen” zu den Vorfällen in Burbach vom 28. 09. 2014

Private Sicherheitskräfte haben in Burbach Flüchtlinge misshandelt

Derzeitiger Stand bei den Flüchtlingsunterkünften in Leipzig

Ratsinformationssystem der Stadt Leipzig

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