Am Donnerstag, 10. Juli, soll es nun so weit sein, da soll das Auwald-Forum nachgeholt werden, das zur Naturschutzwoche im Mai ausfiel, weil ein "maßgeblicher Partner" kurzfristig abgesagt hatte. Doch die Skepsis bei den für Naturschutz im Leipziger Auwald Engagierten wächst. Ein Satz in der Pressemitteilung der Stadt macht sie stutzig: "Hintergrund der ursprünglich für den 13. Mai vorgesehenen Veranstaltung sind die Hochwasserereignisse der letzten Jahre und damit einhergehende Fragen zu Schutzmaßnahmen."

Das ist dann schon sehr, sehr weit interpretiert. Hintergrund ist noch immer ein gemeinsamer Antrag von CDU und SPD im Leipziger Stadtrat, der Ende 2013 auf einen Stopp der von der Landestalsperrenverwaltung begonnenen Baumaßnahmen am Nahleauslasswerk in der Burgaue drängte. Schon der Umgang mit dem Antrag war verwaltungsseitig ein Spiel auf Zeit. Im Januar begann die Landestalsperrenverwaltung mit den Arbeiten und schuf damit Tatsachen. Sie konnte sich auf eine Genehmigung des Leipziger Umweltamtes berufen, das den Neubau des Auslasswerkes im Sommer genehmigt hatte und auch keine Notwendigkeit für ein ordentliches baurechtliches Verfahren sah. War ja nur der Ersatz eines 40 Jahre alten Bauwerkes, das in seiner Existenz zwei Mal geöffnet wurde – einmal beim Winterhochwasser 2011 und einmal beim Juni-Hochwasser 2013. In beiden Fällen wurde die südliche Burgaue kurzerhand als Polder genutzt, die hereinstürzenden Wassermassen richteten entsprechende Flurschäden an. Im Juni 2013 brachten sie auch den Auwaldkran aus dem Gleichgewicht, der gleich hinterm Auslasswerk stand.

Seit 2012 läuft in der Burgaue das Projekt “Lebendige Luppe”, das als zentrales Ziel hat, den Auwald wieder mit Wasser zu versorgen. Es ist ganz offenkundig ein Widerspruch, den Auwald nach 80 Jahren wieder vernässen zu wollen und gleichzeitig für 3 Millionen Euro ein Bauwerk neu zu bauen, das den Auwald vom Wasser der Nahle abschneiden soll. Und zwar nicht nur oberflächig, sondern bis zu zehn Meter in die Tiefe. Dass das Leipziger Umweltamt derart unberaten agiert, hat auch damit zu tun, dass es in Leipzig keine öffentliche und offene Diskussion über die ökologische Funktion des Auwaldes gibt.

Als der Antrag von CDU und SPD dann im März zum Beschluss stand, war er schon umformuliert in der Einsicht, dass man in das nun längst laufende Bauvorhaben nicht mehr eingreifen könne. Man hatte mit der Verwaltung quasi einen Kuhhandel erzielt: Wenn man den rein technisch gedachten Bau nicht stoppen kann, muss wenigstens erst einmal eine Diskussionsgrundlage geschaffen werden, auf der künftige Projekte im Auwald dann gemeinsam entwickelt werden können.

Dass dann ein nicht entbehrlicher Diskussionsteilnehmer kurzfristig absagte zu dem Auwald-Forum, das man quasi als Ausgleich zum nicht gewährten Begehren bekommen hatte, war schon seltsam genug. Dass wenige Wochen später dann ein Planfeststellungsantrag für die Nordwestliche Burgaue bei der Landesdirektion gestellt wurde, um das Flutungsregime zu ändern, war schon verblüffend. Da wird also weiter einfach drauflos projektiert, ohne dass die vom Stadtrat im März beschlossene Diskussion überhaupt in die Gänge gekommen ist.Es geht ja nicht wirklich um die lapidare Frage der “Hochwasserereignisse der letzten Jahre und damit einhergehende Fragen zu Schutzmaßnahmen”, auch wenn selbst das in Leipzig nicht geklärt ist. Die Stadtverwaltung hat sich hier stets herausgehalten und der Landestalsperrenverwaltung freie Hand gelassen. Es gibt keine Basis, auf der der Auwaldökologie da überhaupt Einfluss verschafft werden könnte. Das Auwald-Forum hätte dafür der Beginn sein sollen. Genau so hatte es der Stadtrat im März beschlossen:

“1. Im Rahmen der Naturschutzwoche wird im Mai 2014 ein Auenwaldsymposium durchgeführt. Mit dem Fachausschuss Umwelt und Ordnung sind Ablauf, Referentenpool und Zielgruppe abzustimmen.

2. Hauptgegenstand des Auenwaldsymposiums ist die grundlegende Verbesserung des Wasserhaushalts im Leipziger Auenwald.

3. Zur Vorbereitung des Symposiums erarbeitet die Stadtverwaltung eine fundierte Stellungnahme, wie für die Nordwestaue häufige ökologische und dynamische Flutungen umgesetzt und in das Projekt “Lebendige Luppe” integriert werden können. Diese geht dem Fachausschuss Umwelt und Ordnung und den Referenten aus Wissenschaft, Behörden und Umweltvereinen rechtzeitig vor dem Symposium zu.

4. In Erwartung, dass es weiterhin der Synchronisierung von Maßnahmen des Hochwasser- und Naturschutzes bedarf, soll in den Folgejahren ein solches Symposium in die Naturschutzwoche integriert werden. Zur Vorbereitung dessen bedient man sich des Naturschutzbeirates, der dazu um weitere erforderliche Experten zu ergänzen ist.”

Aber eine solche fundierte Stellungnahme der Stadtverwaltung hat der Umweltausschuss bis heute nicht verhandelt. Und bei den eingeladenen Referenten ist auch keine angekommen. Auf welcher Basis soll da eigentlich diskutiert werden? Oder wird jetzt verwaltungsseitig versucht, dem Forum gleich mal die Zähne zu ziehen? Denn wenn es keine fundierte Stellungnahme gibt, die aufzeigt “wie für die Nordwestaue häufige ökologische und dynamische Flutungen umgesetzt und in das Projekt ‘Lebendige Luppe’ integriert werden können”, dann gibt es auch am 10. Juli wieder keine gemeinsame Gesprächsgrundlage.

So ungefähr sieht dann auch die Referentenliste aus.

Um 10:20 Uhr referiert Ulrich Detering aus der Bezirksregierung Arnsberg über die “Renaturierung der Lippeaue im Kreis Soest”.

Um 10:55 Uhr steht das Referat “Wozu braucht der Auwald Wasser?” von Mathias Scholz aus dem UFZ auf der Tagesordnung.

Um 11:55 Uhr darf Holger Seidemann vom Ökolöwen über die “Lebendige Luppenaue” referieren.

Um 12:30 Uhr nimmt Axel Bobbe, der Leiter für das Leipziger Gebiet für die Landestalsperrenverwaltung Stellung zur “Wiedervernässung der Nordaue im Bereich der Städte Leipzig und Schkeuditz nördlich der Neuen Luppe”.

Um 14:05 Uhr stellt Tilo Sahlbach von der HTWK “Modellierungsbeispiele” vor.

Um 14:40 Uhr referiert Prof. Dr. Martin Socher aus dem Sächsischen Umweltministerium zum “Hochwasserschutzkonzept Weiße Elster – Eine Handlungsgrundlage”.

Um 15:35 Uhr ist noch einmal Axel Bobbe an der Reihe, der zur “Entwidmung und Schlitzung des Ratsholzdeiches” referiert.

Und um 16:10 Uhr gibt es noch einen Vortrag von Axel Schmoll aus dem Umweltamt zur “Dynamischen Aue”.

Die bekannten Bausteine also. Keine Workshops, keine Diskussionen, wie man die zum Teil unvereinbaren Positionen in Einklang bringen kann. Nichts. Das konkret gestellte Thema zu auendynamischen Flutungen in der Nordwestaue steht nicht mal im Mittelpunkt. Um 17 Uhr gehen dann alle wieder nach Hause. Und dürfen sich wohl fragen, warum eine derartige Show-Veranstaltung entsteht, wenn CDU und SPD in ihrem Antrag sehr deutlich ihre Bauchschmerzen artikuliert haben: “Die Antragsteller müssen zur Kenntnis nehmen, dass gegenwärtig rechtlich und fachlich kein Ansatzpunkt in der Verwaltung gefunden wird, die Sanierung des Nahleauslassbauwerks noch rechtzeitig in naturschutzfachliche Überlegungen einzubeziehen. Darum sollte ein mit der kommenden Naturschutzwoche ins Lebens gerufenes Auenwaldsymposium dazu dienen, eine fachliche Diskussionskultur zu etablieren, die künftig einen rechtzeitigen Ausgleich berechtigter Interessen erzielt. So sollte auch im angekündigten Symposium diskutiert werden, inwieweit das dann wohl in Sanierung befindliche Nahleauslassbauwerk dennoch in das Projekt ‘Lebendige Luppe’ eingebunden werden kann, um eine den Hartholzauwald erhaltende dynamische Flutung wenigstens in Ansätzen zu gewährleisten. Das heißt, das dazu erforderliche Planfeststellungsverfahren würde dann Gegenstand des Projektes “Lebendige Luppe” werden.”

Wie nennt man das dann? Hausaufgaben nicht gemacht? Thema verfehlt? Aufgabe nicht verstanden?

Die antragstellenden Fraktionen hatten ziemlich konkret aufgelistet, was sie erwarteten: “Für die dafür erforderliche neue fachliche Diskussionskultur bedarf es
– eines ergebnisoffenen Diskurses
– der Einbindung unterschiedlicher Fachinteressen
– der gemeinschaftlichen Arbeit in Fachworkshops
– der Ableitung von Ergebnissen und Aufträgen.”

Wie das aus so einem Vortragsreigen entstehen soll, wird wohl bis zum nächsten Jahr das Geheimnis der Leipziger Stadtverwaltung bleiben.

Der Beschluss des Stadtrates vom März 2014:
http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/37442323B8E75CA2C1257CB4004B2806/$FILE/V-a-475-nf-1.pdf

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