Jahrelang gab es gar keine Diskussion, da liefen die Leipziger Umweltschutzvereine gegen verschlossene Türen an, wenn es um Auwaldschutz und Floßgraben ging. Im März feierten sie zum ersten Mal einen kleinen Erfolg: Die Landesdirektion sicherte zu, dass es für den Floßgraben keine Schiffbarkeitserklärung geben würde. Doch jetzt gehen Leipziger Wassersportbetriebe, der Leipziger Anglerverband e.V. und der Wasser-Stadt-Leipzig e.V. in Opposition.

Am 29. März schrieben elf Akteure einen Brief an OBM Burkhard Jung und die Bürgermeister Heiko Rosenthal (Umwelt) und Uwe Albrecht (Wirtschaft).

Sie fordern darin die Stadt Leipzig auf, eine Sperrung des Floßgrabens für den Gemeingebrauch zu unterlassen und zur weiteren Umsetzung des Wassertouristischen Nutzungskonzeptes überzugehen. Hier läge ein öffentliches Interesse der Bevölkerung vor, erklären sie. “Keiner der Kunden der Wassersportbetriebe konnte diese Sperrung 2013 nachvollziehen! Letztendlich sperrt man auch die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt aus, die es sich finanziell nicht leisten können ein eigenes Boot zu besitzen. Nachhaltige Gewässernutzung sieht anders aus!”

Gesperrt werden musste der Floßgraben 2013, weil nach Jahren erstmals wieder brütende Eisvögel beobachtet wurden. Der Floßgraben liegt im Naturschutzgebiet. Die zuständige Naturschutzbehörde hat eigentlich keine andere Wahl, als eine Sperrung oder zumindest eine starke Einschränkung des Bootsbetriebes auszusprechen. Deswegen wurde der Floßgraben 2013 auch nicht wirklich komplett gesperrt, nur die Nutzung wurde stark eingeschränkt.

Dass sich das mit all den Versprechungen aus dem Wassertouristischen Nutzungskonzept beißt, war logisch. Das verheißt den Floßgraben als Teil des “Kurs 1” als eine dauerhaft verfügbare Wasserverbindung vom Leipziger Gewässerknoten ins Neuseenland. Doch auch die Entwickler des Wassertouristischen Nutzungskonzeptes wussten, dass der Floßgraben auch im ausgebauten Zustand ein naturschutzrechtlich sensibles Gewässer bleibt und dass eine Nutzungseinschränkung wie 2013 immer im Bereich des Möglichen liegt.

Nur wurde das vor dem Bau der Schleuse Connewitz und dem 2011 gefeierten “Tag Blau” nie offensiv kommuniziert. Nicht nur Bootsverleiher, auch die möglichen Nutzer der Boote waren bis dahin immer im Glauben gelassen worden, der Floßgraben wäre nun unumschränkt nutzbar.
Dass das nun nicht so ist, sorgt gerade bei den Bootsverleihern für Verblüffung: “In einer wiederholten Sperrung sehen wir eine Verschwendung von Steuergeldern und §4 Mitteln für getätigte Investitionen in Schleusen und Gewässerausbau. Die meisten Gelder hätten dann, bei einer Nichtnutzbarkeit der Gewässer, eingespart werden können”, stellen sie fest. Und legen damit natürlich den Finger in die Wunde: Warum wurde so viel Geld in technische Bauwerke investiert, wenn es im Auenwald gar keinen unbeschränkten Bootsverkehr geben kann?

“Seit Entschlammung des Floßgrabens (2004), seiner Anbindung an den Cospudener See (2006), und verstärkt seit Eröffnung der Connewitzer Schleuse (2011) wird diese neue Gewässerstrecke intensiv genutzt”, stellen sie fest. “Seitdem stabilisiert sich auch der Bestand an Eisvögeln. Das heißt, mit einer Maßnahme, die ausdrücklich einer verbesserten Bootsgängigkeit des Floßgrabens galt, verbesserte sich auch der Naturraum. – Dieses Miteinander von Nutzen für Menschen und Natur sollte auch als Paradigma für den weiteren Umgang mit dem Floßgraben und aller bootsgängigen Gewässer dienen. Mit der Beibehaltung der Situation vor 2013 würde man grundsätzlich dem Verschlechterungsverbot gemäß Bundesnaturschutzgesetz (§ 44) gerecht. Durch gezielte zusätzliche Maßnahmen können Störungen des Eisvogels im Speziellen und des Auwaldes im Allgemeinen vermindert und der Schutz verbessert werden.”

Sie sehen die Lösung de Problems in einem Bündel flankierender Maßnahmen:

– Fortsetzung der intensiven Belehrungen aller Bootsnutzer durch das Verleihpersonal – wie seit Kurs1-Eröffnung schon praktiziert – hinsichtlich der Belange des Naturschutzes
– Öffnung der Verleihe und Befahrung des Floßgrabens nicht vor 10:00 Uhr
– Unterstützung zur Schaffung von Brutmöglichkeiten des Eisvogels außerhalb des Floßgrabens, rechtzeitig vor der Brutsaison 2015
– Schaffung von zulässigen und barrierefreien Ausstiegsstellen fern der Brutstellen und anderen schützenswerten Orten im Auwald erkennbarer Schutz der Brutstellen auch vom Land aus

“Dass diese Maßnahmen nicht umgesetzt werden, bevor man gegebenenfalls wieder zum Mittel der (Fast-)Vollsperrung greift, wäre für uns nicht nachvollziehbar”, stellen sie fest. Damit eröffnen sie aber genau die Diskussion, die vor der Eröffnung der Schleuse Connewitz unterlassen wurde. Sie waren nicht die Einzigen, die irgendwie darauf gesetzt hatten, dass die Sache sich schon “einspielt” und sich die Regeln dann irgendwie finden, wenn der Floßgraben erst einmal in Betrieb ist.

Mit dem Brief reagierten sie jetzt auf einen Vorstoß mehrerer Leipziger Umweltverbände und -initiativen, die Mitte März einen noch besseren Schutz der Gewässer im Auwald gefordert hatten. Die Leipziger Grünen hatten im Nachgang gefordert, das Wassertouristische Nutzungskonzept auf den Prüfstand zu stellen und den naturschutzrechtlichen Gegebenheiten im Leipziger Gewässerknoten anzupassen, denn Vieles, was darin als Option genannt wird, verstößt gegen die Regeln des geltenden Naturschutzes.

Die Diskussion ist, wie man sieht, mehr als überfällig. Auch für die Angler, die sich neben den Bootsverleihern, dem Wasser-Stadt-Leipzig e.V. und zwei Sportvereinen an diesem Brief beteiligen.
Der Offene Brief als PDF zum download.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar