Am 16. Juli gilt es im Leipziger Stadtrat. Dann heißt es hopp oder top. Soll das Leipziger Stadtarchiv aufs alte Messegelände in die legendäre Halle 12 - ja oder nein? Liegen Alternativen auf dem Tisch? Ja. Fünf Stück, von vormals 18. Eins aber scheint endgültig vom Tisch, auch wenn auch das der Stadtrat noch bestätigen muss: ein Neubau am Barnet-Licht-Platz. Dafür reicht der Kreditrahmen der Stadt nicht.
“Der ist reserviert für Schulen, Kitas, Straßen, Brücken”, sagt Verwaltungsbürgermeister Andreas Müller (SPD) am Donnerstag, 26. Juni, beim Besichtigungstermin auf der Alten Messe. Die Verwaltung hat eingeladen, um Journalisten und Stadträten zu zeigen, was sie dem Stadtrat am 16. Juli zur Entscheidung vorlegt: den Umzug des Leipziger Stadtarchivs in die Halle 12, den ehemaligen Sowjetischen Pavillon. In einen Teil davon. Denn auch das zeigt der Vor-Ort-Termin. Während das Archiv am jetzigen Standort an der Torgauer Straße schon aus allen Nähten zu platzen droht und spätestens ab 2020 einen Anbau brauchen würde, ist hier Platz. Jede Menge. 20.000 Quadratmeter Hallenfläche. Davon wird das Stadtarchiv nur einen Teil brauchen. Ein Drittel etwa. So sieht es das Angebot der stadteigenen Leipziger Entwicklungs- und Vermarktungsgesellschaft (LEVG) vor, das von der Verwaltung jetzt favorisiert wird. Aus mehreren Gründen. Einer sind die vergleichsweise günstigen Mieten, der zweite ist die Tatsache, dass die denkmalgeschützte Halle über die LEVG sowieso in städtischem Besitz ist und damit auch langfristig gesichert. Der dritte hängt damit zusammen: Die Stadt muss keinen Kredit aufnehmen, um das Projekt umzusetzen. Das hat bislang das Projekt am Barnet-Licht-Platz blockiert. Zweistellige Millionenbeträge braucht so ein Archivneubau.
Aber der Kreditrahmen, den Leipzig hat, beläuft sich gerade einmal auf knapp 40 Millionen Euro. Davon müssen – das hat absolute Priorität – Schulen, Kindertagesstätten, Straßen und Brücken vorfinanziert werden. Was auch andere Projekte ausbremst, die sich alle so sehr wünschen – ein neues Naturkundemuseum zum Beispiel.Viel zu lange hat auch Leipzigs Stadtverwaltung gezögert, überhaupt konsequent die Weichen umzustellen auf Schulen und Kindertagesstätten. Dabei hat sie wertvolle Jahre vertrödelt und die Ausbauprogramme mindestens drei Jahre zu spät gestartet. Erst 2012 hat die Stadtverwaltung auch von den schillernden Träumen eines Neubaus für das Stadtarchiv Abschied genommen. Seitdem hat man mehrere Varianten untersucht – einen Verbleib am alten Standort genauso wie die Anmietung bei Privaten. Solche Angebote liegen auch jetzt in der Vorlage, die der Stadtrat beschließen soll.
Aber das Angebot, das die LEVG vorgelegt hat, scheint die beste Lösung. Denn damit wird auch der Wunsch umgesetzt, das Archiv in einem städtischen Gebäude unterzubringen. Hochwassersicher ist es in Thonberg sowieso. Gut erschlossen ist es mit dem ÖPNV auch. Und ein weiterer nicht zu unterschätzender Vorteil: Es kann erweitert werden. Denn im ersten Schritt nutzt es ja nur ein Drittel der Hallenfläche, vor allem den Eingangsbereich mit dem Sowjetischen Pavillon. Der auch noch sowjetisch aussieht. Nicht nur mit der goldenen Turmspitze und dem Sowjetstern. Am Eingang sieht man noch Fragmente der alten weißen Kacheln aus den 1950er Jahren, die in den 1990er Jahren begannen, von der Wand zu fallen. Damals wurde schon 1 Million Euro in die kurzfristige Rettung des Portikus investiert – der Großteil der Kacheln wurde aus Sicherheitsgründen entfernt und ein Schutzdach wurde aufgesetzt. Teilweise wurde die Hallenstruktur der 1920er Jahre wieder hergestellt.Dann blieb das Projekt erst mal liegen, es gab zwei große Verkaufsbemühungen für die Halle – einmal sollte es ein Kino-Theater-Erlebnisbau werden, einmal ging es um das Holocaust-Museum. Beim ersten kam ein Berliner Bankkrach dazwischen, beim zweiten kam nie das Geld für eine Investition zusammen.
“Das Stadtarchiv ist eigentlich die ideale Lösung”, sagt Reinhard Wölpert, Geschäftsführer der LEVG. Auch Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau schwärmt. Denn die sowjetische Architektur hat schon was. Gerade auch, weil die Widersprüche sichtbar sind – unter den sowjetischen Um- und Einbauten der Jahre 1950 bis 1952 werden die alten Bauteile von 1923 und 1924 sichtbar. Auch im Foyer des Portikus, in dem künftig der Lesesaal für das Stadtarchiv unterkommen soll. Unter der 90 Jahre alten ausgemalten Kassettendecke sind noch Hammer und Sichel zu sehen. Kommt das ab? Bleibt das dran? – “Alles offen”, sagt Dorothee Dubrau.
Wenn der Stadtrat der Vorlage zustimmt, beginnt erst die eigentliche Arbeit. Dann müssen sich auch die Denkmalschützer der Stadt und des Landes verständigen, wie die Lösung im denkmalgeschützten Portikus aussehen soll: Herstellung des Zustandes von 1923 oder dem von 1952? Oder ein Sichtbarmachen beider Schichten? Was dem Lesesaal dann bestimmt ein eigenes Flair gibt. Im Portikus finden auch alle anderen Räume für Publikumsverkehr und Verwaltung Platz, auch die Werkstätten. Das eigentliche Archiv, 4.000 Quadratmeter umfassend, wird dann einen Teil der Halle in Anspruch nehmen. Wobei noch offen ist, so Reinhard Wölpert – ob es zwei oder drei Etagen für die kilometerlangen Lagerbestände werden.
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Zumindest eine erste Kostenkalkulation nennt er – zwischen 10 bis 15 Millionen Euro wird der Umbau kosten. Die LEVG kann dabei etwas freier agieren als die Stadt selbst. Wenn der Mietvertrag mit der Stadt steht und klar ist, welche Gelder jedes Jahr fließen, kann auch das Bauprojekt detailliert durchgeplant werden. Das braucht alles seine Zeit. Deswegen sei der Fertigstellungstermin 1. Juli 2016, der in der Vorlage stünde, eher nicht der Termin, der zu schaffen wäre, sagt Wölpert. “Das ist sehr sportlich.”
Der Termindruck kommt eher aus dem langen Trödeln und Zögern der Stadt. Der Mietvertrag in der Torgauer Straße läuft 2015 aus. “Da werden wir wohl eine Verlängerung aushandeln müssen”, sagt Dr. Christian Aegerter, Leiter des Hauptamtes. 2017 ist wohl für einen Umzug des Stadtarchivs realistischer. Allein für den Umzug sind zwei Monate zu veranschlagen.
Und was wird aus dem Rest der Halle? – “Mal sehen”, sagt Wölpert. Noch wird dieser Platz auch zum Lagern der Leipziger Marktbuden genutzt. Auf der gegenüberliegenden Seite der Perlickstraße hat das Fraunhofer IZI seine Gebäude gebaut, dort steht auch der Bio-Cube. Vorstellbar sei also auch, so Wölpert, eine Teilnutzung der Halle 12 für eine Erweiterung im Cluster Life Science. Dass das Stadtarchiv jetzt aufs Gelände kommt, könnte ja auch Auslöser für die nächsten Ansiedelungen werden.
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