Um den Leipziger Floßgraben wird ein stiller, aber umso zäherer Kampf ausgetragen. Die Grundfrage lautet seit 2006: Wie geht man mit einem sensiblen Fließgewässer in einem Naturschutzgebiet um? Wie viel wirtschaftliche Freiheit darf es geben? Und: Darf das wirtschaftliche Interesse einiger Unternehmen über den Naturschutz gestellt werden? - Das Leipziger Umweltamt meint: Ja. - Und hat gerade den zweiten Widerspruch kassiert.

Schon am 27. Juni hatte die Grüne Liga Sachsen, als Vertreter des Ökolöwen, beim Amt für Umweltschutz der Stadt Leipzig gegen die Ausnahmegenehmigung von der Allgemeinverfügung zum Schutz der Eisvogelbrut im Floßgraben für das motorbetriebene LeipzigBoot Widerspruch eingelegt. Gleich am Folgetag musste das Umweltamt diese Ausnahmegenehmigung zurücknehmen. Das LeipzigBoot durfte nicht mehr fahren.

20 Tage währte diese Pause. Mit Datum 17. Juli 2014 erschien dann eine geänderte Allgemeinverfügung – die diesmal dem LeipzigBoot wieder die Durchfahrt genehmigt. Oder noch genauer: der RANAboot GmbH. Die Allgemeinverfügung vom 16. April hatte bis zum 15. August sämtlichen maschinengetriebenen Booten die Durchfahrt durch den Floßgraben untersagt.

Schon im Vorfeld war es zu einem nicht ausgestandenen Streit gekommen, als Leipzigs Umweltverbände der Stadt Leipzig eine gemeinsame Stellungnahme zuarbeiteten, wie mit dem Floßgraben während der Brutzeit des Eisvogels verfahren werden könnte.

Die Naturschutzverbände waren es, die im März ein Kompromisspapier zum Floßgraben vorgelegt und wieder und wieder dazu Gesprächsbereitschaft an die städtische Verwaltung signalisiert haben. Doch umgehend tauchte eine Stellungnahme vor allem der Leipziger Bootsverleiher auf, die dagegen opponierten. Was eigentlich nicht nötig gewesen wäre, wenn die Argumente der Umweltverbände naturschutzfachlich gestimmt haben. Haben sie augenscheinlich – dafür spricht selbst das Schweigen des Leipziger Umweltdezernats. Es hätte ohne Zögern die Anregungen der Umweltverbände auch so in eine Allgemeinverfügung umsetzen können und das auch öffentlich so kommunizieren können.

Hat es aber nicht getan, so dass der Verdacht aufkam, die Stellungnahme der Bootsbetreiber könnte bestellt gewesen sein, um den Floßgraben in der Brutzeit eben nicht zu sperren. Ein rein wirtschaftliches Interesse, das dann am Tag der Allgemeinverfügung auch so sichtbar wurde – mit zwei Zeitfenstern, mit denen das Umweltamt die Durchfahrt muskelbetriebener Boote genehmigte. Und kurz darauf wurde die erste Ausnahmeverfügung speziell für RANAboot erlassen, dem zwei Touren am Tag mit dem LeipzigBoot durch den Floßgraben zugestanden wurden.

Gegen diese Ausnahme ging die Grüne Liga in Widerspruch.

Jetzt liegt die neu formulierte Ausnahmegenehmigung vor, die wieder zwei Fahrten pro Tag durch den Floßgraben erlaubt.

Dagegen ist nun die Grüne Liga wieder in Widerspruch gegangen.

Es ist der zähe Kampf darum, ob Leipzigs Umweltdezernat es schafft, die wirtschaftliche Nutzung des Floßgrabens als höheres öffentliches Interesse durchzusetzen oder der Naturschutz im südlichen Auwald tatsächlich einmal den Schutz durch die Naturschutzbehörde erfährt.

Hinter allem steckt der zähe Kampf darum, dem 2006 zusammengebastelten “Wassertouristischen Nutzungskonzept” Geltung zu verschaffen und den “Kurs 1” auch während der Brutzeit des Eisvogels wirtschaftlich nutzbar zu machen.

Bissig kommentiert das ganze Wolfgang Stoiber, Vorsitzender des NuKla e.V.: “Wer ignoriert wird und im Recht ist, greift dann auf die zur Verfügung stehenden Rechtsmittel zurück. Nicht die Naturschützer schaden dem Tourismus! Es sind die Erfinder des Wassertouristischen Nutzungskonzeptes, die, ohne Alternativen überhaupt auch nur in Erwägung zu ziehen, entgegen europäischen Naturschutzbestimmungen und wider besseren Wissens den kleinen Floßgraben zum ihrem ‘Schlüsselkurs’ 1 erklärt haben, mitten im Schutzgebiet.”

In der Leipziger Verwaltung wusste man von Anfang an, dass man mit dem Floßgraben ein sehr sensibles Gewässer als Verbindung zum Cospudener See ausgewählt hatte. Das ist auch den Nutzern vermittelbar. Auch wenn es saisonale Einschränkungen gibt. Doch man macht lieber Politik für eine Handvoll Unternehmen, die ihr Interesse für das allgemeine Interesse der Öffentlichkeit halten und dafür im Leipziger Umweltamt offene Türen finden.

Nicht der einzige Fall, in dem die Umweltverbände in Leipzig gezwungen werden, Naturschutzregeln auf juristischem Wege einzufordern, da der zuständige Bürgermeister sich dafür nicht zuständig fühlt.

“Wie die Geschichte nun weitergeht”, fragt Stoiber und beantwortet sich die Frage selbst: “Soeben hat die Grüne Liga gegen die neue Allgemeinverfügung Widerspruch eingelegt, was nur konsequent ist, geht es doch um die Einhaltung europäischer Naturschutzmaßgaben. Somit dürfte die Erleichterung der LeipzigBootbetreiber wieder dahin sein, da das Umweltamt erneut verpflichtet ist, die aufschiebende Wirkung des Einspruchs umzusetzen.”

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