Stellen wir uns einen Stammtisch vor, an dem einige Leute sitzen und über den Leipziger Osten quatschen. Der scheint in der städtischen Wahrnehmung meilenweit entfernt zu sein von der In-Meile Südvorstadt, dem Hippie-und-Kunst-Westen oder vom Connewitzer Alternativimage. Manchem fällt bei Leipzig-Fernost nach einer Pro Sieben-Sendung wohl nur "Deutschlands schlimmste Straße" ein: die Eisenbahnstraße als vermeintlich einzigartiger Ort von Drogen und Gewalt. Ein Tisch steht im Grünen und lässt Visionen Raum, anstatt Vorurteile und Ängste zu verfestigen und geht auf Entdeckerreise.
Der Osten von Leipzig hat Potential. In Reudnitz, Anger-Crottendorf, Sellerhausen und Schönefeld sind bislang ungehobene urbane Schätze zu finden: alte Gebäude mit viel Charme, stille Parks – und Raum für neue Ideen. Die Idee, diese Orte an einem “grünen Band” zu vereinen, ist simpel und hat in den letzten Jahren in der Stadtgesellschaft viele Unterstützer bekommen. Viele zeigten sich von der Vision einer grünen Fußgänger- und Radverbindung zwischen Innenstadt und Vororten überzeugt. Der Weg soll sich einmal auf ehemaligen Bahnstrecken vom Grassimuseum im weiten Bogen über fünf Kilometer bis zum Hauptbahnhof erstrecken und bestehende Grünräume mit alten Industriebauten verbinden. Doch der Parkbogen ist mehr: er bündelt in der Vorstellung der Initiatoren zukünftig verschiedene bürgerschaftliche Projekte. Große und kleine Vorhaben werden einmal den grünen Weg durch die Stadt begleiten und durch ihn ins rechte Licht gerückt.
Den Auftakt für die Idee bildet das Grassimuseum. In einem der Höfe des weitläufigen Gebäudes aus den 1920er Jahren gab es einmal einen Japanischen Garten. Dieser soll wieder entstehen. Hinter dem Museum liegt der alte Johannisfriedhof, von dem aus der Parkbogen seinen Weg nimmt. Der wenige Meter entfernte Lene-Voigt-Park entstand bereits 2007 auf dem Areal des alten Eilenburger Bahnhofs. Der international ausgezeichnete Park zeigt, wie eine Brachfläche mit weiten Wiesenflächen und Spielplätzen zum lebendigen öffentlichen Raum wird.
Schon heute kann man auf der ehemaligen Anger-Crottendorfer Bahntrasse nach Osten radeln. An der 2012 stillgelegten Verbindungsstrecke zwischen Hauptbahnhof und Connewitz soll zukünftig eine schneckenförmige Rampe den Niveauunterschied überwinden, um den Parkbogen auf dem Bahndamm fortzusetzen. Fährt man auf diesem weiter, sieht man links einen dichten Wald. Der entstand auf dem ehemaligen Gelände der Buchbindereimaschinenfabrik Krause, von der nur noch der denkmalgeschützte Flügel an der Neubauer-Straße übrig blieb. Natur und Geschichte sind hier auf engsten Raum vereint.
Gleich dahinter beginnt der Kleingartenpark Südost. In dem weiten Areal, das sich acht Gartenvereine teilen, befinden nicht nur kleinen Parzellen, sondern auch Spiel- und Sportflächen. Am Nordrand plant der NABU einen Naturgarten und den Rietzschketurm, benannt nach dem kleinen in unmittelbarer Nachbarschaft vorbeifließenden Bach.
Noch ein wenig weiter östlich liegt der Volkshain Stünz, am Ende des 19. Jahrhunderts vom Ratsgärtner Carl Otto Wittenberg angelegt. In den letzten zwei Jahren begannen die Stiftung Bürger für Leipzig und der Bürgerverein Sellerhausen-Stünz hier damit, dem Park seinen alten Charme zurückzugeben. Der Notenspur-Förderverein möchte am südlichen Parkrand für sein »Notenrad« einen Spielplatz anlegen. Der Grundstein für das Kletterorchester wurde im Juni diesen Jahres zum Kindertag gelegt.Hinter dem Park soll der Parkbogen seinen Weg über das Viadukt Sellerhausen nach Norden fortsetzen und seinen spektakulären Höhepunkt erreichen. Auf der ehemaligen Eisenbahnbrücke aus den 1870er Jahren stellen sich die Parkbogen-Visionäre eine begrünte Verbindung von Anger-Crottendorf und Sellerhausen in luftiger Höhe vor. Mancher Leipziger ist ja überzeugt, dass seine Stadt es mit den Metropolen der Welt aufnehmen kann. Hier an der Wurzner Straße könnte dann ein Hauch New York spürbar werden, wo der High Line Park auf einer alten Eisenbahnhochtrasse 2006 entstand. Ein paar Jahre älter ist die Promenade plantée in Paris, eine ebenfalls auf einer Bahnlinie verwirklichte Fußwegverbindung im Grünen. Anschluss ans Weltniveau in Sellerhausen – das könnte mit dem Parkbogen gelingen.
Über den Volksgarten in Schönefeld soll die Strecke an den Bahngleisen weiter zum Mariannenpark verlaufen. In diesem Gartendenkmal, mit dessen Anlage noch vor dem Ersten Weltkrieg begonnen wurde, befindet sich ein Rosengarten. Für seine Wiederherstellung hatte sich ebenfalls die Bürger-Stiftung engagiert. Der zukünftige Parkbogen vom Mariannenpark bis zum Hauptbahnhof ist heute noch eine Brache, in der allerdings großes Potential schlummert. Das alte Bahnbetriebswerk an der Adenauerallee mit seinem Ringlokschuppen, denkmalgeschützte Stellwerke, der ungenutzte Postbahnhof mit seinen Hallen: All das wartet auf Revitalisierung, für die die Vision des grünen Weges entlang ungenutzter Schienenstrecken einen wichtigen Impuls geben kann. Konkret wird es inzwischen am Schlusspunkt: Westlich des Hauptbahnhofs plant einen Investor ein neues Wohnquartier mit einem Park am Fluss, in das der Parkbogen eingebunden werden kann.
Der Leipziger Osten als Raum für urbane Visionen, die real werden. Das Amt für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung und das Amt für Stadtgrün und Gewässer der Stadt Leipzig haben die Parkbogen-Idee aufgegriffen und unterstützen deren Umsetzung. Aus einer bürgerschaftlichen Vision wird so eine städtebauliche Klammer für die Quartiersentwicklung, die dem lähmend-negativen Image des Ostens entgegentritt. Während das oft mittels fertiger planerischer Konzepte vom Reißbrett geschieht, besteht hier durch eine spielerische Offenheit die Chance einer Weiterentwicklung und des Mitmachens: bei den bestehenden Projekten oder bei ganz neuen.
Quelle: DGGL Sachsen, Tim Tepper und Michael BerningerUnd um das alles zu erleben, gibt es jetzt “Parkbogen Ost Tage” am 5. und 6. Juli – mit Konzerten, Führungen und Radwanderkino
Samstag, 5. Juli
15 Uhr im Mariannenpark, Rohrteichstraße /Schönefelder Allee in Schönefeld: Picknick Konzert für Marianne. Akkordeonorchester Leipzig der Musik-und Kunstschule “Ottmar Gerster” unter Leitung Eduard Funkner. Uraufführung der Parkbogen Symphonie (Teil 1) mit einer Komposition für den Mariannenpark von Rainer Lischka im historischen Staudengarten, danach Führung zum Park durch Peter Beneken (ab 16 Uhr), Präsentation des neuen Parkführers, keine Regenvariante vorhanden. Eintritt frei.
21 Uhr am Grassimuseum, Johannisplatz 5-7: Radwanderkino trifft Parkbogen Ost – Zukunftsmusik und Kurzfilmprogramm. Stationen sind Grassimuseum, BUGRA Messehaus. Lene-Voigt-Park, Krause Fabrik, Kleingartenpark Südost, Viadukt Sellerhausen, Bülowviertel, Volksgarten Schönefeld, Mariannenpark, ehemaliger Postbahnhof und Hauptbahnhof. Regenvariante vorhanden – Eintritt frei.
Sonntag, 6. Juli
11 Uhr auf der Hauptbahnhof Leipzig-Westseite – Radstation Eckardt: Parkbogen Ost – Neue Wege auf Alten Gleisen. Spaziergang mit Führung und Picknick-Pause. Stationen sind der Hauptbahnhof, Alter Postbahnhof, Volksgarten Schönefeld, Viadukt Sellerhausen, Kleingartenpark Südost, Bahnschneise Anger-Crottendorf, Lene-Voigt-Park, Lesegarten am Haus des Buches, Grassimuseum. Dauer: 4 Stunden – Eintritt frei.
15 Uhr im Grassimuseum, Johannisplatz 5-7: Verlust und Erinnerung – Alte japanische Musik und zeitgenössischer Tanz. Regie: Heike Hennig. Eintritt: 6 Euro (normal), 4 Euro (Studenten).
Organisiert wird das Ganze von DGGL Sachsen in Zusammenarbeit mit Initiative Parkbogen Ost, ADFC Leipzig, FZML, Stiftung Bürger für Leipzig, Japanisches Haus Leipzig. Gefördert durch die Stadt Leipzig (ASG und Kulturamt), Grüner Ring Leipzig und teilauto.
www.garten-leipzig.net
www.garten-leipzig.net
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