Wenn eine Verwaltung sich drückt, ihre Aufgaben wahrzunehmen, dann kommt so etwas heraus wie derzeit am Floßgraben. Trotz Brutzeit des Eisvogels und trotz Allgemeinverfügung wird der Graben durchfahren. Natürlich auch in den Sperrzeiten, denn niemand kontrolliert es. Jedenfalls nicht von städtischer Seite. Leipziger Umweltschützer haben zu Pfingsten selbst gezählt, was da alles schipperte. Und Wolfgang Stoiber, Vorsitzender des NuKla e.V, schreibt einen Offenen Brief. Mit der berechtigten Forderung, den Floßgraben in der Brutzeit wirklich zu sperren.
Sehr geehrte Freifrau von Fritzsch, sehr geehrter Herr Bürgermeister Rosental, sehr geehrte Damen und Herren!
Pfingstsamstag, 07.06.2014, 11 Uhr an der Connewitzer Schleuse. Die Schleuse ist voll von muskelbetriebenen Booten: seit Minuten hat die Schleuse einen technischen Defekt. Auf der Pleiße, am unteren Eingang der Schleuse, warten weitere Boote sowie ein LeipzigBoot. Insgesamt handelt es sich laut unseren Zählungen um gut 50 Boote, welche in einem Zeitraum von ca. 20 Minuten dort aufgelaufen sind. Nach weiteren 20 Minuten (die Boote wurden immer mehr) und der Feststellung, dass ein Monteur herbeigerufen werden muss, tragen die Paddler allesamt ihre Boote per Hand um. Hier kann nun geschlussfolgert werden, dass ca. weitere 30 Minuten später diese 50 Boote alle zeitgleich in den Floßgraben eingefahren sind. Am Abend des gleichen Tages fahren wie selbstverständlich weit nach 18 Uhr, also trotz verfügter Sperrzeit, ebenfalls noch massenhaft Boote durch den Floßgraben zurück in die Stadt.
Man erkennt an diesem Beispiel, welche Massen sich bei schönem Wetter durch den Floßgraben drängen. Leider hat die Verwaltung das von 11 Vereinen vorgelegte Positionspapier zum Befahren des Floßgrabens während der Brutzeit des Eisvogels weder beantwortet, noch sonst irgendwie gegenüber den Verfassern darauf reagiert. Der aus Sicht des Naturschutzes zur vorjährigen Komplettsperrung als möglich vorgeschlagene und für die Aufzucht der Eisvogelbrut gerade noch akzeptable Kompromiss beinhaltet eine Begrenzung von 30 Bootsdurchfahrten pro Tag.
An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass es derzeit keinerlei Hinweis zur Allgemeinverfügung am Einfahrtbereich, Anlage 1, aus der Pleiße in den Floßgrabens gibt, da dieser – von wem auch immer – entfernt und durch die zuständige Behörde nicht ersetzt wurde.
Diese Art, mit einer formal existierenden Allgemeinverfügung dem Gesetz Genüge zu tun, ohne tatsächlich für dessen Umsetzung zu sorgen, verstößt gegen europäischisches Recht. Es ist die Aufgabe der Unteren Naturschutzbehörde, dafür zu sorgen, dass eine geschützte Art wie der Eisvogel seine Brut großziehen kann. Dass ihm dies im jetzigen Sommer gelingen wird, darf bezweifelt werden. Damit hätten sich eine Allgemeinverfügung und die damit verbundenen, höchst unerwünschten Einschränkungen, erübrigt.
Laut Pressemitteilung zur Allgmeinverfügung vom 16.4.2014 sollen auf dem Floßgraben lediglich in den Zeiten von 11 bis 13 und von 16 bis 18 Uhr Paddelboote fahren dürfen. Dem Antrag auf Ausnahmegenehmigung für das LeipzigBoot für zusätzliches Befahren in der Zeit von 13 bis 16 Uhr wurde von Seiten der Stadt Leipzig bereits am Tag der Veröffentlichung der Allgemeinverfügung statt gegeben.
Nachgewiesen ist, dass sich weder Bootsverleiher noch Paddler an diese Allgemeinverfügung halten. Das Monitoring verschiedenster Naturschützer belegt (Monitoring von Pfingsten sowie vom 24.5.,25.5, 31.5., 01.06. beiliegend ), dass der Floßgraben bei schönem Wetter in höchster Frequenz auch außerhalb der vorgegebenen Zeitfenster befahren wird. Dies wurde dem zuständigen Amt für Umweltschutz der Stadt Leipzig mehrfach mit Nachweisen mitgeteilt, ohne dass auch nur die kleinste Reaktion erfolgte. Mithin muss konstatiert werden, dass die EU-Vorgaben für das FFH-Gebiet Floßgraben nicht eingehalten werden. Die in dem juristischen Gutachten beschriebenen Voraussetzungen für dieser Ausnahmeregelungen sind, wie das gegenwärtige Monitoring nachweist, nicht erfüllbar. Somit ist ein Gewähren von Ausnahmen nicht möglich: Es kann nur eine komplette, ausnahmslose Sperrung des Floßgrabens geben. Und diese muss wirksam umgesetzt, deren Umsetzung durch die Untere Naturschutzbehörde kontrolliert werden.
Das wundert nicht, hat doch die Stadt Leipzig selbst in einer Pressemitteilung vom 14. 5.2014 mitgeteilt, dass aus naturschutzbehördlicher Sicht eine “Umsiedlung des Eisvogels” aus dem Floßgraben umsetzbar ist, den naturschutzrechtlichen Bestimmungen entspricht und Ausnahmen bzgl. des Artenschutzes und Natura 2000-Gebietsschutzes erteilt werden können sowie auch gegenwärtig ein Befahren des Floßgrabens im Rahmen der Allgemeinverfügung rechtskonform und gestützt durch Gutachten und Mitwirkung der Naturschutzbehörde (Kontrollen) zulässig sei. Aus Sicht des Naturschutzes/NuKLAs sind diese Position und die sie rechtfertigenden (juristischen) Begründungen falsch.
Die von der Stadt Leipzig geplante sogenannte “Umsiedelung” des im Floßgraben brütenden Eisvogels, die für 1,2 Mio. Euro auch die Zerstörung sämtlicher Steilwände des Floßgrabens als potenzielle Brutmöglichkeiten umfasst und laut durch die ?Stadt Leipzig beauftragtem juristischen Gutachten angeblich möglich sein soll, ist nach Kenntnisstand von NuKLA mit der europäischen und bundesdeutschen Gesetzeslage und Rechtsprechung nicht vereinbar.
Zudem ist der Floßgraben für den Eisvogel von besonderer Bedeutung aufgrund seiner besonders geeigneten Struktur an den Steilufern, die zu einer sehr hohen Reproduktionsrate führt, und seiner relativen Hochwassersicherheit. Dass die von der Stadt Leipzig vorgesehene vollständige Zerstörung in diesem Bereich durch eine Schaffung künstlicher Brutmöglichkeiten an anderen Stellen kompensiert werden könnte, wird bezweifelt. Zum einen finden Bruten in den als “Ersatz” benannten Gewässerabschnitten auch von selbst statt (Elstermühlgraben, Weiße Elster), zum anderen sind die avisierte Alternativen aus naturschutzfachlicher Sicht ungeeignet (Hundewasser). Die Schaffung natürlicher Steilufer in anderen Gewässern halten wir auch ohne als Kompensationsmaßnahme für eine Selbstverständlichkeit des Naturschutzes, längst hätte erfolgen müssen.
Die Zerstörung sämtlicher geeigneter Steilwände im Floßgraben, wie von der Stadt Leipzig unter Bezugnahme auf das durch sie beauftragte Gutachten gefordert, käme einer vollständigen Veränderung und damit der Zerstörung des Floßgrabens und seines noch naturnahen Charakters gleich. Somit wäre wegen des erheblichen Ausbaues des Gewässers und der massiven Beeinträchtigung eines Natura2000-Gebietes ein Planfeststellungsverfahren zwingend erforderlich! Außerdem würden die geplanten Maßnahmen eindeutig den verpflichtend einzuhaltenden EU-Wasserrahmenrichtlinien zuwiderlaufen, was Strafzahlungen durch die Stadt Leipzig an die EU zur Folge hätte.
Diese geplante Zerstörung der Steilufer im Floßgraben würde mehr als 50 % der Ufer betreffen und damit für das EU-Vogelschutzgebiet Leipziger Auwald eindeutig eine erhebliche Beeinträchtigung darstellen. Eine Schaffung anderer Brutmöglichkeiten würden eine eindeutig über die ohnehin erforderlichen Erhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen hinausgehende Kohärenzmaßnahme im Rahmen eines Ausnahmeverfahrens darstellen. Hierfür müssten “zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses” und “Alternativlosigkeit” vorliegen.
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Das als Begründung für dieses Vorgehen ins Feld geführte “öffentlichen Interesses” besteht weder zwingend, noch überwiegt es im Falle des Floßgrabens den bestehenden naturschutzrechtlichen Interessen des europäischer Gebiets- und Artenschutzes. Selbst die eher allgemein gehaltenen Aussagen im Regionalplan zur Nutzung des Auwaldgewässer sind als Begründung nicht hinreichend, zumal dort die Vereinbarkeit der Nutzung mit dem Naturschutz unterstrichen und das Natura2000-Gebiet “Leipziger Auensystem” im Regionalplan nördlich der Brückenstraße als Vorranggebiet für Natur und Landschaft festgelegt wurden.
Außerdem gelten Natura2000-Schutzgebiete nur dann als rechtswirksam ausgewiesen, wenn konkrete Ver- und Gebote zu deren Nutzung, “Pflege” und/oder “Entwicklung” festgelegt wurden. Das EU-Vogelschutzgebiet “Leipziger Auwald” unterliegt den Vogelschutzrichtlinien, weshalb die von der Stadt Leipzig erklärten wirtschaftliche Belange für deren Unterlaufen unter Bezugnahme auf andere, schwächere Schutzvorschriften nicht als Argument herhalten können. Lediglich Gründe der öffentlichen Sicherheit und Gesundheit wären zulässig, um einen Eingriff ins Vogelschutzgebiet zu rechtfertigen – diese liegen für den Ausbau des Floßgrabens für Gewässertourismus grundsätzlich nicht vor!
Das von der Verwaltung/Politik im Zweifelsfalle immer hervorgezauberte Argument der Alternativlosigkeit ist im Zusammenhang mit dem Floßgraben ebenso perfide wie falsch. Es gibt durchaus Alternativen für das Befahren des geschützten Floßgrabens, nämlich weitere 8 Kurse. Mithin ist eine Sperrung des Floßgrabens während der Brutzeit sehr wohl zumutbar, zumal die Möglichkeit bestünde, die Tagebauseen über eine neue Gewässerverbindung durch das Elsterhochflutbett an das Leipziger Gewässersystem anzubinden, als Idee bereits in der Broschüre “Der touristische Gewässerverbund Leipziger Neuseenland – Von der Vision zur Wirklichkeit” auf Seite 14 durch den Grünen Ring Leipzig Höchstselbst veröffentlicht.
Die sogenannte “Umsiedlung”, die realiter eine Vertreibung wäre, als mögliche Gebietsmanagementmaßnahme darzustellen, ist demagogisch und dient der Verwirrung der Bürgerinnen und Bürger: Im Managementplan ist in keinster Weise von Zerstörungen besonders geeigneter Lebensstätten die Rede! Die Entwicklung und Sicherung eines günstigen Erhaltungszustandes sind die grundlegenden Anforderungen an ein Natura2000-Gebiet, und deren Umsetzung ist verpflichtend für die dafür zuständigen Behörden.
Angesichts der Lage im Floßgraben als FFH-Gebiet und SPA ist bei solchen Eingriffen davon auszugehen, dass neben dem Eisvogel auch weitere Natura 2000-Zielarten und FFH-Lebensraumtypen erheblich beeinträchtigt werden.
Damit steht das aktuelle Vorgehen der Leipziger Verwaltung offensichtlich und gravierend im Widerspruch zu den Darstellungen und Begründungen des juristischen Gutachtens bezüglich der artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote und der in Folge der geplanten Zerstörungen im Floßgraben entstehenden erheblichen Beeinträchtigungen des EU-Vogelschutzgebietes “Leipziger Auwald”. Das Gutachten selbst weist in seinem 6. Kapital darauf hin, dass eine Einschränkung des Bootsverkehrs zur Einhaltung der Verbote nach §44 Abs.1 Nr.1-3 erforderlich ist, nachdem 2014 erneut Brutnachweise im Floßgraben erbracht wurden.
Aufgrund der inzwischen zahlreich nachgewiesenen Tatsache, dass die in der Allgemeinverfügung angeordneten Beschränkungen bzgl. des Befahrens des Floßgrabens weder umgesetzt, noch kontrolliert und Verstöße geahndet werden (können), fordert NuKLA umgehend die vollständige Sperrung des Floßgrabens ohne Ausnahmeregelung sowie die zeitnahe Prüfung und Umsetzung einer Verbindung zwischen Cospudener See und den städtischen Gewässern unter Ausschluss des Floßgrabens: diesen weiterhin als Schlüsselkurs 1 zu führen und dafür zu zerstören ist gesetzeswidrig!
Ehrenamtliches Monitoring am 8. Juni: In der Sperrzeit von 13 bis 16 Uhr werden an der Weißen Brücke 78 Boote (Weiße Brücke) gezählt, außerhalb der Sperrzeit: 17-17.30 Brücke Waldsee/Lauer, nahe Brutplatz 47 Boote
Ehrenamtliches Monitoring am 9. Juni: 13-16 Uhr 60 Boote (Weiße Brücke)
Mit freundlichen Grüßen, Stoiber.
Das Monotoring vom 1. Juni als PDF zum download.
Das Monotoring vom 31. Mai als PDF zum download.
Das Monotoring vom 25. Mai als PDF zum download.
Das Monotoring vom 24. Mai als PDF zum download.
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