Schon in ihrer Bekanntgabe zu den Plänen, in der Elster-Luppe-Aue hinter Lützschena ein neues Flutungsregime zu bauen, brachte die Landestalsperrenverwaltung (LTV) es fertig, den Naturschutz gegen den Naturschutz auszuspielen. Wertvolle Arten, die auf der Roten Liste stehen, wurden als Begründung dafür genannt, dass weite Teile der Elster-Luppe-Aue "von den planmäßigen Flutungen ausgenommen werden" müssten. Ein Argument, gegen das sich Roland Zitschke, ehrenamtlicher Mitarbeiter des NABU, beim Auwald-Forum am 10. Juli deutlichst verwahrte.
Denn in ihrem Vortrag “Dynamische Wiederbespannung von Altläufen der nordwestlichen Elster-Luppe-Aue” beriefen sich die beiden LTV-Mitarbeiter Markus Freygang und Max Heß ausgerechnet auf Zitschke, der mit der LTV gemeinsam die Aue zwischen Lützschena und Schkeuditz erkundet hatte. Seit 2009 läuft diese Projekt, auf das die LTV nicht ganz von allein gekommen ist, denn was sie im Mai als Planfeststellungsantrag bei der Landesdirektion einreichte, ist ein Kompensationsprojekt. Womit die LTV so nebenbei auch zugibt, dass sie im Leipziger Auengebiet mitten im Naturschutzgebiet neu gebaut hat. Wären die Deichertüchtigungen und der Neubau des Nahleauslassbauwerks tatsächlich nur Erneuerungen alter Bauten gewesen, hätte es keines Ausgleichs bedurft. Aber nicht nur die Deiche wurden verstärkt, auch breite Deichverteidigungswege wurden angelegt.
Früher, so betonte Markus Freygang, hätte man die Kompensation für diese Eingriffe irgendwo auf freiem Feld vorgenommen. Aber “nach einer langen naturschutzfachlichen sowie naturschutzrechtlichen Leitbilddiskussion” habe man sich entschieden, die Kompensationen künftig im Verfügungsbereich der LTV durchzuführen. Die Nordwestaue in Leipzig böte sich dafür an.
Das wäre eigentlich der Punkt gewesen, für diese Nordwestaue – die sich auch aus Sicht der LTV vom Elsterbecken bis nach Schkeuditz erstreckt – einmal ein komplettes Revitalisierungsprogramm vorzulegen. Wenn es nicht gleich komplett hätte umgesetzt werden können, hätte das sicher niemanden gestört. Aber auch das, was die LTV in der Aue hinter Lützschena vorhat, ist nicht Teil eines solchen Projekts. Das wurde schnell klar, als Freygang die Einschränkungen des Flutungsprojektes erläuterte. Die Projektidee entwickele man seit 2009, erklärte er in seinem Vortrag beim Auwald-Forum. Und nach intensiven Geländebegehungen mit Roland Zitschke, der “die Aue kennt wie kein Zweiter”, habe man ein Projekt entwickelt, bei dem durch eine bauliche Maßnahme wieder ein Zustrom der Weißen Elster in einige Altarme im Auengebiet ermöglicht werden soll. Gesteuert, betont er. Fast im selben Atemzug mit der Formel “dynamische Aue”. Eine Verbindung, die sich beißt. Entweder öffnet man die Aue wieder für natürliche Hochwasser der Weißen Elster, stellt also die natürliche Auendynamik wieder her. Oder man steuert. Beides zugleich geht nicht.
Der Zufluss hergestellt werden soll über den Bau einer Geländemulde, ein Bauwerk, das so profiliert werden soll, dass einige Altarme im Gebiet bei Hochwasser geflutet werden – 86 Prozent des Gebietes aber werden ausgespart. Unter anderem weil es dort diverse Populationen gibt, die auf der Roten Liste und damit unter Naturschutz stehen. Unter anderem nannte er die Rotbauchunke, die in den Papitzer Lachen (die mitten im Gebiet der Elster-Luppe-Aue liegen) zu Hause ist. Das war der Punkt, der den Senior des Leipziger Naturschutzes zu Aufstehen brachte. Er ist über 80 – aber das fand er denn doch unverfroren, nun ausgerechnet die Rotbauchunke als Argument gegen eine komplette Revitalisierung der Aue zu zitieren. “Die Rotbauchunke war auch früher schon da, bevor die Deiche gebaut wurden”, sagte Roland Zitschke. “Die Überschwemmungen haben ihr überhaupt nicht geschadet.”
Und auch die anderen naturschutzrechtlichen Argumente, die vorgebracht wurden, fand er mehr als fragwürdig. Aber Max Heß, der das LTV-Projekt naturschutzfachlich begleitet, erklärte dann noch, dass es gar nicht die LTV sei, die hier so strenge Auflagen mache und den Naturschutz als Argument gegen die Revitalisierung anmahne. “Wer dann?”, gab es die berechtigte Nachfrage aus dem Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, das ebenfalls am Auwald-Forum teilnahm. Doch einen Namen wollte Heß nicht nennen.
Sitzt da tatsächlich ein Anonymus in der Landesdirektion, der sich einen Spaß daraus macht, die berechtigten Forderungen nach einer lebendigen Aue just mit Naturschutzargumenten auszuhebeln?
Das europäische Naturschutzrecht kann es nicht sein, auf das sich hier berufen wird, denn das befördert die komplette Wiederherstellung wertvoller Lebensräume, wie es die Elster-Luppe-Aue ist. Und das ist nur mit einer kompletten Öffnung für die Hochwasser der Weißen Elster zu bewerkstelligen.
Doch auch hier scheint jemand Ängste zu schüren. Markus Freygang erwähnte ganze Stapel von Briefen besorgter Bürger, die bei einer Flutung der Aue überschwemmte Keller und Mückenplagen befürchten. Ein Argument, zu dem Zitschke nur noch “Unfug” sagen konnte. “Ich habe noch mit einer Menge Leute gesprochen, die die Aue noch regelmäßig unter Wasser erlebt haben. Da haben wir als Kinder gebadet. Da war von überschwemmten Kellern und Mückenplagen keine Rede”, betonte er.
Was dann eigentlich heißt, dass sich die LTV einen Argumentationsberg aufgebaut hat, der Ängste schürt, wo sie nicht berechtigt sind. Genauso wie die Stadt Leipzig immer wieder betont, die abgedeichte Burgaue sei nötig für den Hochwasserschutz für Wahren und Möckern, scheint man jetzt Ängste in Lützschena-Stahmeln und Schkeuditz schüren zu wollen. Und auch hier gilt: Überschwemmungen dauern selten länger als ein paar Tage – es sei denn, der Abfluss ist nicht gewährleistet. Wenn die LTV aber ihr Bauprojekt genehmigt bekommt, hat sie ihren Teil der “Kompensation” im Flussgebiet wieder erledigt, hat auch ihre Deiche nicht infrage gestellt und damit einmal mehr vollendete Tatsachen geschaffen. Die sehen dann irgendwie wie ein bisschen “Wiedervernässung der Aue” aus, aber tatsächlich geht das Projekt nicht wirklich über die kärglichen Pläne hinaus, die die Stadt Leipzig in der Burgaue umsetzen will, wo sie ein paar Altarme wieder mit Wasser versorgen will.
Ganze 70 von 900 Hektar sollen nun in das Flutungsregime in der Elster-Luppe-Aue einbezogen werden. Und die Wassermenge soll gedrosselt werden, betonte Freygang. 2015 rechnet er mit Genehmigung und Baubeginn. Mit einer “dynamischen Aue” hat beides nichts zu tun.
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“Das randvoll Volllaufenlassen der Aue ist nicht genehmigungsfähig”, behauptete Max Heß und verwies auf die zähen Verhandlungsrunden mit der Landesdirektion.
“Dann lassen Sie uns doch mit der Landesdirektion gemeinsam an einen Tisch setzen und gemeinsam eine Lösung suchen”, meinte Holger Seidemann vom Ökolöwen.
“Das haben wir doch schon getan”, meinte Heß. Doch gegen die Argumente der Landesdirektion sei kein Durchdringen.
“Deswegen sage ich ja: gemeinsam, mit uns und der Landesdirektion”, betonte Seidemann.
Etwas später am Nachmittag erläuterten dann auch noch Inge Kunath und Jens Riedel für das Leipziger Amt für Stadtgrün und Gewässer, wie kärglich tatsächlich die Pläne zur Flutung der Burgaue sind. Zwischen 0,5 und 2,5 m3/s will man, wenn das 5-Millionen-Euro-Projekt fertig ist, durch einen Vorfluter in den Burgauenbach und einige frei gelegte Altarme lassen. 2,5 m/s stellten dabei schon ein kleines Hochwasser dar, meinten sie. Man will also selbst bei richtigen Hochwassern drosseln. Und statt sich wirklich auf die Revitalisierung der Burgaue zu fokussieren, ist man im Projekt “Lebendige Luppe” zutiefst bestrebt, die “Ziele des Hochwasserschutzes” umzusetzen. Das passt alles nicht hinten und nicht vorne.
30. Juli. Auf Bitten von Jens Riedel noch als Korrektur zu seinen Ausagen: “Ich berichtete im Vortrag darüber, dass das Projekt Lebendige Luppe das Thema der Kleinen Hochwasserereignisse mit berücksichtigt und diese Hochwasserereignisse (HQ_Ereignisse), die weit größer als die benannten 2,5 m³/s sind, auch für die Aue nutzbar machen will. Dies wurde ausführlich im Vortrag dargestellt. Auf Nachfragen wurde auch eindeutig ausgesagt, dass die wichtigen und bedeutenden kleinen Hochwassereignisse mitbetrachtet werden und diese Hochwasserereignisse (Hochwasserereignisse: kleine HQ > 1,5 m³/s bis 2,5 m³/s und größere HQ > 2,5 m³/s bis HQ x) in das Gebiet geleitet werden sollen (–> siehe Vortrag). Dies steht natürlich in Abhängigkeit der Genehmigungsfähigkeit und der planerischen Lösungen.
Ziel des Projektes ist die Initiierung von Prozessen der Auendynamik auch mit Einleitung von kleinen Hochwasserereignissen >> 2,5 m³/s. Primärer Fokus des Projektes ist die Lebensraumentwicklun/Auenrevitalisierung und nicht der Hochwasserschutz.”
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